Sophie Kunert Sophie Kunert, verheiratete Benfey-Kunert
(1.3.1896 Spandau – 18.1.1960 Göttingen)
Evangelische Theologin
Frauengefängnis Hamburg Fuhlsbüttel: Am Hasenberge 26 (Wirkungsstätte von 1925-1934)
Seine Kurzbiografie über Sophie Kunert begann Rainer Hering mit folgendem Satz: Die erste Theologin und eine der engagiertesten Kämpferinnen für die Zulassung von Frauen im geistlichen Amt (…).“[1]
Und in Wikipedia beginnt die aus einem sehr kurzen Beitrag bestehende Biografie über Sophie Kunert folgendermaßen: „Kunert stammte aus großbürgerlichem Haus und setzte durch, das Abitur ablegen zu dürfen. Anschließend studierte sie Evangelische Theologie, obwohl Frauen zu dieser Zeit noch keine beruflichen Tätigkeiten in der evangelischen Kirche angeboten wurden.“[2]
Rainer Hering beschreibt diese sehr durchsetzungsstarke Persönlichkeit ein wenig näher. Schon früh „entwickelte sie (…) kämpferischen Elan und einen ausgeprägten Leistungsdrang. 1916 begann sie in Berlin, Philosophie zu studieren, wechselte aber nach zwei Jahren zur Theologie und legte 1921 als eine der ersten Frauen an der Humboldt-Universität das Fakultätsexamen ab, dessen Einführung sie zuvor selbst mit durchgesetzt hatte. Da es zu diesem Zeitpunkt keine Berufsaussichten in den evangelischen Kirchen gab, arbeitete Sophie Kunert als Erzieherin und im kaufmännischen Bereich, studierte Nationalökonomie, publizierte zum Thema Frauen in der Kirche und wirkte in ihrer Freizeit als Seelsorgerin in einem Berliner Frauengefängnis.“ [3]
1925 bekam Sophie Kunert die Möglichkeit, als Seelsorgerin im Hamburger Strafvollzug zu arbeiten. Hier arbeitete sie im Frauengefängnis.
„Da Kunert ihr Anliegen, die Gleichberechtigung der Theologinnen, weiter verfolgte und für ihre Arbeit im Frauengefängnis auch eine kirchliche Bestätigung haben wollte, beantragte sie erfolgreich die Zulassung zum Vikariat in der Hamburger Landeskirche, dessen Abschlussprüfung sie noch 1925 bestand.“ [4]
Unterstützt wurde sie dabei von Heinz Beckmann, Hauptpastor an der St. Nikolai Kirche in Hamburgs Innenstadt. Er war der Bruder von Hamburgs erster Oberschulrätin, der Frauenrechtlerin und liberalen Politikerin Emmy Beckmann, und deren Zwillingsschwester Hanna. In Fragen der Frauenemanzipation sicherlich durch seine Schwestern sensibilisiert, setzte sich Heinz Beckmann für die Gleichberechtigung der Theologinnen ein.
„Nach langen Auseinandersetzungen konnte sie 1927 bewirken, dass Theologinnen als Pfarramtshelferinnen auch eine kirchliche Arbeitsmöglichkeit eingeräumt wurde – allerdings nur mit eingeschränkten Rechten und geringerer Bezahlung. Für ihren Dienst wurden sie eingesegnet und nicht wie Pastoren ordiniert. Sophie Kunert konnte sogar erreichen, dass ihr ausnahmsweise die sonst nur Männern vorbehaltene Sakramentsverwaltung für ihre Arbeit im Frauengefängnis übertragen wurde. Damit befand sie sich in Deutschland in einer einzigartigen Position. Kunert versah ihren Dienst im Frauengefängnis weitgehend selbstständig und war nur dem Präsidenten des Strafvollzugsamtes unmittelbar verpflichtet.“[5]
Um ihre Seelsorge mit den inhaftierten Frauen noch professioneller zu gestalten, studierte sie neben ihrem Beruf Psychologie. 1933 wurde sie bei William Stern promoviert mit der Arbeit „Abhängigkeit, eine personale Struktur straffälliger Frauen“.
Wegen der Konflikte mit der katholischen Leiterin des Frauengefängnisses kündigte Sophie Kunert. Sie heiratete „den aus einer judenchristlichen Familie stammenden Göttinger Pastor Bruno Benfey (1891-1961).“ [6] Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde er wegen seiner Herkunft in den Ruhestand versetzt und 1938 verhaftet und ins KZ Buchenwald gebracht. Aufgrund von Seiten ökumenischer Kontakte wurde er nach einigen Wochen freigelassen, musste aber Deutschland verlassen. „Über die Schweiz, die sie nicht dauerhaft aufnehmen wollte, gelangte die Familie in die Niederlande, wo Bruno Benfey als Seelsorger wirkte und deutschsprachige protestantische Flüchtlinge in Lagern im ganzen Land betreute. Hier ergab sich für Sophie Benfey-Kunert die Möglichkeit, wieder als Geistliche zu arbeiten und Gottesdienste abzuhalten, wenn ihr Mann verhindert war. 1946 konnten beide nach Göttingen zurückkehren, wo ihr Mann seine alte Pfarrstelle wieder erhielt, ihr selbst aber von der Hannoverschen Landeskirche eine Berufstätigkeit als Theologin verwehrt wurde.“ [7]