Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Edith Weiss-Mann Edith Weiss-Mann, geb. Weiss

(11.5.1885 Hamburg - 18.5.1951 Westfield/New Jersey, USA)
Pianistin, Cembalistin, Klavierpädagogin und Musikkritikerin
Garten der Frauen, Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756 (Historischer Grabstein)
Alte Rabenstraße 34 (Wohnadresse)
Johnsallee 2 (Wohnadresse)


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Foto: Musikwissenschaftliches Institut der Universität Hamburg

Die in Hamburg geborene Edith Weiss-Mann war eine in ihrer Heimatstadt sehr angesehene Künstlerin, die das Hamburger Musikleben in den zwanziger und dreißiger Jahren außerordentlich stark beeinflusst und gefördert hat. „MANN WEISS – EDITH WEISS MANN“ [1], warb damals ein Plakat.
Ihre Ausbildung zur Pianistin hatte die Tochter des Kaufmanns Emil Weiss und seiner Ehefrau Hermine, geb. Rosenbaum von 1900 bis 1904 in Berlin an der Hochschule für Musik und danach bei verschiedenen Privatlehrern erhalten: von 1904 bis 1908 bei James Kwast, danach bei José Vianna da Motta, Carl Friedberg und Bruno Eisner.
Nach dem Examen ging sie nach Hamburg zurück und entfaltete eine umfangreiche musikalische Tätigkeit. Sie gab privaten Klavierunterricht, veranstaltete als Mitglied im Musikausschuss der „Gesellschaft der Freunde des Vaterländischen Schul- und Erziehungswesens“ zusammen mit anderen Künstlern in Schulen „Musikvorträge für die Jugend“ und bildete, da es in Hamburg noch keine Musikhochschule gab, in Seminaren an der Universität Musiklehrer aus, wobei sie von 1929 bis 1933 die Klavierklasse leitete. 1923 wirkte sie beim Aufbau der Volksmusikschule mit und gab fortgeschrittenen Schülern Klavierunterricht.
Aber nicht nur auf pädagogischem Gebiet zeigte Edith Weiss-Mann sich mit ihren zum Teil neuen und ungewöhnlichen Aktivitäten und reformpädagogischen Ideen als Wegbereiterin, sondern auch auf künstlerischem: Sie wurde eine der ersten Cembalistinnen und brachte das Cembalo als Konzertinstrument wieder zur Geltung.
Ihr Interesse an diesem Instrument hatte das Konzert der polnischen Pianistin Wanda Landowska im Museum für Hamburgische Geschichte erweckt. Auch Edith Weiss-Mann bekam die Erlaubnis, dort zu üben und zu konzertieren. Die 1925 von ihr gegründete „Vereinigung zur Pflege alter Musik in Hamburg“ veranstaltete ihre ersten Konzerte in den Räumen des Museums für Hamburgische Geschichte. Sie wurden aufgrund der großen Resonanz aber bald in den kleinen Saal der Musikhalle verlegt. Ab 1927 hatte Edith Weiss-Mann ihr eigenes Cembalo, einen Nachbau des Instrumentes aus der Berliner Musikinstrumentensammlung, das als „Bach-Cembalo“ galt.
Neben ihrem Engagement für die barocke Aufführungspraxis, die heute wieder große Bedeutung hat, setzte Edith-Weiss-Mann sich auch für zeitgenössische Musik ein, zum einen durch Aufführungen von Werken, zu denen sie möglichst die Komponisten zur Mitwirkung heranzog, zum anderen durch ihre Tätigkeit als Musikkritikerin. Sie schrieb für zahlreiche Zeitungen wie für das „Hamburger Fremdenblatt“, die „Deutsche Allgemeine Zeitung“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, für die Schweizer Fachpresse und den „Musical Courier“ in New York.
In ihrer großen Wohnung in der Alten Rabenstraße 34 veranstaltete Edith Weiss-Mann häufig Hauskonzerte, zu denen sie die nötigen Instrumentalisten hinzuzog. Oft wirkte auch ihr Sohn Alfred mit, der aus ihrer Ehe mit dem Kunstmaler Wilhelm Mann (1882-1957) stammte und 1917 geboren war. Er hatte ihre musikalische Begabung geerbt, spielte bereits vor dem Abitur alle Streichinstrumente und Blockflöte, komponierte und betätigte sich schreibend auf musikwissenschaftlichem Gebiet. Er ist heute Professor in den USA.
1935 richtete Edith Weiss-Mann eine regelmäßige häusliche Veranstaltung ein, die so genannte Sonntagsstunde, zu der sich Schüler, deren Eltern und Freunde einfanden. Eine ehemalige Schülerin, Irmgard Schumann-Reye, berichtet von diesen Stunden: „Ein bestimmtes Thema wurde aufgestellt, z.B. ‚Händel’. Dazu legte sie Abbildungen des Komponisten und seiner Wirkungsstätte auf dem Flügel aus, las aus entsprechender Literatur vor und brachte Musikbeispiele zu Gehör, bei denen sie selber spielte und je nach Bedarf Streich-, Blas- oder Gesangssolisten eingeladen hatte, die mitwirkten“[2]. Diese Sonntagsstunden fanden auch dann noch statt, als Edith Weiss-Mann 1937 aufgrund ihrer jüdischen Abstammung gezwungen wurde, in eine sehr viel kleinere Wohnung in der Johnsallee 2 zu ziehen. Als Lehrkraft war sie bereits 1933 entlassen worden, und öffentlich auftreten durfte sie seitdem nur noch im Jüdischen Kulturbund, einer Einrichtung, die mit dem Ziel, den zahlreichen entlassenen jüdischen Künstlern Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen, zuerst 1933 in Berlin mit staatlicher Genehmigung gegründet worden war. Der jüdische Kulturbund Hamburg entstand 1934. Er war die einzige noch erlaubte Wirkungsstätte für jüdische Künstler. Auch als Publikum waren nur Juden zugelassen.
Freunde und Kollegen wie Wilhelm Furtwängler, Armin Knab von der Akademie für Kirchenmusik in Berlin und Professor Stein von der Hochschule für Musik in Berlin taten alles, um Edith Weiss-Mann zu schützen und zu unterstützen. Um ihre materielle Lage zu verbessern, ließ der Freund und Theaterkritiker Hans Sommerhäuser Wilhelm Furtwängler und Armin Knab Artikel für den „Hamburger Anzeiger“ schreiben. Das fürstliche Honorar wurde Edith Weiss-Mann überwiesen. Furtwängler verschaffte ihr trotz des Auftrittverbots sogar noch einmal die Gelegenheit, öffentlich zu spielen. Hans Sommerhäuser berichtet: „Furtwängler bestellte sie in jener Zeit einmal auf den Hauptbahnhof in Hamburg, wo man unbeobachteter miteinander verhandeln konnte als in offiziellen Diensträumen oder Kulturinstitutionen, und bat sie um ihr ‚großartiges Cembalo’. Edith sagte zu, wie früher oft. Als Edith von den Besuchern des Konzertes sprach und auf die Gefährlichkeit der Situation hinwies, antwortete Furtwängler: ‚Aber, gnädige Frau, selbstverständlich sitzen Sie am Cembalo!’ Das war tapfer von Furtwängler. Edith Weiss-Mann war überglücklich, denn sonst durfte sie nicht mehr spielen“ [3].

