Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Louise Reichardt Louise Caroline Reichardt

(11.4.1779 Berlin – 17.11.1826 Hamburg)
Musikpädagogin, Chorleiterin, Komponistin
Große Reichenstraße 28 (Wirkungsstätte)
Namensgeberin für: Reichardtstraße in Bahrenfeld, seit 1929, benannt nach Johann Friedrich Reichardt. 2001/2002 ergänzt um die ebenso bedeutende Tochter Caroline Luise Reichardt.


Ausschnitt aus dem szenischen Rundgang: "Alles nur Theater mit den Frauen", Sprecherinnen: Rita Bake, Beate Kiupel

Louise Reichardt war die älteste Tochter des preußischen Hofkapellmeisters, Komponisten und Wegbereiters romantischer Liedkunst, Johann Friedrich Reichardt und der Sängerin und Komponistin Juliane Benda. In Hamburg gründete sie zusammen mit dem Pianisten und Komponisten Johann Hermann Clasing (1779-1829) den „Musikalischen Verein für geistliche Musick“, wo sie die Einstudierung des Chores übernahm.

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Porträt Louise Reichardt, Bild: Wikimedia Commons gemeinfrei

Sie führten oratorische Werke auf, vor allem von Georg Friedrich Händel, Wolfgang Amadeus Mozart und italienischen Komponisten. Im norddeutschen Raum organisierten sie „Geistliche Musikfeste“, 1817 und 1818 in Hamburg und Lübeck. Mit rund 500 Mitwirkenden vor rund 5000 Besuchenden wurden im Hamburger „Michel“ Händels „Messias“ und Mozarts „Requiem“ aufgeführt. Dieser „Musikalische Verein“ gilt als Vorläufer der 1819 gegründeten Hamburger Sing-Akademie, in der allerdings weder Reichardt noch Clasing wichtige Rollen eingeräumt wurden. Auch hier vermochte die Macht der Musik menschliche Konkurrenzkämpfe nicht zu mildern.
1809 war die ledige Louise Reichardt nach Hamburg gekommen, um sich eine Existenz als Gesangs- und Musiklehrerin aufzubauen. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter 1783 hatte ihr Vater die verwitwete Hermina Hensler, geb. Alberti, geheiratet. Deren Vater war der berühmte aufklärerische Prediger Julius Gustav Alberti (1723-1772), ein Gegner Johann Melchior Goezes (1717-1786). Die Familie wuchs, und Louise musste bereits im Alter von fünfzehn Jahren mit ihren beiden älteren Stiefschwestern die Haushaltung führen. Der Vater war als königlicher Kapellmeister ohne Pension entlassen worden, da er mit der französischen Revolution sympathisierte. Er zog mit der Familie nach Giebichenstein bei Halle, wo er das Kestnersche Kossätengut gekauft hatte und ab 1794 als Salinendirektor amtierte. Das Haus wurde zur legendären „Herberge der Romantik“, hier trafen sich Ludwig Tieck, Clemens Brentano, Novalis, Achim von Arnim, Friedrich Schleiermacher, Henrik Steffens etc. Für das Wohl dieser romantischen Geselligkeit waren Louise und ihre Schwestern unermüdlich tätig, die allerdings auch auf diese Weise von Diskussionen, Lesungen und Konzerten profitierten – und zu eigener Produktivität angeregt und ermuntert wurden. Insbesondere Louise wurde wegen ihres Gesangs und ihrer Kompositionen gelobt und knüpfte Freundschaften, etwa zu Achim von Arnim und Clemens Brentano.
Sie blieb unverheiratet, ihr erster Verlobter, der Dichter Friedrich August Eschen (1776–1800), verunglückte in den Schweizer Alpen, und ihr zweiter Verlobter, der Maler Franz Gareis (1775–1803), starb kurz vor der Eheschließung an Ruhr. Zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes zog sie 1809 nach Hamburg, in das Umfeld ihrer Stiefmutter, um dort als Gesangs- und Musiklehrerin zu arbeiten. Doch musste diese Erwerbstätigkeit vor dem Vater geheim gehalten werden, da sie dem bürgerlichen Frauenbild widersprach. Unterstützt wurde Louise Reichardt von der Familie Sillem. Sie unterrichtete bald viele Musikschülerinnen aus angesehenen Familien. Fünf Jahre später eröffnete sie, wohl als eine Pionierin auf diesem Gebiet, eine private Musik- und Singschule für Frauen und Mädchen, und gründete einen Frauenchor. Doch nach einiger Zeit machte ihr Vorbild Schule, die Konkurrenz der Lehrenden wuchs, und sie hatte Mühe, ihr Auskommen zu erwirtschaften.
Neben ihrer pädagogischen Tätigkeit wirkte Louise Reichardt auch als Komponistin. Ca. 90 Lieder sind von ihr bekannt.
Louise Reichardt leistete für die Entwicklung eines bürgerlichen Musiklebens in Hamburg einen wichtigen und bis heute unterschätzten Beitrag.
Text: Birgit Kiupel