Josephine Erkens
(20.7.1889 Düsseldorf – 6.5.1974)
Leiterin der Weiblichen Kriminalpolizei (WKP)
Neuer Wall/Stadthausbrücke 8 (Stadthaus) (Wirkungsstätte)
Cäcilienstraße 8 (Wohnadresse)
Im „Stadthaus“, wo sich heute ein Hotel und andere Geschäfte befinden, hatten vor 1933 die Polizeibehörde und die am 15.8.1927 eingeweihte Weibliche Kriminalpolizei (WKP) ihre Räumlichkeiten. Der Arbeitsschwerpunkt der WKP lag in der Betreuung sittlich gefährdeter Frauen. Josephine Erkens wurde die Leiterin dieser neu eingerichteten Abteilung. Sie war zwischen 1915 und 1918 als Buchhalterin beim Stahlwerksverband tätig gewesen, hatte von 1918 bis 1920 eine Ausbildung an der Niederrheinischen Frauenakademie in Düsseldorf und danach ein Praktikum beim dortigen Pflegeamt absolviert. 1921 wurde sie Polizeifürsorgerin in Köln und übernahm 1924 die Leitung der dortigen Frauenwohlfahrt. Ein Jahr später wechselte sie nach Frankfurt a. M., wo das „Kölner Modell“ fortgeführt wurde, das zwischen 1923 und 1925 im damals britisch besetzten Köln eingerichtet worden war und das Josephine Erkens in ihrer Kölner Zeit kennen gelernt hatte. Nach englischem Vorbild waren in Köln zum ersten Mal Polizeivollzugsbeamtinnen eingestellt worden. Sie hatten Uniformen erhalten und waren mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet worden. Ihr Arbeitsschwerpunkt war die Erfassung sittlich gefährdeter Kinder und Jugendlicher sowie Streifentätigkeiten. Aus Kostengründen musste in Köln das Kölner Modell jedoch nach drei Jahren aufgegeben werden.
Nachdem Josephine Erkens 1926 die Kriminalkommissarprüfung abgelegt hatte, wurde sie Leiterin der nach dem Kölner Modell arbeitenden Frauen-Wohlfahrtspolizei in Frankfurt a. M. 1927 kam sie als Kriminaloberinspekteurin zum Aufbau der Weiblichen Polizei nach Hamburg. Mitgebracht aus Kölner Zeiten hatte sie ihre Kolleginnen Dopfer und Fischer. Noch im selben Jahr wurde Josephine Erkens zur Oberinspektorin befördert.
Schon bald wurden bei der Weiblichen Polizei auch männliche Kripo-Beamte eingestellt, denn bei den zu bearbeitenden Fällen waren die Beschuldigten meist Männer. Einmalig für Deutschland und neu war, dass die Bearbeitung der Fälle bis zur Abgabe an die Staatsanwaltschaft in den Händen der WKP blieb. Behandelt wurden Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Darunter fielen Ehebruch, Blutschande, Unzucht mit Abhängigen, Unzucht mit Personen unter vierzehn Jahren, Missbrauch „geisteskranker“ Frauen, Vergewaltigung, Verführung minderjähriger Mädchen, tätliche Beleidigungen aus geschlechtlichen Beweggründen, Kindesmord, Abtreibung.
1927 wurden 5.467 Vernehmungen durchgeführt und in 1.099 Strafsachen ermittelt. Ein Jahr später arbeiteten neben Josephine Erkens, die nun den Rang einer Regierungsrätin hatte, acht weitere Beamtinnen, drei Wohlfahrtspflegerinnen und zwei Männer bei der WKP Hamburg, die zum Vorbild für viele Länder wurde.
Doch dann geschah etwas Ungeheuerliches: Im Juli 1931 stand es in allen Zeitungen: Gemeinschaftlicher Suizid im Watt vor der Nordseeinsel Pellworm. Die Kriminalinspektorin Dopfer und die Kriminalobersekretärin Fischer hatten sich gemeinsam das Leben genommen. Auslöser war wohl eine verwickelte Liebesgeschichte. Liebeskummer und unerfüllte Liebe spielten dabei eine Rolle. Fischer hatte Liebeskummer wegen Dopfer, weil diese sich in Josephine Erkens verliebt hatte. Und Dopfer litt an unerfüllter Liebe, weil Josephine Erkens ihre Liebe nicht erwiderte.
Vor ihrem angeblichen Suizid – der Fall wurde nie geklärt – hatte das Paar einen Abschiedsbrief an den stellvertretenden Polizeipräsidenten Dr. Schlanbusch geschrieben, in dem sie ihren Suizid angekündigt hatten. Doch die von Schlanbusch geschickte Hilfe kam zu spät. Am 9. Juli spülte die Flut die aneinandergebundenen Leichen der beiden Frauen an den Strand von Pellworm. Der Suizid machte Schlagzeilen. Josephine Erkens wurde für den Tod der beiden Frauen verantwortlich gemacht. Wahrscheinlich gezielt lancierte Pressespekulationen führten zu starken negativen Folgen für den Fortbestand der WKP, was Schlanbusch, dem unmittelbaren Vorgesetzten Josephine Erkens nur recht war. Er war gegen die WKP eingestellt und bediente sich der Selbsttötung der beiden Frauen, um die WKP abzuschaffen. Mit dieser Taktik hatte er angesichts der damaligen Erstarkung der rechten Parteien Erfolg. Drei Tage nach dem Suizid durfte die WKP nicht mehr selbständig weiterarbeiten. Die Leitung übernahm ein Mann. Josephine Erkens musste ihre Tätigkeit aufgeben und wurde sogar am 4.1.1932 zunächst unehrenhaft, aber mit fortlaufenden Bezügen aus dem Dienst entlassen. 1933 wurde ihr das Ruhegeld gestrichen, und sie zog in ihre Geburtsstadt Düsseldorf zurück. Sie war nun zwar ihrer gesicherten materiellen Existenz beraubt, gebrochen war sie jedoch nicht. Sie erfuhr große internationale Solidarität. 1951 strengte Josephine Erkens die Wiedergutmachung an, und es kam zu einem Vergleich mit der Stadt Hamburg.
Auch die anderen weiblichen WKP-Beamtinnen wurden Schritt für Schritt entlassen. Damit war, so die Historikerin Prof. Dr. Ursula Nienhaus, „der Versuch der Etablierung einer weiblichen expliziten Reformpolizei in Deutschland gescheitert“. [1] Die WKP wurde der männlichen Sittenpolizei unterstellt und arbeitete nun mit der NSDAP und der SS zusammen.
Text: Rita Bake