Richterinnen
Sievekingplatz 1 Ziviljustizgebäude
Noch vor achtzig Jahren war es undenkbar, dass Frauen Richterinnen wurden, denn nach Meinung der meisten Männer waren Frauen auf Grund ihres angeblich mehr gefühlsmäßigen denn sachlichen Denkens ungeeignet für das Richteramt. „Die aus der seelischen Eigenart der Frau sich ergebenden Gefahren erhalten noch eine erhebliche Steigerung in der Zeit der Monatsperiode, der Schwangerschaft und der Wechseljahre. In dieser Zeit befindet sich nämlich die Frau (...) in einem erhöhten Zustand der Reizbarkeit“, (1) hieß es 1921 in einem Bericht anlässlich einer Tagung des Deutschen Richterbundes. Und noch ein weiterer Punkt war entscheidend für den Ausschluss von Frauen vom Berufsrichteramt. „Die Unterstellung des Mannes unter den Willen und den Urteilsspruch einer Frau widerspricht der Stellung, welche die Natur dem Manne gegenüber der Frau angewiesen hat und wie sie durch die Verschiedenheit des Geschlechtes begründet ist.“ (1)
Die Frauenverbände ließen sich solche Äußerungen nicht widerspruchslos gefallen – und hatten mit ihren Protesten Erfolg. Am 11.7.1922 verabschiedete der Reichstag das Gesetz über die Zulassung von Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege. Doch bis die ersten Richterinnen in die Gerichte einzogen, dauerte es noch Jahre. Zu massiv blieb der Widerstand der Männer. Nun begründeten sie ihre Ablehnung nicht mehr mit dem angeblich generellen Unvermögen einer Frau zum Richterinnenamt, sondern mit mangelnden weiblichen Leistungsvermögen. So behauptete die Hamburgische Landesjustizverwaltung, sie „steht grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß auch Frauen für den Richterdienst sehr wohl geeignet sind. Wenn sie bisher in Hamburg zu einer Beschäftigung im Justizdienst nicht berufen worden sind, so liegt das daran, daß mit Rücksicht auf die sehr viel stärkere Geschäftslast, die im Vergleich namentlich zu Preußen, von den Hamburger Richtern zu bewältigen ist, besondere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit gestellt werden müssen. Der starke Andrang zum Justizdienst muß dazu führen, nur besonders qualifizierte Kräfte für die Richterlaufbahn auszuwählen“. (1) Erst 1931 wurde in Hamburg die erste Assessorin in den Justizdienst eingestellt. Sie hieß Dr. Cläre Meyer und wurde nach der Machtübernahme durch die Nazis 1933 entlassen. Die wenigen noch verbliebenen Juristinnen wurden aus der Rechtspflege versetzt in die Abteilungen des Konkurswesens und der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Neue Richterinnen und Staatsanwältinnen wurden in der NS-Zeit nicht angestellt.
Text: Rita Bake