„liederliche“ Frauen
Gerhart-Hauptmann-Platz (früher Pferdemarkt): Pranger
Vielen älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist der große gepflasterte Gerhart-Hauptmann-Platz noch als Pferdemarkt bekannt. Wo heute moderne Gebäude, in denen Geld und Kommerz regieren, den Platz säumen, standen bis ins 19. Jahrhundert dicht gedrängt Giebelhäuser. Aus den Fenstern dieser Häuser muss man einen „Logenplatz“ gehabt haben, wenn an dem hinter der Wache auf dem Pferdemarkt seit 1732 aufgestellten Pranger „treulose“ Ehefrauen und so genannte liederliche Weiber ins Halseisen geschlossen wurden und dort für einige Stunden mit unverdecktem Gesicht und mit einem auf ihrer Brust gehefteten, mit ihrem Vor- und Zunamen versehenen Brett ausharren mussten. Danach kamen sie zur Abbüßung ihrer „Verfehlungen“ ins nahe gelegene Spinnhaus. Männer hingegen, die moralisch gefehlt hatten, brauchten nur eine Geldstrafe zu zahlen und waren damit dem Gespött der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt.
Auch Prostituierte wurden, nachdem sie zum zweiten Mal aufgegriffen worden waren und einige Wochen in der Roggenkiste hatten zubringen müssen, für einige Stunden an den Pranger gestellt. Danach wurden sie entweder für zehn Jahre der Stadt verwiesen oder kamen für ein bis zwei Jahre ins Spinnhaus. Die Freier hingegen gingen frei aus und konnten mit ihren sexuellen Abenteuern prahlen.
Warum mit zweierlei moralischem Maß gemessen wurde, erläuterte im 18. Jahrhundert der noch heute bekannte Adolph Franz Freiherr von Knigge: „In Rücksicht auf die Folgen hingegen ist freylich die Unkeuschheit einer Frau weit strafbarer, als die eines Mannes. Jene zerreisst die Familien=Bande, vererbt auf Bastarte die Vorzüge ehelicher Kinder, zerstöhrt die heiligen Rechte des Eigenthums und widerspricht laut den Gesetzen der Natur, nach welchen immer Vielweiberey weniger unnatürlich als Vielmännerey seyn würde.“ (Siehe auch Spinnhaus)
Text: Rita Bake