Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Caroline Herzfeld Caroline Herzfeld (Louise Amalie Herzfeld, geb. Stegmann)

(geb. 1776 in Königsberg - gest. 20.09.1812 in Hamburg)
Schauspielerin und Sängerin
am Hamburger Stadttheater von 1792 bis 1812
Gänsemarkt 66-69, das dortige Comödienhaus wurde 1809 in Stadttheater umbenannt, Abriss 1877
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof Althamburgischer Gedächtnisfriedhof: Grabplatte „Stadttheater“
Stadttheater (heute Staatsoper) Dammtorstraße (Wirkungsstätte)


3510 Caroline Herzfeld
Caroline Herzfeld, Bildnachweis: Museum für Hamburgische Geschichte: Gisela Jaacks: Gesichter und Persönlichkeiten, Hamburg 1992, S. 239.

Caroline Herzfeld war die Tochter und Schülerin des Schauspielers, Sängers und Komponisten Karl David Stegmann, der von 1798 bis 1811, nach der zweiten Direktionsperiode Friedrich Ludwig Schröders, Mitdirektor des Hamburger Stadttheaters war. Ihre Mutter war die Schauspielerin Caroline Johanne Eleonore Linzen. Auch die jüngere Schwester, Wilhelmine, ging zur Bühne. 1792 erhielt Caroline Herzfeld zusammen mit ihr und ihren Eltern, die bereits früher am Stadttheater gespielt hatten, ebenda ein Engagement als Schauspielerin und Sängerin. Am 10. Dezember debütierte die 16-jährige in einer Opernrolle, der Lina in „Rothen Käppchen“ von Dittersdorf. Im selben Jahr war auch der Freund und Schüler Friedrich Ludwig Schröders, Jacob Herzfeld, der wie Karl David Stegmann 1798 Mitdirektor wurde und ab 1815 das Haus zusammen mit Friedrich Ludwig Schmidt leitete, ans Stadttheater gekommen. Ihn heiratete die junge Schauspielerin am 26. November 1796, nachdem er zur christlichen Religion übergetreten war. Das Paar bekam sieben Kinder, der im Jahre 1800 geborene Sohn Adolf wurde auch ein bekannter Schauspieler. Auch die Tochter Theodore wurde Schauspielerin (siehe unter Theodore von Axen).
Caroline Herzfeld trat bis zu ihrem Tode im Jahre 1812 in zahlreichen Rollen in klassischen Dramen, bürgerlichen Schauspielen und in Opern auf. Die Titelrolle in der Hamburger Erstaufführung der „Maria Stuart“ (16.10.1801) war einer der Höhepunkte ihrer Kunst. „Schön und vollkommen“,1 nannte der Rezensent in den „Annalen des Theaters“ ihre Darstellung; ihre Johanna in der Hamburger Erstaufführung der „Jungfrau von Orleans“ (15.12.1801) blieb für ihn dahinter zurück. Ein Gedicht, das ebenfalls in den „Annalen“ erschien, rühmt sie dagegen:
„An Madame Herzfeld, als Jungfrau von
Orleans.
Hohen Preises würdig ist, die im weiblichen
Busen,
Mit dem zarten Sinn Vollkraft des Mannes
vereint;
Und des begeisterten Dichters Gebild mit
gleicher Begeisterung
Von der Bühne herab zeiget dem staunenden
Volk!
Deine Töne, sie drangen erschütternd ins
Innere des Herzens;
Füllten mit Staunen den Geist, füllten mit
Wehmut die Brust.
Wähnend, es spräche der Gottbeseeligten eine,
verstummte
Rings die Menge; doch schnell mächtigen
Klanges, erscholl
Unermeßlicher Ausbruch der gränzenlosesten
Freude:
Schaffender Geisteskraft einzig beglückender
Lohn.
