Elisabeth Campe Elisabeth Campe, geb. Hoffmann
(12.6.1786 Hamburg – 27.2.1873 Hamburg)
Verlegertocher und -ehefrau, Biographin.
Neue Burg 22 (Wohnadresse)
Althamburgischer Gedächtnisfriedhof, Grabplatte „Verleger und Drucker“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756
Heute fröstelt man in der Neuen Burg angesichts der Ruine der im Zweiten Weltkrieg zerstörten St. Nikolai Kirche und der bizarren Bebauung aus wenigen älteren Kontorhäusern und nüchternen modernen Büroklötzen mit Tiefgarageneinfahrt. Anfang des 19. Jahrhunderts muss hier ein geschäftiges Treiben geherrscht haben. Damals hatte Benjamin Gottlob Hoffmann im Schatten der Kirche seine Verlagsbuchhandlung und den Wohnsitz, den er mit seiner Tochter Elisabeth und ihrem Ehemann, dem Verlagsbuchhändler Franz August Gottlob Campe teilte. Sein Geschäft hatte Campe in der Bohnenstraße.
„Seine Ansprüche waren immer nur auf ein bescheidenes Lebensglück gerichtet und hierin fand er die vollste Übereinstimmung der Gesinnungen, als er im J. 1806 die einzige Tochter seines älteren Collegen B. G. Hoffmann zur Lebensgefährtin wählte“, [1] schrieb Elisabeth Campe anlässlich des Todes ihres Mannes, des Buchhändlers und Verlegers Franz August Gottlob Campe, und charakterisierte damit zugleich sich selbst.
Worin aber bestand dieses „bescheidene Lebensglück“? Elisabeth hatte eine gründliche Ausbildung genossen und bewegte sich bald mit großer Selbstverständlichkeit in den ersten Hamburger Kreisen, die in ihrem Elternhaus verkehrten. Besonders liebte sie die Fahrten zur Leipziger Buchmesse, wo sie Gelegenheit hatte, Menschen kennen zu lernen und Freundschaften zu schließen. Ein Leben in und für die Gemeinschaft Gleichgesinnter, das war es, was ihrer Vorstellung entsprach.
Die geistreiche und lebendige junge Frau wurde der Mittelpunkt eines großen literarisch interessierten Freundeskreises. Zu ihm gehörten Nicolas Böhl von Faber, der erfolgreiche Kaufmann, Kenner der spanischen Poesie und mittelhochdeutschen Literatur, Herausgeber einer Liedersammlung aus „Des Knaben Wunderhorn“ und Vorbild des Johannes in Joachim Heinrich Campes Roman „Robinson der Jüngere“, Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer, der Biograph des großen Theatermannes Friedrich Ludwig Schröder, und der Dichter Johann Diederich Gries, der vor allem als Übersetzer von Tasso und Calderon bekannt geworden ist. Ihnen allen sollte Elisabeth Campe ein schriftliches Denkmal setzen, und der Beweggrund war immer derselbe: Sie wollte die Freunde in ihrer wahren Persönlichkeit darstellen und sie zugleich vor dem Vergessen bewahren. 1847 erschien ”Zur Erinnerung an F. L. W. Meyer, den Biographen Schröders, Lebensskizze nebst Briefen von Bürger, Forster, Göckingh, Gotter, Herder, Heyne, Schröder u. a. 2 Theile. 1855 folgte „Leben von J. D. Gries“, 1858 dann der „Versuch einer Lebensskizze von J. N. Böhl von Faber. Nach seinen eigenen Briefen (als Handschrift) gedruckt“. Die Briefe, die Elisabeth Campe auf Böhl von Fabers Bitte in der Zeit der zweiten französischen Besetzung an ihn verfasst, aber auf Grund unglücklicher Umstände nicht abgeschickt hatte, erschienen im Juli 1814 unter dem Titel „Hamburgs außerordentliche Begebenheiten und Schicksale in den Jahren 1813 und 1814“.
Aber nicht nur in ihrem schriftstellerischen Werk zeigen sich Elisabeth Campes Vorstellungen eines gemeinschaftlichen Mit- und Füreinander. Als 1813 die Bürgergarde gegründet wurde, weil man eine Rückkehr der eben abgezogenen Franzosen fürchtete, stickte sie zusammen mit Freundinnen eine Fahne, die nach der Übergabe an die Bürgergarde unter Anwesenheit der Frauen in der St. Michaelis Kirche geweiht wurde. Zudem gründeten die Frauen einen Verein, der sich zur Aufgabe machte, die kämpfenden Männer zu unterstützen. Als dazu keine Notwendigkeit mehr bestand, löste sich der Verein nicht auf, sondern die Frauen gründeten eine Schule für die Ausbildung armer Mädchen zu Dienstbotinnen, in der Elisabeth Campe als Pflegerin tätig war und unterrichtete.
1818 hatte das kinderlose Ehepaar Campe die siebenjährige Nichte Elise Friederike Reclam als Pflegekind bei sich aufgenommen. Ihr schrieb Elisabeth Campe in einer Art Vermächtnis im Jahre 1840: „Du kennst die Nachtheile des Alleinlebens; davor sei ernstlich gewarnt. Unabhängigkeit und Freiheit sind Hirngespinnste; Niemand ist unabhängig und frei zu nennen, als wer alles Ernstes Herr seiner Fehler und Leidenschaften geworden; nach dieser Freiheit des Geistes dürfen wir allein ringen. Kannst Du Dich hier, in Deiner zweiten Vaterstadt, guten Menschen anschließen, Dir mit den Mitteln, die Gott Dir gegeben, eine zweckmäßige Thätigkeit schaffen, ohne der Eitelkeit nach Außen Raum zu geben, so bleibe in Gottes Namen hier und erhalte das Andenken beider würdigen Männer, Deines und meines Vaters, deren Thätigkeit Du diese Mittel dankst, bei den Zeitgenossen im Segen!“ [2]
Text: Brita Reimers