Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Anne-Marie Tausch

(7.5.1925 Berlin – 27.7.1983)
Psychologieprofessorin
Universität Hamburg, Psychologisches Institut III, Von-Melle-Park 5 (Wirkungsstätte)
Sorenfeldring 27 (Wohnadresse)
Schmalenremen 55, Friedhof Volksdorf, Grablage: Dh83,84


Über sich als Kind sagte Dr. Anne-Marie Tausch einmal: „Ich war ein überlebhaftes Kind: Wild, übermütig, ausgelassen, lebendig, aktiv, viele Streiche. Mich zu leben war, Streiche zu machen, intensiv Sport zu treiben, besonders Tennissport.'' 1)

Auf der Seite der berufsbildenden Schulen Anne-Marie Tausch steht über den Lebensweg der Namensgeberin der Schule u. a. : „Besonders prägend für sie waren die Kriegserfahrungen (1939 - 1945). Als der Krieg ausbrach wurde ihr Vater eingezogen, Anne-Marie war damals 14 Jahre alt. Während der Bombennächte litt sie unter Angst und Hunger. Herr Tausch schrieb über Anne: ‚Beeindruckt wurde sie durch eine jüdische Mitschülerin, Manuela, bei der sie großen Schmerz miterlebte. ''Der Vater von Anne-Marie starb 1944 in einem Luftschutzkeller in Berlin, in dem sie häufig Nachtwachen hielt. Dort erlebte sie auch, wie ihr Vater in Ruhe sterben konnte.‘“ 2)

Nach dem Abitur absolvierte Anne-Marie Tausch eine zweijährige Ausbildung zur Lehrerin an der Pädagogischen Hochschule in Hannover. Doch dies reichte ihr nicht aus und so studierte sie anschließend Psychologie an der Universität Göttingen und schloss ihr Studium mit der Promotion ab. Danach arbeitete sie als Lehrerin an der pädagogischen Hochschule Braunschweig, ging aber wenig später an das psychologische Institut der Uni Marburg zu Reinhard Tausch (1921-2013), der ihr diese Stelle angeboten hatte. “Ein halbes Jahr nach Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit heirateten die beiden“3) 954. Das Paar hatte drei Töchter. Das erste Kind wurde ein Jahr nach der Hochzeit geboren.

„Um weiterhin genug Zeit für Forschungen zu haben, suchten die beiden nach guten Betreuungspersonen für die Kinder, die sie auch fanden. Anne-Marie arbeitete an der Universität Marburg, an den Pädagogischen Hochschulen Weilburg/Lahn und Kettwig/Duisburg. Ab 1965 arbeitete sie in der Arbeitsgruppe ihres Mannes. Um keine Diskussion unter den Kollegen zu provozieren, arbeitete sie ohne eine Bezahlung für ihre Arbeit zu erhalten.“ 4)

Anne-Marie und Reinhard Tausch waren am Psychologischen Institut III der Universität Hamburg tätig; sie von 1965 bis 1975 als unbezahlte Forschungsmitarbeiterin; von 1975 bis 1983 als Honorarprofessorin.

Gemeinsam mit ihrem Ehemann erforschte und verbreitete sie die Gesprächspsychotherapie im deutschsprachigen Raum. „Auch in der DDR stieß ihre Arbeit auf großes Interesse. Zu Kontakten kam es ab Ende der 1960er Jahre. Um die ostdeutschen Forscher Johannes Helm und Inge Frohburg zu unterstützen, wurden Tonbandaufnahmen von Psychotherapiesitzungen in die DDR geschmuggelt. Auf einem internationalen Psychologen-Kongress musste ein Film über Gruppenpsychotherapie erzwungenermaßen zweimal gezeigt werden, das zweite Mal in Leipzigs vollbesetztem größtem Kino morgens um 6 Uhr.“ 5)

Das Ehepaar Tausch beschäftigte sich auch intensiv mit der Pädagogischen Psychologie. „Sie konnten zeigen, dass der Schulunterricht in den 1960er und 1970er Jahren stark von autokratischen Lehrerverhalten geprägt war.“ Wiki Herr Tausch. Dem Ehepaar Tausch war es wichtig und dafür setzte es sich ein, „die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen partnerschaftlich mit Wertschätzung und Empathie zu fördern. Ihr damals weit verbreitetes Buch ‚Erziehungspsychologie‘ hatte großen Einfluss auf die Schulpädagogik und die Lehrerbildung.“ 6)

Zwischen 1976 bis 1980 waren Anne-Marie und Reinhard Tausch im dritten Fernsehprogramm des Südwest-Fernsehens vier Mal im Jahr in der Sendung „Psycho-Treff“ zu sehen. „Etwa 12 Personen und das Ehepaar Tausch als Psychotherapeuten trafen sich über ein Wochenende zu Gruppengesprächen. Gesendet wurde ein zweistündiger Zusammenschnitt des Gesprächsverlaufs mit anschließender Live-Diskussion. Die 15 Sendungen wurden mehrfach ausgestrahlt, die Publikumsresonanz war enorm.“ 7)

1978 begann das Ehepaar Tausch mit einer Untersuchung von Gesprächen mit Krebskranken. Ein Jahr später wurde bei Anne-Marie Tausch selbst Krebs diagnostiziert. „Ich hatte einen Untersuchungsplan bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingereicht. Mein Ziel war zu klären, wie hilfreich es für Krebspatienten, Angehörige und Ärzte ist, wenn sie eine Zeitlang an einer psychologischen Gesprächsgruppe teilnehmen. Ich hatte gerade mit dieser Arbeit begonnen, als ein Arzt mir mitteilte, daß ich selbst an Krebs erkrankt sei,“ heißt es in ihrem Buch „Gespräche gegen die Angst“. Und weiter äußerte sie: „Es hat mich bereichert, dass sich die Angst vor der Krankheit zuließ und sie sich dann umwandelte in Gelassenheit.“

Noch in ihrem Todesjahr verfasste sie mit ihrem Ehemann das Buch „Wege zu uns“, in dem auch viele persönlichen Erfahrungen wiedergegeben werden. Das Buch „zeigt die Möglichkeit eines personzentrierten Lebensstils im Alltag. 1985 erschien ‚Sanftes Sterben‘, dass die Erfahrungen [der] Familie mit dem Sterben“ 8) Anne-Marie Tauschs beschreibt.

Anne-Marie Tausch starb mit 58 Jahren an Krebs. Nach ihr wurde die Berufsschule für Pflegberufe, Sozialpädagogik in Wolfsburg benannt.