Darum achtet die Künstlerin gleich dem
höheren Wesen,
Das vom olympischen Sitz niederen Thun
Überschaut,
Und sich bald in freundlicher Milde des Tages
Verkündet,
Bald in Wettern der Nacht Staunen und
Ehrfurcht gebeut!“[1]

Carl August Lebrun widmete der Kollegin einen Passus in seiner Geschichte des Stadttheaters. Neben ihren künstlerischen Fähigkeiten hob er besonders ihre bürgerlichen Tugenden hervor, die ihr die Akzeptanz bürgerlicher Kreise und den Zugang zu ihnen ermöglichte. „Es ist hier wohl an der Stelle, der großen Verdienste
dieser Künstlerin besonders zu gedenken, die in der Oper wie im recitierenden Schauspiele als eine der ersten Stützen des Repertoires mit unermüdlicher Thätigkeit wirkte. Von der so gerechten als wohlerworbenen Gunst des Publikums getragen, entfaltete Mad. Herzfeld so viele Liebenswürdigkeit als Talent, und ihre Maria Stuart, Jungfrau von Orleans leben noch im Gedächtnisse vieler Theaterfreunde, während die häuslichen Tugenden der Künstlerin sie zu einer der geachtetsten Mitbürgerinnen Hamburgs erhoben. Im Kreise ihrer Kunstgenossen war sie selbst von denen geschätzt, die nicht ohne einigen Neid auf ihre Stellung hinblickten, und eine alles besiegende Verehrung schien so kleinliche Gefühle gewaltsam unterdrücken zu können.“ – „Seltne Herzensgüte, Talent, Anspruchslosigkeit, strengste Ausübung der Gatten-, Mutter- und Hausfrauenpflichten, und freundliches, liebevolles Benehmen hatten ihr von jeher die ausschließliche Liebe und Achtung des Hamburger Publikums gesichert.“[2]
Ähnlich würdigte auch der „Orient“ Caroline Herzfeld, als sie im Alter von nur 36 Jahren bei der Geburt ihres siebenten Kindes starb: „Frau Caroline Herzfeld geb. Stegmann, starb an den Folgen einer zu frühzeitigen Entbindung am 20sten September, morgens um 81/2 Uhr. Sie ward Mutter von sieben sie überlebenden, noch unmündigen Kindern. – Sie, als Künstlerin der Stolz unserer Bühne, war das Glück ihres sie unendlich liebenden Gatten im vollen Sinne des Wortes. Wer sie kannte, weiß, daß auf ihrem unbeschreiblich sanftem Antlitz die ganze Seelengüte lächelte, womit sie jeden, der sie sah, freundlich erheiterte. Sie, die Frau des Direktors, sie der Liebling des alten Schröders, der mit so vielen um sie Thränen der Wehmut weint, war ganz frei von aller Kabale, von jeder Sucht zu glänzen, war so ganz Resignation, daß sie jedes Talent, was in ihrem Fache glänzte, mit innigem Wohlbehagen glänzen sah. In Rücksicht eines unbestechlichen, tugendhaften Wandels war sie nicht allein allen dramatischen Künstlerinnen, sondern auch vielen andern Damen ein gar erbauliches Muster. – Ruhe sanft, Du Gute! Am Throne der Herrlichkeit harret rein die Palme; Du bist vollendet, wir trauern! Blicke sanft lächelnd herab, und segne uns mit der Seelenruhe, womit Dich hienieden Gott lohnte.“[3]
Bei aller Sympathie für die Kollegin beurteilte Friedrich Ludwig Schröder ihr Talent nicht so positiv, vermutlich ein Ausdruck der Differenz zwischen Schröders Ansprüchen und denen seines Publikums, was während seiner Direktionszeit auch immer wieder zu Querelen führte: In einem Brief an Herzfelds Mitdirektor Friedrich Ludwig Schmidt anläßlich des Todes von Caroline Herzfeld heißt es: „So großen Theil ich auch an dem Tode der braven, als Schauspielerin freilich leicht zu ersetzenden Frau nehme, so kam er mir, nach der schweren Krankheit, die sie hatte, doch nicht unerwartet.“[4] Das Theater ehrte Caroline Herzfeld am 23. September, ihrem Beerdigungstag, mit einer Gedächtnisfeier auf der Bühne.
„Gedächtnisfeyer der verewigten Caroline Herzfeld gewidmet von Friedrich Ludwig Schmidt
(Gehalten am 23.sten September, am Begräbnistage der Entschlafenen. Die Bühne war schwarz ausgeschlagen, Madame Schröder, in tiefe Trauer gehüllt, sprach folgende Stanzen:)
Ein ernst Geschäft führt mich in dieser Stunde
Auf diesen Schauplatz, sonst dem Spiel geweiht.
Vernehmet sie, die fürchterliche Kunde:
Sie ist nicht mehr, die hier euch oft erfreut!
Ein unerbittlich Schicksal schlug die Wunde,
Versenkte euch wie uns in tiefes Leid.
Drum wählt’ ich euch zu Zeugen unsrer
Schmerzen.
Ihr trugt, wie wir, die Holde ja im Herzen.
So wollen wir dann miteinander klagen,
Und laut bekennen unseren Verlust,
Ihn gegenseitig fühlen und ertragen –
Ach! Mittheilung erleichtert ja die Brust.
