Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

St. Marien Dom

Steinstraße gegenüber der St. Petri Kirche (ehemals)


3799 Ruine Des Mariendoms 1806
St. Marien Dom am heutigen Domplatz in der Hamburger Innenstadt.

Jeden Morgen vor Beginn der Ratssitzung begaben sich die Ratsherren in die von ihnen 1411 zunächst allen Heiligen gestiftete, ab 1499 ihrer Schutzpatronin, der Heiligen Maria, geweihten Ratskapelle im St. Marien Dom, um die Messe zu hören. „Dadurch, daß er [der Senat] vor seinen Sitzungen die Kapelle aufsuchte, bemühte er sich um eine höhere Legitimation seiner politischen Handlungen“ [1], schrieb der damalige Senatsdirektor der Hamburger Kulturbehörde Volker Plagemann.

Ausschnitt aus dem szenischen Rundgang: "Alles nur Theater mit den Frauen", Sprecherinnen: Rita Bake, Beate Kiupel, Herma Koehn

Auf eigene Kosten hatte der Rat Absolon Stumme und dessen Werkstatt beauftragt, den Hochaltar des St. Marien Doms – ein sieben Meter breites Vierflügelretabel – zu schaffen, auf dem sechzehn Szenen aus dem Marienleben zu sehen sein sollten. Heute ist vom Hauptaltar noch der gesamte Tafelbilderzyklus des Marienlebens erhalten. Er befindet sich im Warschauer Museum, wohin er nach einer Odyssee gelangte: Nach dem Abriss des Hamburger Doms erhielt der Zeichenmeister Friedrich Waagen, der in Hamburg eine gemeinnützige Zeichenakademie betrieb, den zur einfachereren Aufstellung in Einzelblätter zersägten Marienaltar. Den Mittelschrein bekam die St. Nikolai Kirche. Nachdem Waagen nach Schlesien gezogen war, schenkten seine Söhne die Tafeln König Friedrich Wilhelm III. für die Marienburg. So gelangten sie nach Polen, wo sie schließlich ihren letzten Aufenthaltsort im Warschauer Museum erhielten.
„Bereits in ottonischer Zeit wurde das Marienpatrozinium des Doms und des Domkapitels auf die Siedlung in und um die Hammaburg, die Altstadt ausgedehnt. 1228 erwies der Landesherr, der askanische Herzog Albrecht I. (1212–1261) Maria, der Patronin der Hamburger Kirche, seine Reverenz und schenkte ihr Güter in Kirchwerder und Neuengamme (...). Maria war anfangs die Beschützerin der Klerikergemeinschaft am Dom, die ihren Ritus im Chor der Bischofskirche (..) vollzog. (...) Die Patronin des Hamburger Domkapitels erscheint im Spätmittelalter auch auf dessen Siegel. Die thronende Maria, der Sitz der Weisheit, hält Christus auf dem Schoß und in der rechten Hand das Lilienzepter (...)“, [2] so die Historikerin Hedwig Röckelein. Im Laufe des 14. Jahrhunderts verehrten immer mehr Laienbruderschaften die Heilige Maria, die als Mantelmadonna den Menschen unter ihrem Mantel Schutz bot. In einem Kollektenbuch der Hamburger Kirche aus dem Jahre 1521 findet sich ein Gebet an Maria als Beschützerin der Menschheit vor der Pest, in dem es heißt: „Himmelsstern aus dunklen Tiefen, Die dem Herrn die Brüste bot, Du errettest, die Dich riefen, In der Pest vor Todesnot; Ave Maria.“
Bis zur Reformation war die Heilige Maria eine Schutzpatronin Hamburgs neben anderen Schutzpatronen. Im 15. Jahrhundert war ihr Portrait auf zahlreichen Münzen der Stadt geprägt. Auf dem silbernen Doppelschilling von 1463 stand die Umschrift: „Conserva nos, Domina – spes nostra virgo Maria = Erhalt uns Herrin, unsere Hoffnung Jungfrau Maria“. Selbst zahlreiche Schiffe trugen ihren Namen.
Die Reformation beendete die Heiligen- und damit auch die Marienverehrung. Der Reformator Johannes Bugenhagen schrieb 1529 in seiner Kirchenordnung: „Wir halten die Jungfrau Maria für die Mutter unseres Jesu Christi, durch welche Gott solch ein großes Wunder seiner Menschwerdung mittels des heiligen Geistes vollbracht hat. Soweit weist uns die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments auf Maria hin. Jes. 7, Matth. 1, Luk.1 und 2. Das ist Lobpreis oder Benedeiung, die sie unter den Frauen haben soll, (...) ist das denn nicht genug? Die aber Maria anrufen und aus ihr eine Mittlerin machen, die uns mit Gott und Christo versöhnen soll, die mögen zusehen, womit sie dies verteidigen können. Ohne Zweifel machen sie aus Maria einen Abgott, denn ein wirklicher Gott kann sie nicht sein.“
Obwohl die Reformatoren die Verehrung Marias ablehnten, ließen sie in Hamburg die Marienstatuen und -gemälde nicht entfernen, so dass auch weiterhin zu Maria gebetet werden konnte. Dennoch bedeutete die Ablehnung der Marienverehrung und der Anbetung anderer weiblicher Heiliger eine Verdrängung weiblicher Identifikationsfiguren.
Text: Rita Bake