Elise Augustat Elise Augustat, geb. Queck
(20.7.1889 in Waldkeim/Ostpr. - Einweisung in das KZ Ravensbrück im September 1939, nach der Freilassung an den Haftfolgen gestorben am 13.3.1940)
Politikerin (KPD), Opfer des Nationalsozialismus
Naumannplatz 1 (Wohnadresse)
Osterstraße 4 (Wohnadresse)
Stolperstein für Elise Augustat vor dem Haus Naumannplatz 1
Elise Augustat stammte aus einer ostpreußischen Landarbeiterfamilie. Ihre Eltern Auguste und Karl Queck hatten acht Kinder und verließen ihre Heimat schon bald nach Elises Geburt, um nach Lägerdorf bei Itzehoe zu ziehen. Der um die Jahrhundertwende etwa 4000 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Ort war damals ein aufstrebendes industrielles Zentrum des Kreideabbaus und vor allem der Zementproduktion, dessen Bevölkerung mehrheitlich aus Industriearbeiterfamilien bestand. Auguste Queck starb, als ihre Tochter Elise erst acht Jahre alt war. Als „Arbeitertochter“ durchlief Elise einen damals typischen Werdegang. Noch während ihrer Schulzeit musste sie Landarbeit bei Großbauern verrichten. Sie beendete die Volksschule 1904 und war unmittelbar danach, wie das KPD-Organ „Hamburger Volkszeitung“ anlässlich ihrer Reichstagskandidatur mehr als 25 Jahre später schrieb, wegen „gewissenloser Kinderausbeutung ... für längere Zeit aufs Krankenlager“ gezwungen. Nach ihrer Genesung arbeitete sie in bäuerlichen, später in städtischen Haushalten. Als noch sehr junge Frau bekam sie ihre erste Tochter Gertrud. Zwanzigjährig heiratete sie 1909 Friedrich Buchholz und bekam mit ihm ihre zweite Tochter Elfriede. Die Ehe scheiterte jedoch schon bald und wurde wieder geschieden, ein Schritt, der besonders bei Frauen aus ärmeren Schichten nicht nur ungewöhnlich war, sondern oft eine gesellschaftliche Stigmatisierung zur Folge hatte. So oblag es der geschiedenen Frau allein, sich und ihre beiden Töchter durch die schwierige Zeit des Ersten Weltkriegs und die krisenhafte Nachkriegsperiode zu bringen. Sie schaffte dies, indem sie unter anderem in der großen Lägerdorfer Zementfabrik arbeitete.
Möglicherweise durch diese Erfahrungen beeinflusst, aber sicher auch durch das politische Klima von Lägerdorf, das die SPD schon vor dem Krieg klar dominierte (88 Prozent der Stimmen bei der Reichstagswahl von 1912), politisierte sich Elise Queck und trat, nachdem sie bereits vorher Mitglied im „Fabrikarbeiterverband“ gewesen war, 1919 in die USPD ein, die schon bald die SPD als örtlich bestimmende politische Kraft ablöste. Im November 1920 sprach sich eine Mehrheit der USPD-Mitglieder für den Übertritt in die KPD aus, ein Schritt, den auch Elise Queck mitging. In dieser frühen Phase ihrer politischen Tätigkeit heiratete sie Wilhelm Augustat (geb. 1895), der ebenfalls in der KPD aktiv war. Beide Ehepartner gehörten bald der lokalen Parteiführung an. Als die KPD im Oktober 1923 in Hamburg einen Aufstand versuchte, kam es auch in Lägerdorf zu sozialen Unruhen. Ein Teil der örtlichen Parteiorganisation wollte sich dem Aufstand anschließen und die Mitglieder des örtlichen Aktionsausschusses des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, zu denen auch Elise Augustat zählte, für ihren Aktionsplan gewinnen. Obwohl die KPD vier der sieben Ausschussmitglieder stellte, stimmten neben den drei Sozialdemokraten auch Elise Augustat und ein weiterer Kommunist gegen den bewaffneten Aufstand. Trotz dieses Beschlusses kam es doch noch zu gewalttätigen Zusammenstößen, bei denen ein Polizist und zwei Lägerdorfer Einwohner getötet wurden. Gegen Elise Augustat wurde ein Strafverfahren wegen Landfriedensbruchs ein geleitet, in der Gerichtsverhandlung wurde sie jedoch von der Anklage freigesprochen.
