Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Glückel von Hameln

(1646 Hamburg - 17.9.1724 Metz)
jüdische Kauffrau
Königstraße: Alter jüdischer Friedhof
Namensgeberin für: Glückel-von-Hameln-Straße, benannt 2016 in Altona-Nord


3889 Glueckel Von Hameln
Bertha Pappenheim im Kostüm der Glikl bas Juda Leib. Schwarz-weiß-Reproduktion des Gemäldes von Pilichowski.

Glückel von Hameln ist zwar nicht auf diesem Friedhof begraben. Ihre letzte Ruhe fanden hier ihr erster Ehemann und ihre Mutter Bela Dinkerle (Grabaufschrift: Frau Bela, Tochter des Chajim gest. 1682). Bela D. verdiente vor ihrer Heirat ihren Lebensunterhalt mit Gold- und Silberspitzen Klöppeln. Sie beschäftigte einige Mädchen zum Klöppeln. Mit der Gold- und Silber-Spitzenklöppelei konnte sie sich und ihre verwitwete Mutter Mate ernähren.
Im Begründungstext zur Straßenbenennung nach Glückel von Hameln heißt es: „jüdische Kauffrau, gilt als weit über die Grenzen Hamburgs bekannte historische Figur, die als eine der ersten Frauen ihre Autobiographie schrieb; lebte in Altona, denn sie gehörte mit ihren Eltern zu den Aschkenasim unter den Juden, deren Gemeinde 1650-1657 aus Hamburg ausgewiesen nach Altona auswanderte, weil sie dort aufgrund toleranterer Obrigkeit Schutz genossen; es wird hiermit an ein Stück deutsch-jüdischer Geschichte erinnert, in der Altona eine entscheidende Rolle als Zufluchtsort spielte.“
Es ist zu hoffen, dass mit dieser Benennung nicht nur an ein „Stück deutsch-jüdische Geschichte erinnert“ wird, „in der Altona eine entscheidende Rolle als Zufluchtsort spielte“, sondern dass an Glückel von Hameln gedacht wird als eine weibliche Person, die als Kauffrau bewies, dass auch Frauen in diesem Metier erfolgreich selbstständig fungieren konnten. Denn Frauen wurden, je nach den herrschenden Rechtsnormen, jahrhundertelang daran gehindert, ohne einen Vormund Geschäfte zu betreiben.
Aufgewachsen in Reichtum - ihr Vater Juda Joseph, genannt Loeb Pinkerle war ein Diamantenhändler und Pfandleiher, ihre Mutter Bele Melrich, eine ebenfalls erfolgreiche Unternehmerin - wurde Glückel von Hameln im Alter von 14 Jahren mit dem wenig älteren Chaijm Hameln aus Hameln verheiratet.
Vierzehn Mal wurde sie schwanger. Zwei Kinder starben im Kindesalter.
Als ihr Mann im Jahre 1689 starb, begann sie als erste Frau in Deutschland eine Autobiographie zu schreiben, „Um mir in den langen Nächten die melancholischen Gedanken damit zu vertreiben”. Die für ihre Kinder verfassten Memoiren schrieb sie bis 1719. „Da jüdischen Frauen bis zur Aufklärung der öffentliche intellektuelle Raum verschlossen war, sind Glückels Erinnerungen, (…) nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen. Sie enthielten detaillierte Berichte über historische Ereignisse, geschäftliche, finanzielle und familiäre Angelegenheiten wie Geburten, Krankheiten und Hochzeitsfeiern sowie Geschichten aus der jüdischen weltlichen und Moralliteratur, die Glückel sowohl als gottesfürchtige als auch für ihre Zeit außergewöhnlich gebildete Frau ausweisen.“ [1]
Glückel von Hameln führte den Gold- und Juwelenhandel ihres verstorbenen Mannes fort, in dem sie auch schon vorher gearbeitet hatte, wobei sie für die Einlösung der Pfänder von Kaufleuten zuständig gewesen war. Nun, als alleinige Geschäftsfrau unternahm sie viele Reisen, begab sich auf Messen nach Leipzig, Berlin, Wien, Amsterdam und Paris und wurde sehr erfolgreich. Auch für ihre Kinder sorgte sie. Sie unterstützte sie zum Beispiel bei Geschäftsgründungen, indem sie mit ihrem guten Namen bürgte.
Durch ihre 1700 geschlossene zweite Ehe mit dem reichen Bankier und Witwer Cerf Isaac Levy Rabbin aus Metz, von dem sie sich finanziell sorglose Leben im Alter erhoffte, geriet sie in bitterste Armut, denn ihr Mann erlitt einen geschäftlichen Zusammenbruch.
Glückel von Hameln starb 1724, verarmt, im Haus ihrer Tochter in Metz. Hier im Hause ihrer Tochter hatte Glückel die letzten Teile ihrer Memoiren verfasst.
1910 wurden Glückels Memoiren von Bertha Pappenheim, die Gründerin des Jüdischen Frauenbundes in Deutschlands aus dem Westjiddischen ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht.[2]
Text: Rita Bake