Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Amalie Schoppe Amalie Emma Sophie Katharina Schoppe, geb. Weise (Pseudonym Adalbert von Schonen)

(9.10.1791 Burg/Fehmarn – 25.9.1858 (laut Brockhaus) Shenectady/New York)
Erzählerin, Redakteurin und Autorin von Frauenratgebern. Gönnerin Friedrich Hebbels
Stadtdeich 25 (Wohnadresse)
Namensgeberin für: Amalie-Schoppe-Weg (seit 1930)


3409 Amalia Schoppe
Amalia Schoppe, Quelle: gemeinfrei, Zeichnung von Johann Jürgen Sickert um 1828

Amalie Schoppe entstammte einer Arztfamilie und verlebte eine glückliche Kindheit, in der sie sich voll entfalten durfte. Doch als sie sieben Jahre alt war, starb ihr Vater. Die Mutter konnte sie aus finanziellen Gründen nicht behalten und gab ihre Tochter zu einem Onkel nach Hamburg. Dort ging es Amalie nicht gut. Sie wurde von ihrem Onkel – einem „Lüstling“ und Trinker misshandelt und vernachlässigt. Sie flüchtete sich in die Literatur – drei Bücher hatte sie zur Verfügung, die sie immer wieder las – schließlich begann sie selbst Gedichte zu schreiben. Doch selbst Papier wurde ihr nur knapp zugeteilt.
1803 konnte Amalie endlich zurück zu ihrer Mutter, denn diese, die zuvor als Haushälterin bei einem Kaufmann gearbeitet hatte, war nun mit diesem verheiratet, so dass sie in die Lage versetzt war, ihre Tochter in das neue Heim zu holen. Nachdem der Stiefvater sein Vermögen in den Napoleonischen Kriegen verloren hatte, nahm die fünfzehnjährige Amalie Schoppe 1806 eine Hauslehrerinnenstelle an und sorgte fortan für sich selbst.
Ein Jahr zuvor hatte die damals Vierzehnjährige ihren künftigen, vier Jahre älteren, Ehemann, den Juristen Friedrich Heinrich Schoppe kennengelernt. Er war ganz vernarrt in sie, sie jedoch liebte ihn nicht, gab aber schließlich doch seinem Drängen nach und verlobte sich heimlich mit ihm. Diese Verlobung gab sie auch dann nicht auf, als sie sich wirklich in einen Mann verliebte.
1809 erlebte die 17-jährige Amalie Schoppe einen ganz besonderen Sommer. Dazu schreibt Hargen Thomsen: „Der aus (…) Ludwigsburg stammende Justinus Kerner (…) kam im Mai 1809 nach Hamburg, um bei seinem Bruder Georg, der hier als Armenarzt angestellt war, ein Praktikum zu absolvieren. Er lernte dort den gleichaltrigen Assur/Assing kennen und traf [Karl August] Varnhagen wieder (…). Dieser brachte aus Berlin Adalbert von Chamisso mit und vermittelte die Bekanntschaft zu seiner Schwester Rosa Maria, die wiederum ihre um acht Jahre jüngere Freundin Amalia in den Kreis einführte. (…) [Amalie Schoppe] war [nun] Mitglied einer Gruppe junger Menschen, die sich als poetische Widerstandsgruppe gegen eine trostlos prosaische Zeit verstand und in der es die üblichen gesellschaftlichen Barrieren zwischen Stand, Religion, Herkunft und Geschlecht nicht geben sollte.“ [1]
1813 flüchtete Amalie Schoppe nach Fehmarn, denn sie war unverheiratet schwanger und gebar dort am 7. Juli 1813 ihren Sohn Carl Adalbert. Der Kindsvater war Friedrich Heinrich Schoppe. Das Kind war nicht das Ergebnis einer Liebesnacht, denn, so Amalie Schoppe, „nicht eine Stunde der Lust und der Vergessenheit setzte es ins Dasein, sondern eine körperliche Hinfälligkeit von meiner Seite“. [2]
Nun war sie moralisch gezwungen, den ungeliebten „Kindsvater“ zu heiraten. „Die Ehe wurde am 19. August 1814 in Burg vollzogen – oder vielmehr nicht vollzogen, ‚denn er hatte mir versprechen müssen, noch die Nacht über den Sund zu gehen, damit in den Augen der Welt unsre Verbindung auch als das erschiene, was sie war – nur eine rein geistige, nur eine welche die Redlichkeit und Pflicht gebot‘.“ [3]
Amalie Schoppe kehrte erst 1817 nach Hamburg zurück und verließ ihren Ehemann wenige Zeit später wieder. Allerdings hatte diese Zeit ausgereicht, um ein zweites Mal schwanger zu werden. Dieser zweite Sohn kam am 18. Mai 1818 zur Welt.
