Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Alma Wartenberg Alma Wartenberg, geb. Stähr

(22.12.1871 in Ottensen - 25.12.1928 in Altona)
Frauenrechtlerin, sozialdemokratische Politikerin aus Ottensen, Vorkämpferin für Geburtenregelung und Mutterschutz
Bahrenfelder Kirchenweg 14 (Wohnadresse)
Namensgeberin für: Alma-Wartenberg-Platz
Bestattet auf dem Hauptfriedhof Altona, Stadionstraße, Grablage: Abt. 22, 101.05


3408 Wartenberg Alma
Alma Wartenberg, Quelle: Stadtteilarchiv Ottensen/Familie Wartenberg

Geboren wurde Alma Wartenberg in “Mottenburg”, dem ärmeren Teil von Ottensen, als eines von 12 Kindern einer traditionell sozialdemokratischen Zigarrenmacherfamilie. Schon ihre Mutter Maria Stähr betätigte sich unter dem Sozialistengesetz in getarnten Frauenbildungsorganisationen. Als junge Frau arbeitete Alma Wartenberg als Dienstmädchen, bis sie den Schlosser Ferdinand Wartenberg heiratete, mit dem sie vier Kinder hatte. Politisch trat sie in die Fußstapfen ihrer Mutter und baute vor Ort die proletarische Frauenbewegung maßgeblich mit auf. Von 1902 bis 1906 wurde sie auf Frauenversammlungen jährlich wieder zur sozialdemokratischen Vertrauensfrau im Wahlkeis Ottensen/Pinneberg gewählt. Um das politische Engagement von Arbeiterfrauen zu fördern – auch gegen den Widerstand vieler männlicher Parteigenossen – bereiste sie als Agitatorin schleswig-holsteinische Wahlkreise und erweiterte zu einer Zeit, als Frauen per Reichsgesetz die Mitgliedschaft in politischen Organisationen noch verboten war, das Netz weiblicher Vertrauenspersonen und Frauenversammlungen – parallel zur Parteistruktur aber mit relativer Autonomie. Als Delegierte nahm sie an Frauenkonferenzen und Parteitagen teil. 1905 gehörte sie mit zu den Initiatorinnen einer Protestkampagne gegen ein skandalöses Urteil des Altonaer Schwurgerichtshofes, als vier junge Männer aus bürgerlichen Kreisen wegen Vergewaltigung eines Dienstmädchens überführt, aber dennoch freigesprochen wurden. Entgegen der sozialdemokratischen Parteilinie und auch im Widerspruch zur Führung der proletarischen Frauenbewegung befürwortete Alma Wartenberg eine Zusammenarbeit mit den „Radikalen“ innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung. Ausgestattet mit einer gehörigen Portion Eigensinn und einem starken Willen, die Interessen der Frauen nicht denen der Partei unterzuordnen, geriet Alma Wartenberg schon 1906 in Konfrontation mit führenden Funktionären: Ein Parteiausschlussverfahren gegen sie musste zwar eingestellt werden, aber als Vertrauensfrau wurde sie trotz Unterstützung ihrer Genossinnen abgesetzt.
Von nun an legte Alma Wartenberg den Schwerpunkt ihres politischen Engagements auf das Thema Mutterschutz und Geburtenkontrolle. Ihr lag an der Verbesserung der Lebensverhältnisse und der Gesundheit von Frauen. Die hohe Säuglingssterblichkeit, die weite Verbreitung der „Frauenleiden“ infolge der vielen Geburten und Fehlgeburten und auch der häufig praktizierten Abtreibungen sowie auch die erschreckende Unkenntnis der Arbeiterfrauen über körperliche und sexuelle Vorgänge hatten sie alarmiert. Sie forderte einen besseren Schutz der Mütter und der schwangeren Arbeiterinnen. Ihr Spezialgebiet wurde die Aufklärung der proletarischen Frauen. Dabei kamen ihr Kenntnisse zugute, die sie als Dienstmädchen in einer Arztfamilie beim Aushelfen in der Sprechstunde gesammelt hatte. Sie zog mit Lichtbilder-Vorträgen über den weiblichen Körperbau, über Empfängnisverhütung und Mutterschutz von Stadt zu Stadt. Im An-schluss an ihre stark besuchten Vorträge – mehrere Hundert Zuhörerinnen waren keine Seltenheit – verkaufte sie öffentlich Verhütungsmittel. Damit brachte sie die Justiz, die Beamtenärzteschaft und kirchliche Kreise im konservativen Kaiserreich gegen sich auf. Mehrfach drohten ihr Gefängnisstrafen wegen „Vergehens gegen das sittliche Empfinden“. Auch innerhalb der Partei blieb Alma Wartenberg sehr umstritten. Als kurz vor dem ersten Weltkrieg die Gesetze gegen Verhütungsmittel und das Abtreibungsverbot verschärft werden sollten, erklärte Alma Wartenberg, dass allein die Frau das Recht habe, über ihren Körper und die Zahl ihrer Geburten zu bestimmen. Entgegen der offiziellen Parteilinie unterstützte sie innerhalb der Sozialdemokratie die heftig debattierte Idee eines „Gebärstreiks“ als Protest gegen den staatlichen „Gebärzwang“, eine Idee, die vor allem bei Arbeiterfrauen auf Zustimmung stieß.

3408 Grab Alma Wartenberg
Grab Alma Wartenberg, Quelle: kulturkarte.de/schirmer

In der neuen Republik ließ sich Alma Wartenberg als Abgeordnete für die SPD in das Altonaer Stadtverordnetenkollegium wählen und saß seit 1925 als einzige Abgeordnete im schleswig-holsteinischen Provinziallandtag. 1927 legte sie nach einem Schlaganfall alle Ämter nieder und starb 1928 im Alter von nur 57 Jahren. Ihr unerschrockenes Engagement für das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung und freien Zugang zu Verhütungsmitteln war wegweisend und ist immer noch aktuell.
Die Benennung des Alma-Wartenberg-Platzes (vorher als Friedenseichenplatz bekannt, aber ohne offizielle Bezeichnung) im November 1996 geht auf historische Forschung und Initiative der Frauengeschichtsgruppe im Stadtteilarchiv Ottensen zurück.
(Text: Birgit Gewehr von der Frauengeschichtsgruppe im Stadtteilarchiv Ottensen)