Gotteswohnungen
Eine Bleibe für verarmte Frauen
Beispiele: Spitalerstraße 31/33; 51 und 69/75; Rosenstraße; Kurze Mühren; Lilienstraße; Rademachergang
Siehe auch unter: St. Gertruden Stift; siehe auch unter: Anna Büring
Die Spitalerstraße ist heute eine autofreie Fußgängerzone, austauschbar mit den Einkaufsstraßen anderer Städte. Kaum vorstellbar, dass hier einst Stiftsbauten mit Höfen und Gärten das Stadtbild beherrschten, die vor gut 450 Jahren errichtet wurden und den Namen Gotteswohnungen erhielten. Gestiftet von Hamburger Kaufleuten, Ratsherren, Senatoren, Bürgermeistern und deren Frauen, galten sie als probates Mittel, den im Laufe der Zeit angehäuften Reichtum zu legitimieren. Viele dieser Stiftungen boten ausschließlich Frauen Unterkunft, denn das Gros der Alten und Verarmten war weiblich.
Wer sich wegen Alters und Gebrechlichkeit nicht mehr allein versorgen konnte und keine Möglichkeit besaß, bei seinen Kindern unterzukommen, dem boten Gotteswohnungen Unterkunft. Arme Witwen konnten die oft hohen Eintrittsgelder jedoch meist nicht bezahlen. Auch besaßen sie keine Wertgegenstände, die anstatt eines Eintrittsgeldes der Privatstiftung, die solche Gotteswohnungen errichteten und verwalteten, übergeben werden konnten. Deshalb fanden diese Frauen ihre letzte Zuflucht in Hospitälern.
Die Bewohnerinnen von Gotteswohnungen hingegen hatten meist einmal „bessere Tage“ erlebt, gehörten dem Mittelstand an und besaßen deshalb einiges Geld, um das Eintrittsgeld zu entrichten oder verfügten über Wertgegenstände, die nach ihrem Tod an die Stiftung fielen.
1534 wurde im Glockenhof in der Spitalerstraße 69/75 die aus 24 Freiwohnungen bestehenden Dirck Koster Gotteswohnungen eröffnet. Sie boten „Jungfrauen“ und Witwen ohne Kinder gegen ein Eintrittsgeld Unterkunft. Jährlich erhielten die Frauen ein Paar Schuhe, Kohlen und etwas Geld. Ihr Nachlass fiel an die Stiftung.
48 Jahre später ließen Joachim von Kampe und Nicolaus van Wouwern in der Spitalerstraße 31/33 zwölf Freiwohnungen und 35 Buden errichten. In jeder Wohnung lebten zwei alte Frauen. Ebenfalls im 16. Jahrhundert wurde in der Spitalerstraße 51 die Tibbecke Nigel und Johann-Bockholt Stiftung mit sieben Freiwohnungen für alte Frauen gegründet.
In der Rosenstraße 12 und 13 wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Kellinghusen Gotteshof erreichtet. Hier gab es 12 Freiwohnungen für 12 alte Frauen, die allerdings ein hohes Eintrittsgeld zahlen mussten. Bis 1709 bestanden die Gebäude aus zwei Häusern an der Rosenstraße und aus zehn im Hofe liegenden Buden. 1747 wurden die baufälligen Wohnungen abgerissen und neue massive Häuser errichtet. Im 19. Jahrhundert befand sich die Stiftung im Raboisen 35.
In der Rosenstraße 93 wurde 1592 der Hermann-Wetken-Gotteshof errichtet. Er bestand aus zehn Buden (Buden: kleine zweigeschossige Bauten, die in den Hinterhöfen standen) und einem Vorderhaus zur Straße hin. Beim großen Brand 1842 wurden die Häuser zerstört. Vergeben wurden die Wohnungen an über 50jährige Witwen und Jungfrauen christlicher Religion zu einem hohen Eintrittsgeld vergeben. Nach dem Tod der Bewohnerinnen erhielt die Stiftung das Mobiliar der Verstorbenen.
Im Rademachergang 102 hatte Gesche Lose ein Erbgrundstück und vergab an sechs arme Witwen Freiwohnungen.
In der Lilienstraße 41 und 43 lagen im großen Karlandshof vierzehn Freiwohnungen für alte Frauen.
Text: Rita Bake