Dann erfolgte erneut eine Trennung vom Ehemann. Amalie Schoppe versuchte nun, mit ihrer Freundin Fanny Tarnow in Wandsbek eine Mädchenschule zu gründen. Doch dieses Vorhaben scheiterte, weil das Zusammenwirken mit Fanny Tarnow nicht gelang. Amalie Schoppe hatte Schulden aufgenommen, um die Schule einzurichten und stellte Fanny Tarnow kostenlos eine Wohnung zur Verfügung. Doch diese war mehr an sexuellen Affären interessiert als am Zustandekommen der Schule und war – wie Amalie Schoppe schreibt – „der Großsprecherei zugethan und log, daß ihr völlig der Dampf aus dem Halse stieg“. [4]
So blieb Amalie Schoppe auf einem Berg Schulden sitzen und sah in dieser Situation keine andere Möglichkeit, als zu ihrem Ehemann zurückzukehren. Sie blieben ein Jahr zusammen, und der dritte Sohn Alphons wurde am 17. Februar 1821 geboren. Über den weiteren Fortgang ihrer Ehe schreibt Amalie rückblickend: „Ein feiles Geschöpf gewann endlich sein Herz gänzlich – er verließ mich und unsre drei Kinder, die ich jetzt vom Ertrage meiner Schriften ernährte; später konnte ich ihn noch unterstützen, als er mich um Hülfe bat. Er hat, trotz seiner Verirrungen, nie aufgehört, mich zu lieben, zu achten; seine Buhlerin musste sogar, seltsam genug, meinen Vornamen annehmen. An seinem 40sten Geburtstag, den 7. Juli 1829, ging er heiter und glücklich zur Elbe, um, was er im Sommer täglich that, zu baden, und vor den Augen des Knaben, der seine Kleidung am Ufer bewachte, erfaßte ihn ein Krampf und zog ihn in die Tiefe hinab, (…). Seine Maitresse brachte mir die Todesbotschaft.“ [5]
Amalie Schoppe wurde eine sehr produktive Schriftstellerin. So war sie die Autorin der Schrift „Briefstellerin für Damen“, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in jeden gut situierten Haushalt gehörte Ab 1822 veröffentlichte sie fast jährlich Erzählungen und Romane. Sie schrieb für über vierzig Journale, u. a. für das Morgenblatt für gebildete Stände, für die Dresdner Abendzeitung, für die Zeitschrift für die elegante Welt. Sie verfasste mehr als 130 Unterhaltungsromane, meist für das weibliche Publikum, Kinder- und Jugendliteratur, Sachbücher und Sagen. Daneben gab sie u. a. die Pariser Modeblätter (1827–1845) und die Jugendzeitschrift „Iduna“ (1831–1839) heraus.
Als Redakteurin hatte sie den Schriftsteller Friedrich Hebbel kennengelernt, den sie förderte und dessen Gedichte sie in ihrer Zeitschrift „Neue Pariser Modeblätter“ abdrucken ließ. Mit ihrer Hilfe lebte Hebbel zwischen März 1835 und März 1836 in Hamburg. Sie verschaffte ihm ein kleines Stipendium. Doch fünf Jahre später kam es zu einem schweren Zerwürfnis zwischen den beiden. Er brach schließlich mit ihr, weil er sich durch sie verletzt fühlte. So schrieb er am 25. Mai 1840 an sie: „Aus Dithmarschen sandte ich an die Redaktion der ‚Neuen Pariser Modeblätter‘ mehrere Gedichte. Sie nahmen dieselben auf und sprachen sich in Ihrem Blatt über diese Gedichte auf eine, dem damals sehr jungen Verfasser schmeichelnde Weise aus. (…) Was von mir einging, wurde gedruckt, war also willkommen. Bald erhielt ich von Ihnen einen Brief, worin Sie mir über meine Produktion mehr Freundliches sagten, als sie in ihrer embryonischen Gestalt verdienen mochten. Sie ersuchten mich zugleich, meine Sendungen nicht länger an die Redaktion, sondern an Sie selbst zu adressieren. So knüpfte sich zwischen Ihnen und mir nach und nach ohne vorhergegangene persönliche Bekanntschaft ein Verhältnis an. (…)
Sie kamen mir menschlich und freundlich entgegen und gaben mir Versprechungen, die ich, so fern auch die Erfüllung lag, noch jetzt gern als wahre Wohltaten anerkenne, da sie mir eine Perspektive eröffneten (…).
