Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Bürgermädchen im 18. Jahrhundert

Deichstraße 37: Historisches Ensemble von Bürgerhäusern und Speichern


3775 Deichstrasse
Deichstraße 37; Quelle: Günter Stello

Schmale Fronten von zwischen dem 17. bis ins 19. Jahrhundert erbauten Häusern prägen noch heute das Straßenbild der Deichstraße. Das Haus mit der Nummer 37 ist ein typisches Bürgerhaus des 17./18. Jahrhunderts. In dem 1680 errichteten Gebäude befindet sich heute noch eine über zwei Geschosse führende Diele mit bemalter Balkendecke. Oft wohnten in solchen Häusern Kaufmannsfamilien. Der Kaufmannsstand war damals die führende Schicht in Hamburg. Man war versippt und verschwägert und blieb unter sich. Wehe, wenn sich die Kaufmannstochter in einen nicht standesgemäßen Mann verliebte.
Eine Kaufmannsfamilie hatte häufig nicht weniger als zehn Kinder – musste doch die Vererbung des Handelshauses gesichert werden, und das konnte angesichts der hohen Kindersterblichkeit nur mit einer relativ großen Kinderschar gewährleistet werden. Die Bürgermädchen lernten den Katechismus, Handarbeiten, Französisch, gute Tischmanieren, Konversation treiben und einige Tanzschritte. Das reichte aus, um später eine gute Hausfrau und Mutter zu werden.
In der Pubertät steckte man die jungen Mädchen in ein Tugendkorsett. Zwar wurden in den Privathäusern Theaterstücke aufgeführt und während der Proben nicht nur Dialoge, sondern auch die ersten Flirts probiert. Doch wenn die jungen Mädchen bei solch unsittlicher Handlung überrascht wurden, wurden sie von ihren Lehrerinnen in die Schranken verwiesen. Unordentliche Begierden, d. h. ein Leben, in dem die jungen Mädchen ihre Sehnsüchte nach Zärtlichkeit, Liebe und Sexualität ausleben konnten, wurden ihnen untersagt. Denn die Gefühle und Gedanken in geregelte hausfrauliche Bahnen zu lenken, das war eines der Hauptlernziele für Bürgertöchter.
Aber ein wenig Erotik sollte schon die bürgerlichen Männerherzen erfreuen. Deshalb war für einen Modeartikel wie das Korsett auch Geld da. Männer bekamen Stielaugen bei einer Wespentaille, die so schmal sein sollte, dass zwei Männerhände sie mühelos umgreifen konnten, und bei einem durch das Korsett hochgepferchten Busen, dessen Brüste zur Hälfte entblößt waren. Ein anderes aufreizendes Dessous war der Reifrock. Eigentlich sollte er die Männer auf Distanz halten. Aber nichts desto trotz war er ein erotisches Symbol und wurde auch so von den biederen Hausmännern verstanden. Die Hüften wurden stark betont; und wenn die Frauen der Gesellschaft nicht gerade mit einem Bohnerschritt durch den Ballsaal rauschten, dann gerieten die Hüften ins Schwingen.
Solch inszenierte Erotik sollte auch den Mann fürs Leben anlocken. Jedoch über das zukünftige Lebensglück der jungen Frau entschieden Männer: Die Väter handelten mit den zukünftigen Ehemännern den Ehevertrag aus, den so genannten Ehezärter. Der Vater der Braut wollte seine Tochter gut an den Mann gebracht, sprich gut versorgt wissen, und der Bräutigam wollte soviel Mitgift wie möglich dabei herausschlagen.
Heirat aus Liebe, das war dem hanseatischen Kaufmannsgeist fremd. Hohes gesellschaftliches Ansehen und handfeste wirtschaftliche Interessen spielten in den Bürgerfamilien eine große Rolle. Für sie gab es keinen Zweifel, dass junge Frauen nur durch ihren Ehemann existieren konnten. Bürgertöchter sollten dankbar sein, dass sie einen Mann abbekamen, der sie versorgen konnte. Denn für sie war es fast unmöglich, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Ihre Berufsaussicht war die einer Hausfrau und Mutter, bezahlt vom Ehemann.[1]
Text: Rita Bake