Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Hamburger Frauen-Verein von 1813

Katharinenkirchhof 30 (ehemals)
Siehe auch unter: Elisabeth Wilhelmine Sidonia von Struve, Vereinsgründerin des Frauen-Vereins von 1813


Hinter dem kleinen, schön beschatteten Kinderspielplatz auf dem Katharinenkirchhof erstreckt sich die Rückfront eines schmucklosen Allzweckbaus. Hier stand im 19. Jahrhundert das Haus Katharinenkirchhof 30, in dem der erste soziale Frauenverein Hamburgs seinen Sitz hatte: Hamburger Frauen-Verein von 1813.
Bis mindestens zum Ende des 19. Jahrhunderts waren Frauen in Bürger-, aber auch in geselligen und kulturellen Vereinen meist nicht erwünscht gewesen. Diese nahmen nur Menschen auf, die das Bürgerrecht besaßen – und das wurde Frauen bis zum Ende des Deutschen Reiches 1919 verwehrt. So waren die Frauen gezwungen, sich selbst zu organisieren, was sie mit großem Elan taten. Doch selbst ihre Mitgliedschaft in Frauenvereinen wurde von einem Teil der männlichen Bevölkerung skeptisch beäugt. So schrieb Wilhelm Heinrich Riehl, Verfechter eines patriarchalen Familienbildes: „Wenn eine wohlhabende Frau einsam steht, dann soll sie sich vorerst umschauen, ob in ihrer Sippe keine Familie ist, bei der sie als ‚alte Tante‘ einziehen kann und mitarbeiten im Hause. Es ist dies immer noch ein stolzerer und weiblicherer Wirkungskreis, denn Präsidentin mehrerer Frauenvereine zu sein. (...) Kann sie nicht alte Tante werden, dann gibt es vielleicht ein Kloster, wo sie arme Kinder erziehen und in einem großen Hause mit anderen Nonnen zusammenleben und wirken kann. Schickt es sich aber auch mit dem Kloster nicht, dann möge sie in Gottes Namen Frauenvereine gründen und leiten.“[1]
„Weiblicher Patriotismus“ war der Beweggrund für die Gründung des Weiblichen Frauen-Vereins von 1813. „Als der Friede auch in unsere Vaterstadt zurückgekehrt war, wirkte dieser Verein für verschiedene wohlthätige Zwecke fort, arme Kranke wurden verpflegt, ihnen Arznei, Speisen, Kleidung gereicht; ein angemessener Vorschuss an Geld denen gegeben, die, durch die Zeitumstände zurückgekommen, ein neues Gewerbe anzufangen wünschten. Seit geraumer Zeit hat er seine Thätigkeit ausschließlich auf eine Mädchen-Schule beschränkt, welche bis auf den heutigen Tag in höchst gedeihlicher Wirksamkeit fortgesetzt ist. Das Nöthige zu ihrer Unterhaltung liefert ein jährlicher Beitrag der Mitglieder des Vereins, die willkührliche Sammlung derselben und der Ertrag der in der Schule verfertigten Näh- und Strick-Arbeiten“, war im „Hamburger Adressbuch“ von 1842 zu lesen. Dreißig „Töchter armer, rechtlicher Bürger dieser Stadt“ erhielten in dieser Schule Unterricht in Religion, Weissnähen, Stopfen und Stricken. „Die Kinder werden gleichförmig gekleidet, und erhalten nach ihrer Confirmation, wenn sie einen Dienst antreten, eine kleine Ausstattung. Nach der Entlassung aus der Schule müssen sich alle Kinder zu Anfang eines jeden Jahres bei der Schulfrau melden, und Auskunft über ihren Aufenthalt und ihre Verhältnisse geben. Dass der directe Einfluss, den die Mitglieder des Vereins sich auf die sittliche Ausbildung der Kinder verschaffen können, durch ihren täglichen Verkehr und Umgang in der Schule von grosser Wirkung sey, lässt sich leicht denken, und erfreulich ist zu bemerken, dass erfahrene Hausfrauen die Zöglinge dieser Anstalt gern bei sich in den Dienst treten sehen“, hieß es im „Hamburger Adressbuch“ weiter. 1892 löste sich der Verein auf.
„Dieser Verein zeigte deutlich zwei besondere Charakteristika der frühen Vereinsbewegung: Zum einen handelte es sich bei allen Vereinen um wohltätige Institutionen, zum anderen kam der Impuls für diese Tätigkeit aus einem patriotischen Bewusstsein, das sich gegen die Besetzung der eigenen Stadt durch napoleonische Truppen wandte. Aus diesen kleinen Vereinen entstanden im Laufe der folgenden Jahrzehnte immer neue Organisationen in der sozialen Hilfe; sie bildeten ein breites Fundament für eine Frauenbewegung.“ (Kirsten Heinsohn: Die Frauenfrage – ein Problem der Moderne, in: Rita Bake, Kirsten Heinsohn: „Man meint aber unter Menschenrechten nichts anderes als Männerrechte“. Zur Geschichte der Hamburger Frauenbewegung und Frauenpolitik vom 19. Jahrhundert bis zur Neuen Hamburger Frauenbewegung Ende der 1960er Jahre. Hamburg 2012, S.21.)
Text: Rita Bake