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Quelle: Peter Petersen, mit freundlicher Erlaubnis von Gretchen Hartmann. Das Bild zeigt Edith Weiß-Mann im US-amerikanischen Exil, es ist undatiert.

Am 7.1.1939 heiratete Edith Weiss-Mann Jens Grau, der ebenfalls wie sie jüdischer Abstammung war. Diesen wesentlich jüngeren Mann soll sie nur deshalb geheiratet haben, um über Dänemark, wo der Däne Jens Grau lebte, in die USA emigrieren zu können. Gut zwei Wochen nach der Heirat emigrierte Edith Weiss-Mann am 23. März 1939 per Schiff mit ihrem Cembalo in die USA, wo ihr Sohn 1939 bis 1942 in Philadelphia Musik studierte. Die Schiffsreise führte über Englang, wo sich Edith Weiss-Mann von Jens scheiden ließ. An den USA angekommen zog sie jedoch nicht zu ihrem Sohn, sondern nach New York. Mit fast 54 Jahren musste sie noch einmal ganz von vorne anfangen. An ihre Schülerin Irmgard Schumann-Reye schreibt sie am 6. November 1939: „Tröstet es Sie, wenn ich Ihnen sage, dass ich ähnlich wie Sie völlig ungewohnte schwere Arbeit tue, immer noch mit der Angst dabei, in Form zu bleiben für die Musik und für die unvorstellbaren Ansprüche an äußerer Bereitschaft überhaupt. Die sind hier märchenhaft … Ich renne umher, unvorstellbar, um etwas bekannt zu werden“ [2]. Mit zäher Energie und eisernem Willen schaffte es Edith Weiss-Mann, sich eine neue Karriere aufzubauen. Sie spielte bald in Konzertsälen und im Rundfunk, auch zusammen mit ihrem Sohn. Ihr wohl größter Anfangserfolg aber war im Herbst 1940 die Einspielung sämtlicher Cembalokonzerte Bachs und der Werke der norddeutschen Barockmeister unter Otto Klemperer. Weitere Schallplattenaufnahmen sollten folgen.
Trotz eines schweren Krebsleidens in den letzten fünf Jahren ihres Lebens arbeitete Edith Weiss-Mann unermüdlich weiter. Sie bestand darauf, alleine zu wohnen und zu unterrichten, als sie es schon längst nicht mehr konnte. Erst als sie 1951 in ihrer Wohnung bewusstlos wurde, willigte sie ein, in das Haus ihres Sohnes und seiner Familie zu ziehen, wo sie kurz nach ihrem 66. Geburtstag, am 18. Mai 1951, starb. Ihre Asche wurde nach Hamburg überführt und auf der Grabstelle ihrer Schwiegereltern beigesetzt. In dem Glauben, mit der schweren Magenoperation im Jahre 1946 den Krebs überwunden zu haben, hatte sie an ihre Schülerin geschrieben: „Aber dem Leben und der Musik wiedergegeben zu sein ist herrlich“ [2].
Text: Brita Reimers