Ernestine Schumann-Heink Ernestine Schumann-Heink, geb. Rößler
(15.6.1861 Lieben/Prag – 17.11.1936 Hollywood),
Altistin
Dammtorstraße, Stadttheater (Wirkungsstätte)
Heute wird zwischen einer Altstimme und der eines Mezzo-Soprans kaum mehr unterschieden. Mit der Entwicklung des Mezzofachs durch Wagner und Verdi verschwand die von unten aufgebaute, tiefdunkle Altstimme, wie Ernestine Schumann-Heink sie noch besaß. „Die Stimme war außergewöhnlich durch ihren Umfang vom tiefen D (...) bis zum hohen B, durch die reiche Sammetfarbe des tiefen Altregisters und die vor allem in jüngeren Jahren mühelose Höhe. Die Übergänge wurden sauber und klangschön verblendet, die Höhe mit feiner Verschlankung gebildet, obwohl der Ton dort instrumental und farbärmer klingt. Ihr Triller, mit voller, reicher und mühelos schwingender Stimme gebildet, weist sie als eminente Virtuosa aus, während die harte, manchmal heftige Attacke und gleitende Intervallverbindungen typisch deutsche Schönheitsfehler sind“, [1] urteilte der genaue Stimmen-Kenner Jürgen Kesting.
Die Tochter eines Leutnants und der Altistin Charlotte Goldmann-Rößler debütierte nach sorgfältiger Ausbildung mit siebzehn Jahren in Dresden unter dem Namen Tini Rößler, wurde aber vier Jahre später entlassen, weil sie ohne Zustimmung der Theaterleitung den Sekretär der Oper, Ernst Heink, geheiratet hatte.
1883 verpflichtete Bernhard Pollini Ernestine Heink als Comédienne nach Hamburg, wo sie sechzehn Jahre wirkte und 1894 in zweiter Ehe den Leiter des Thalia Theaters Paul Schumann heiratete. Ein glänzendes Gastspiel in Wagners „Ring“ unter Gustav Mahler hatte sie 1892 in London als Wagner Sängerin ausgewiesen. Von 1896 bis 1914 sang sie regelmäßig bei den Bayreuther Festspielen. Nach Pollinis Tod ging sie 1899 an die Met. 1905 heiratete sie den Rechtsanwalt William Rapp, trennte sich aber 1914 wieder von ihm. Mother Schumann-Heink, wie die siebenfache Mutter genannt wurde, entfaltete auch eine reiche Konzert- und Recitaltätigkeit. Bei ihrer ersten Tournee 1903/04 legte sie 60.000 km zurück und gab 102 Konzerte. Auch unternahm sie Abstecher ins Unterhaltungsfach mit „Stille Nacht“ und Silchers „Loreley“. 1926 verabschiedete sie sich von der Bühne mit einer großen Tournee und einem Gala-Dinner in New York, an dem 1000 Gäste teilnahmen. Ihre allerletzte Vorstellung gab Ernestine Schumann-Heink 1932 als Erda in Wagners „Siegfried“ an der Met. Ihr Bühnenrepertoire hatte 105 Partien umfasst. 1926 schrieb der Kritiker Pitts Sanburn: „Wenn die große Ernestine einen Ton bildet, sollten die Jungen lauschen und sich Gedanken darüber machen, was Atemstütze und Technik zu einer Karriere von fünf Jahrzehnten beitragen. Auch gestern klang ihre Stimme erregend durch ihre Sonorität und Farbigkeit. Jedes Wort kam wie ein Schwertstoß, ihre Autorität war gewaltig. Mit dem ersten ‚Weiche, Wotan, weiche!‘ streifte sie die Fesseln des Alters ab ... Die Worte der Mutter Erda gab sie mit Aeschylos-Großartigkeit, und es war kein Wunder, daß selbst Wotan achtgab und gehorchte.“ [1]
Text: Brita Reimers