Alice Ascher
(16.8.1880 in Hamburg - deportiert am 6.12.1941 nach Riga, Todesdatum unbekannt)
Angestellte im Sekretariat Warburg
Braamkamp 36 (Wohnadresse) Stolperstein
Mittelweg 17 (Wirkungsstätte)
Alice Ascher, die Tochter von Emilie Ascher und ihrem Mann Gustav Joachim, wuchs mit ihren beiden jüngeren Brüdern in der Sierichstraße 18 auf, blieb unverheiratet und war als Privatsekretärin des Bankiers Max Warburg am Ballindamm tätig. Gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Margot Doctor wohnte sie in den 1930er Jahren im ersten Stock des Hauses Braamkamp 36. Dort lebte auch ihre Mutter Emilie.
Wann Margot Doctor aus ihrem schlesischen Geburtsort nach Hamburg kam, wissen wir nicht. Die Angaben auf ihrer Kultussteuerkarte sind spärlich. Als ihr Vater wird Ary Doctor (ohne Geburtsdatum) genannt, als ihr Beruf „Angestellte“. Sie erklärte 1928 ihren Austritt aus der Gemeinde, 1940 wurde sie zwangsweise Mitglied des Jüdischen Religionsverbandes.
Alice Ascher war 1926 aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten, erklärte aber im April 1939 ihren Wiedereintritt. Zu dieser Zeit arbeitete sie im Sekretariat Warburg im Mittelweg 17. Dort sollten Vermögenswerte abgewickelt werden, die nach der „Arisierung“ der Bank M. M. Warburg von der Nachfolgefirma nicht übernommen worden waren. Darüber hinaus entfaltete das Sekretariat aber auch karitative und kulturelle Aktivitäten für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die zunehmend aus dem allgemeinen öffentlichen Leben ausgeschlossen waren (s. a. Mayer, Marie u. Heinrich). So fanden in dieser „Oase“ bis 1941 Konzerte und Vortragsabende statt. Sehr beliebt war auch die gut ausgestattete Bibliothek, die ihren Besuchern im Winter einen ungewöhnlich gut geheizten Aufenthalt bot. Im Frühjahr 1941 waren die Abwicklungsarbeiten des Bankhauses M. M. Warburg fast abgeschlossen, und das Haus am Mittelweg wurde von der NSDAP beschlagnahmt. Die Reste des Sekretariats wurden in einem wesentlich kleineren Haus an der Alsterterrasse untergebracht. Alice Ascher und ihre Kollegin „Frl.“ Baruch konnten jetzt nur noch umschichtig jeweils eine halbe Woche arbeiten, weil der Platz nicht für beide reichte. Im Juni 1941 wurde das Sekretariat endgültig geschlossen.
Im Januar 1940 hatte Alice Ascher noch ein Vermögen von 13300 Reichsmark besessen. Dieses wurde am 29. Januar 1940 unter Sicherungsanordnung gestellt. Für den Lebensunterhalt, Miete, Unterstützung ihrer Mutter und Ausgaben für eine Hausangestellte hatte Alice Ascher einen monatlichen Freibetrag von 557 Reichsmark beantragt, zugestanden wurden ihr von der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten 325 Reichsmark.
Nach der Erinnerung eines Freundes der Familie Ascher hatte sich Max Warburg für die Auswanderung von Alice Ascher eingesetzt und ihr ein „Affidavit“ besorgt, d. h. die Bürgschaft eines amerikanischen Bürgers. Sie blieb jedoch in Hamburg, weil es unmöglich war, auch ein Affidavit für ihre Lebensgefährtin Margot Doctor zu erhalten.
Nach Eingang des Deportationsbefehls erhielt Alice Ascher die Genehmigung, noch einmal 400 Mark von ihrem eigenen Geld abheben zu dürfen, laut Antrag „für Ausgaben im Zusammenhang mit meiner Evaquierung“ und als Geschenk für „Frl. Margot Sara Doctor, Braamkamp 36: Reisegeld u. Anschaffg.“
Am 6. Dezember 1941 folgten Alice Ascher und Margot Doctor dem Deportationsbefehl nach Riga. Wann und wie sie dort ums Leben gekommen sind, wissen wir nicht.
Emilie Ascher war mit dem Fabrikanten Gustav Joachim Ascher verheiratet und hatte mit ihm drei Kinder: Alice, Felix Daniel (geb. 27.3.1883) und Richard (geb. 18.10.1888). Die Familie lebte in der Sierichstraße 18. Emilie Ascher muss über ein eigenes Einkommen verfügt haben, denn von 1913–23 und ab 1932–40 zahlte sie Beiträge an die jüdische Gemeinde Hamburg. Wann ihr Mann, der seit 1911 Mitglied der Patriotischen Gesellschaft gewesen war, starb, ist nicht bekannt.
Als Witwe lebte sie in den 1930er Jahren im ersten Stock des Hauses Braamkamp 36. In der gleichen Etage, vielleicht auch in der gleichen Wohnung, lebte ihre Tochter Alice mit ihrer Partnerin Margot Docter.
Emilies Sohn Felix hatte 1902 sein Abitur am Wilhelm-Gymnasium abgelegt. Er machte sich einen Namen als Architekt, unter anderem entwarf er gemeinsam mit Robert Friedmann die 1931 eingeweihte Synagoge des liberalen jüdischen Tempelverbands in der Oberstraße 116. Aus seiner Ehe mit Anna Karoline von Gizycki, verwitwete Hinrichsen, stammten keine gemeinsamen Kinder, seine Frau brachte aber drei Kinder in die Verbindung mit. 1938 wanderte Felix Ascher nach England aus, hatte allerdings Schwierigkeiten, sich dort in seinem Beruf zu etablieren. Dr. Richard Ascher, von Beruf Chemiker, konnte ebenfalls nach England emigrieren.
Am 6. Dezember 1941 musste Emilie Ascher die Deportation ihrer Tochter Alice nach Riga erleben. Anschließend wurde sie zwangsweise aus ihrer Wohnung am Braamkamp in das jüdische Altersheim Kurzer Kamp 6 in Fuhlsbüttel eingewiesen, das zu dieser Zeit als „Judenhaus“ diente. Am 19. Juli 1942 setzte sie ihrem Leben ein Ende.
Text: Ulrike Sparr aus: www.stolpersteine-hamburg.de