Der Rede Schmuck bedarf’s nicht, um zu sagen,
Wie aller hier ihr hoher Wert bewust
In ihrem frommen kindlichen Gemüthe
Vereinte sich das Bild der Lieb’ und Güte.
Drum möge die Erinn’rung jetzt erneuern
Was Sie, die Unvergeßliche, uns war.
Talent und Tugend im Vereine feiern
Ihr Angedenken hier auf immerdar.
Ihr sahet in der nun verklärten Theuren
Der Tugend Bild seit Jahren hell und klar;
Saht sie im Frühling ihres schönen Lebens,
Und waret Zeuge ihres höhern Strebens.
Damals, in jener gold’nen Zeit erfreute
Das zarte Mädchen hier euch wundersam;
Und Deutschlands Garrick, unser Schröder,
weihte
Zu ihrem Bildner sich auf ihrer Bahn.
Thaliens Spiel, des Lebens heitrer Seite,
War Sie in jenen Zeiten zugethan.
Wir seh’n sie noch, die lieblichen Gestalten,
Vor unsern Augen schöpferisch entfalten.
Und als sie sich zur ernsten Muse wandte –
Wen rührte nicht ihr sanfter Ton und Blick?
In Schottlands Königin – O wer erkannte
In ihr nicht jener Dulderin Geschick!
Wie Sie das Kreuz andächtiglich umspannte –
Wer ruft nicht ihre Worte sich zurück:
Wohl sprach sie wahr: ,Sie hat nichts mehr auf
Erden!
Im bessern Leben nur kann Lohn ihr werden.’
Doch haben wir dem künstlerischen Streben
Der Theuren unsern Zoll hier dargebracht,
Sey auch der Gattin und der Mutter Leben
Ein ewig Angedenken angefacht. –
O mög’ ihr Geist die Waisen stets umschweben!
Und eine höhere allgüt’ge Macht,
Dem Gatten und den früh verwais’ten Kindern,
Den Schmerz, den unaussprechlichen, bald
lindern.
So ruhe sie denn sanft, die Engelreine,
Die Alle wir geehrt und wahr geliebt.
In ihrer Nähe lebte Keiner, Keine,
Die Sie durch eine Miene nur betrübt.
Ihr Tod – ihr Tod nur ist das einzig Eine,
Wodurch sie Kummer an uns hat verübt.
Drum stimmt ein in unsre tiefe Klage,
Die jetzt ertönt an ihrem Sarkophage.
(Hier wandte sich die Rednerin nach dem Hintergrund,
der sich erhob, und die Aussicht in ein tieferes schwarzes
Zimmer gewährte. Dort erblickte man den erhöhten Sar-
cophag mit dem Namen der verewigten und mit Blumen
umwunden. Am Fuße desselben stand der Todesengel
mit umgekehrter Fackel; rechts sämmtliche Damen und
links sämmtliche Herren des Theaters, schwarz ge-
kleidet. Ein feierlicher Chor, vom Doctor Romberg compo-
niert, ertönte.)
Chor
Flüchtig sind des Menschen Freuden,
Traum nur in sein Glück.
Werden, Blühen, Welken, Scheiden,
Das ist sein Geschick.
(Folgende Strophen hatte der Verfasser aus Schillers
Glocke entlehnt und Madame Becker sang sie solo)
Ach! die Gattin ist’s die Theure,
Ach! es ist die treue Mutter,
Die der schwarze Fürst der Schatten
Wegnahm aus dem Arm des Gatten,
Aus der zarten Kinder Schaar,
Die sie blühend ihm gebahr,
Die sie an der treuen Brust
Wachsen sah mit Mutterlust –
Ach! des Hauses zarte Bande
Sind gelöst auf immerdar,
Denn sie wohnt im Schattenlande.
Die des Hauses Mutter war.
Chor
Doch wer fromm hier ausgesäet,
Endet froh den Lauf.
Sturm und Regenzeit vergehet,
Seine Saat keimt auf.
(Hier wand sich der Vorhang sanft herab.)
Dr. Rommbergs himmlische Musik, von ihm selbst diri-
giert, die alle Herzen tiefergreifende Rede unserer Schrö-
der; das sichtbare und unerkünstelte Leidwesen der
Leidtragenden, und jene empfindungsvolle Poesie
selbst, vollendeten einen Eindruck, der Verklärten und
unseres Publikums würdig, welches mit andächtiger
Stille die Worte aus dem Herzen vernahm; ja viele Da-
men und Herren in den Logen waren schwarz erschie-
nen, alle waren auf das tieffste gerührt. Eine schöne
Vorstellung von Leisewitz Julius von Tarent beschloß
Diese höchst anständige Gedächtnisfeier.–“
[3]
Text: Brita Reimers