Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Georgine Blättner Georgine Blättner geb. Goldschmidt

(2.11.1871 Weener – am 15.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, im KZ umgekommen. Genaues Todesdatum unbekannt)
Jüdische Kaufmannswitwe. Opfer des Nationalsozialismus.
Bansenstraße 13 (Wohnadresse, Stolperstein)
Namensgeberin für: Blättnerring


Georgine und Arondine Blättner wuchsen als Töchter des jüdischen Ehepaares Aron und Lina Goldschmidt, geb. Rosenblatt, in ihrem Geburtsort an der deutsch-niederländischen Grenze auf.
Georgines späterer Ehemann Martin Blättner (geb. 16.6.1863) war acht Jahre älter als sie und Inhaber eines Schuhwarengeschäfts in Harburg. Die Ehe blieb kinderlos. Martin Blättner starb im Alter von 69 Jahren am 7. Juli 1932 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Harburg begraben.
Auch Arondine Blättner lebte später in Harburg a. d. Elbe. Ihr Ehemann, der Kaufmann Leopold Blättner (geb. 22.7.1876), führte zwar den gleichen Nachnamen wie sein Schwager, war aber nach bisherigen Erkenntnissen nicht direkt mit ihm verwandt. Sein Vater war der jüdische "Productenhändler" Selig Blättner (27.8.1826–6.5.1903), der einst Betty Ballin, (geb. 2.4.1836–5.2.1900) geheiratet hatte. Am 11.7.1901 wurden Arondine und Leopold Blättner Eltern eines Sohnes namens Albert. Leopold Blättner starb, als er 48 Jahre alt war, und wurde wie seine Eltern auf dem Jüdischen Friedhof in Harburg begraben.
Nach dem Tod ihrer Ehemänner bewohnten die beiden Schwestern Arondine und Georgine Blättner offenbar eine gemeinsame Wohnung in der Bansenstraße 13.
Ab 1933 litten sie unter den Folgen der nationalsozialistischen Machtübernahme. Am 1. April 1933 standen Posten der Harburger SA auch vor dem Schuhwarengeschäft Blättner in der Bansenstraße, das Georgine Blättner nach dem Tod ihres Mannes weiterzuführen versuchte. Die Auswirkungen dieses Boykotts und der wachsende politische Druck trugen vermutlich dazu bei, dass das Geschäft in den folgenden Jahren geschlossen wurde.
Als nicht weniger schmerzlich dürfte Georgine Blättner den Abschied von ihrem einzigen Sohn Albert empfunden haben, der im September 1938 seine Wohnung in der Eißendorfer Straße 15 aufgab und mit seiner Frau Frieda nach Argentinien auswanderte. Andere Verwandte hatten bereits vorher den Weg ins Exil angetreten.
Eine weitere Folge der zunehmenden Bedrohung war der Umzug der beiden Schwestern in die Großstadt Hamburg, wo sie in den folgenden Monaten und Jahren immer wieder ihre Wohnung wechselten – oder vermutlich wechseln mussten. Schnell schmolzen ihre Ersparnisse dahin, von denen sie weitgehend ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten hatten, sofern nicht Verwandte ihnen gelegentlich etwas zukommen ließen.
Im Juli 1942 wurden Arondine und Georgine Blättner aufgefordert, ihren Wohnsitz nach Theresienstadt zu verlegen, um dort wohlbehütet und umsorgt, wie die nationalsozialistische Propaganda es verkündete, ihren Lebensabend zu verbringen. Vorher hatten die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner einen so genannten Heimeinkaufsvertrag abzuschließen, in dem sie ihr gesamtes Vermögen der Reichsvereinigung der Juden überlassen mussten. Diese hatte die Einnahmen später dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) zuzuführen.
Tatsächlich war Theresienstadt alles andere als ein Kurort. In den Gemeinschaftsunterkünften herrschte drangvolle Enge. Die Zustände im sanitären Bereich waren chaotisch. Im Winter war es in den ungeheizten Räumen kaum wärmer als draußen. Auch die medizinische Versorgung erwies sich als mangelhaft. Am schlimmsten jedoch litten die Bewohnerinnen und Bewohner unter dem ständigen Hunger. Unter diesen Umständen waren die Kräfte gerade der alten Menschen schnell erschöpft. Unter ihnen nahm die Zahl der Erkrankungen rapide zu. Vielfach waren alle Anstrengungen der Ärzte vergeblich. Im September 1942 starben in der alten Garnisonsstadt im Durchschnitt 127 Menschen täglich.
Arondine Blättners Leben endete am 9. Dezember 1942; ihre jüngere Schwester Georgine starb zehn Monate später am 20. Oktober 1943, angeblich an Herzschwäche, wie es in ihrer Todesfallanzeige heißt.
Die Toten wurden anfangs außerhalb des Gettos beigesetzt und ab September 1942 im neu erbauten Krematorium des Gettos verbrannt. Die Urnen mit der Asche der Verstorbenen wurden zunächst im Kolumbarium aufbewahrt und im November 1944 auf Befehl der Lagerverwaltung in die Eger gestreut, um die Spuren der Verbrechen zu verwischen.
Nach 1945 wurden die Inschriften auf den Grabsteinen Martin und Leopold Blättners auf dem Harburger Jüdischen Friedhof durch zwei Zusätze ergänzt, die die Namen und Geburtsdaten der beiden Frauen angeben und auf ihren gewaltsamen Tod "im KZ" hinweisen.
Im Februar 1988 wurde eine Straße im Harburger Neubaugebiet Langenbeker Feld auf Antrag der SPD-Fraktion der Harburger Bezirksversammlung nach Georgine Blättner benannt.
Text: Klaus Möller, aus: www.stolpersteine-hamburg.de