Inzwischen waren Sie tätig für mich, ohne Erfolg irgendeiner Art. Endlich meldeten Sie mir, Sie hätten Aussichten zum Studieren für mich und teilten mir das Tatsächliche, daß das Fräulein Jenisch, jetzige Frau Gräfin von Redern, hundert Taler hergeben wolle und daß außerdem noch ein paar Beiträge aus Tönning sowie aus Hamburg zu erwarten stünden, mit. (…)
Ich war zweiundzwanzig Jahre alt, hatte äußerlich und innerlich viel erlebt und durfte mich selbständig fühlen. Welcher Art aber waren die Verhältnisse, in die ich jetzt eintrat? Jeder Unparteiische, der sie prüft, wird bekennen, daß sie sehr trübe waren. Den Bedienstetentisch in Wesselburen vertauschte ich mit den Freitischen bei allerlei Leuten, den schlechten Tisch also mit dem Gnadentisch. Auf einer Schulbank, wo Knaben saßen, mußte ich, da ich mich Ihren Anordnungen nicht widersetzen durfte, mir einen Platz gefallen lassen, um Dinge zu treiben, die, wenn ich sie nicht auf Gravenhorsts, meines Freundes und Lehrers, diktatorischen Imperativ beiseite geworfen hätte, mir das gründlicherere Studium des Lateins, worauf doch zunächst alles ankam, unmöglich gemacht haben würden. Als ich indes die Mathematik aufgab, machte der Mann, dessen Stunden ich notgedrungen versäumte, mir auch den Tisch bei sich unleidlich. Ein anderer meiner Gönner, in dem Sie mir einen Ihrer erprobten vieljährigen Hausfreunde vorstellten, war plötzlich als S… berüchtigt, so daß ich sein Haus mit Abscheu und Ekel fliehen mußte. Ein dritter, Wilhelm Hocker, mir früher als rein und hochbegabt angepriesen, war aus Ihrer Gunst gefallen; desungeachtet bestimmten Sie mich, von ihm die versprochenen zehn Taler sowie einen Tisch bei seinen Eltern anzunehmen und mich einem Menschen, dessen Bild Sie auf der einen Seite nicht nachteilig genug auszumalen wußten, auf der andern zu verpflichten. So in den meisten Stücken das Widersinnige, was Mut, Lust und Erfolg aufhob und mich zu Menschen, die ich nicht kennen konnte und die sich nachher als kleinlich oder wie der angeführte S… als verächtlich auswiesen, in die bedenklichste aller Stellungen brachte, in die unfreie des für Armseligkeiten zu Dank Verschuldeten. (…) Außerdem muteten Sie mir zu, daß ich, der Sparsamkeit wegen, die paar Tropfen Milch, die ich täglich brauchte, in eigener Person über die Straße holen und auch wohl je zuweilen einen kleinen Eßwarenrest mitnehmen mußte und für Hochmut wurde es mir ausgelegt, wenn ich diese Indelikatessen, durch die ich vor der ganzen Nachbarschaft zum Bettler gestempelt worden wäre, wenn Sie nicht schon vor meiner Ankunft mich dem Stadtdeich durch mehrere bei Ihnen aus- und eingehende Personen als solchen angekündigt hätten, auch nur mit einer Miene zurückzuweisen wagte. Dieses alles ist tatsächlich, ja stadtkundig. Raisonnements [Einwendungen, Urteil] will ich mir nicht erlauben, aber ich will jedes Herz fragen, ob ein Mensch und noch dazu einer, in dem das stets mit unendlicher Sensibilität verbundene, dichterische Talent vorwaltet, sich in einer gleichen oder auch ähnlichen Lage wohlfühlen kann. Daß ich mich aber nicht wohlfühlte, war in Ihren Augen ein Verbrechen, dies ist ebenfalls tatsächlich. Ein Teil des Drückenden und Erstickenden lag in den Umständen und war als ein unumgänglich Notwendiges, wenn auch nicht leicht, so doch leichter zu tragen; der größere Teil ging von Ihrer Willkür aus und wäre bei einiger Rücksicht von Ihrer Seite zu vermeiden gewesen.
Sie haben mir durch das Vorbereitungsjahr geholfen, aber nicht weiter; an meinem eigentlichen Studieren haben Sie, was dennoch die ganze Welt zu glauben scheint, keinen Anteil. (…)“ [6]
Hargen Thomsen schreibt über dieses Zerwürfnis, dass Amalie Schoppe „(…) mit vielen derjenigen, die sie zunächst zu unterstützen versuchte, später in Streit geriet. (…) Aber dasselbe gilt (…) auch für Hebbel, dessen Biographie ebenfalls durchsetzt ist mit Streitigkeiten und großen Abrechnungen. (…) Was die Heftigkeit des Temperaments angeht, waren die beiden sich durchaus ebenbürtig, und es ist schade, daß Amalias Antwort auf Hebbels große Anklageschrift sich nicht erhalten hat. Daß es eine solche Antwort gegeben hat, ergibt sich aus einem Begleitbrief an einen unbekannten Adressaten vom 8. Juni 1840 und in diesem spricht sie davon, daß Hebbel ‚noch weit empfindlicher gegen Beleidigungen ist, als ich es bin‘. (…)“ [7]
1842 zog Amalie Schoppe mit ihrer Mutter nach Jena. Dies war, wie Hargen Thomsen schreibt, „mehr eine Flucht vor den Problemen in Hamburg“. [8] In Hamburg war 1833 ihr Sohn Carl gestorben, 1840 ihre Freundin Rosa Maria Assing und ihr zweiter Sohn hatte mit ihr gebrochen. Dieser verschwand nach Java, „wo er 1847 an einem Fieber starb“. [9]
Aber auch in Jena war Amalie Schoppe vom Unglück verfolgt. 1843 starb ihre Mutter und 1844 erhielt sie „die Nachricht, daß ihr jüngster Sohn Alphons in Hamburg wegen Unterschlagungen verhaftet wurde“. [10]
Amalie Schoppe kehrte 1845 zurück nach Hamburg und kümmerte sich um ihren Sohn, der bis 1850 inhaftiert blieb.
Als 1848 die bürgerliche Revolution ausbrach, unterstützte und befürwortete Amalie diese demokratische Bewegung und schrieb und veröffentlichte darüber.
„Nach dem Scheitern der Revolution war ihre Energie aber keineswegs erschöpft. Sie schloß sich dem ‚Frauenverein für Armenpflege‘ und ihrer Gründerin Charlotte Paulsen an (…), war mit den Planungen für die ‚Hochschule für das weibliche Geschlecht‘ beteiligt (…).“ [11]
Nachdem ihr Sohn 1850 aus der Haft entlassen worden war, wanderte er nach Amerika aus. 1851 folgte Amalie Schoppe ihrem Sohn Alphons in die USA. Über ihre Beweggründe äußerte sie: „Es duldet mich nicht länger in dem verwitterten und verfaulten Europa, und mit den letzten Atemzügen will ich die Freiheit in mich einsaugen, für die ich lebte, strebte und litt.“ [12] In Amerika gab sie, um etwas Geld zu verdienen, befreundeten Frauen Unterricht in Deutsch und Französisch.
„Der Ruhm der einstigen Erfolgsschriftstellerin verblaßte bald, und nur die Rolle, die sie in Hebbels Biographie spielt, sicherte ihr ein kleines Stückchen Unsterblichkeit und einige Zeilen in den Enzyklopädien.“ [13]
Text. Dr. Rita Bake