Im Mai 1924 konnte sie daher bereits zu den Kommunalwahlen antreten, bei denen sie für die KPD in die Gemeindevertretung ihres Heimatortes gewählt wurde. Bei den Gemeindewahlen 1927 wurde die KPD in Lägerdorf stärkste Partei und wollte Elise Augustat zur Bürgermeisterin wählen lassen, was jedoch vom Landrat verhindert wurde, der sie von der Kandidatur ausschloss.1929 wurde sie in die Bezirksleitung Wasserkante der KPD (mit Sitz in Hamburg) berufen, wo sie als Leiterin der Frauenabteilung tätig war. Die Abteilung konzentrierte sich politisch auf den Kampf für die Gleichstellung der Arbeiterinnen bei der Entlohnung sowie auf Kampagnen gegen den Abtreibungsparagraphen 218 des Strafgesetzbuches. [Für die Firma Beiersdorf an der Unnastraße im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel gab sie die Betriebszeitung für Frauen “Das rote Niveamädel” heraus.]
Im selben Jahr wurde Elise Augustat in den Provinziallandtag Schleswig-Holstein gewählt. Ihre politischen Aktivtäten scheinen sich seitdem zunehmend auf die überregionale Ebene verlagert zu haben, sodass ihr Umzug nach Hamburg im November 1930 wohl damit in Zusammenhang stand. Seither lebte sie mit ihrem Mann Wilhelm im Stadtteil Dulsberg am Naumannplatz 1. Schon zwei Monate vorher war sie auf der regionalen KPD-Liste – Platz zwei hinter Parteiführer Ernst Thälmann – in den Reichstag gewählt worden; seit Juli 1932 vertrat sie für die KPD den Wahlkreis 34 in Hamburg. In den letzten Jahren der Weimarer Republik scheint sie die vorher enge Bindung an ihren Heimatort Lägerdorf erheblich gelockert zu haben, da sie sich nicht nur in Hamburg und Berlin aufhielt, sondern zu „politischen Schulungen“ auch die Sowjetunion besuchte. Wie Verwandte später berichteten, soll sie sich nach ihrer Rück kehr ernüchtert über die „dortigen bedrückenden materiellen Lebensumstände“ geäußert haben.
Nach der Machtübertragung an Hitler und der Verhaftung eines großen Teils der KPD-Abgeordneten, zog Elise Augustat Ende März 1933 – möglicherweise aus Tarnungsgründen – in die Osterstraße 4 in Hamburg. Verhaftet wurde sie infolge einer Denunziation zwei Monate später allerdings in Itzehoe, von wo man sie in Untersuchungshaft nach Hamburg überführte. Das Strafverfahren wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ gegen sie war vom Oberlandesgericht Hamburg bereits am 20. April 1933 eröffnet worden. Zur Anklageerhebung kam es dann erst im Dezember desselben Jahres; das Gerichtsverfahren endete am 15. Januar 1934 allerdings mit Freispruch, weshalb man wohl vermuten kann, dass Elise Augustat keine aktive Widerstandsarbeit nachgewiesen werden konnte.
Nach ihrer Haftentlassung kehrte sie mit ihrem Mann nach Lägerdorf zurück. Da dieser als Kommunist keine Anstellung fand, war das Ehepaar von den Einnahmen abhängig, die Elise Augustat als Kost- und Logiswirtin verdiente. Politisch wurde sie vom Lägerdorfer Ortsgruppenleiter der NSDAP überwacht, der sie zwang, an Parteiveranstaltungen teilzunehmen und in „Heil“-Rufe auf den „Führer“ einzustimmen sowie den Hitlergruß zu zeigen. Im April 1939, wenige Monate vor Kriegsbeginn, wurde ihr Mann dienstverpflichtet, um beim Bau des Westwalls in der Eifel mitzuarbeiten. Elise Augustat hatte im Sommer noch Gelegenheit, ihn an seinem Arbeitsort zu besuchen und dort einen Urlaub von vier Wochen mit ihm zu verbringen. Kurz nach ihrer Rückkehr nach Lägerdorf begann der Zweite Weltkrieg, und sie wurde, wie manch andere „politisch Verdächtige“, noch im September verhaftet und am 23. Desselben Monats ins KZ Ravensbrück eingeliefert. Im Dezember 1939 erhielt sie – wahrscheinlich wegen ihrer schweren Erkrankung – einen „Probeurlaub“ und konnte in ihren Wohnort zurückkehren. Dort berichtete sie ihrem zum Weihnachtsurlaub angereisten Mann und einem von dessen engen Freunden über die furchtbaren Zustände im KZ Ravensbrück und kündigte an, sie werde lieber Selbstmord begehen als dorthin zurückzukehren. Offenbar besserte sich ihr durch die Haftbedingungen im Konzentrationslager zerrütteter Gesundheitszustand auch zuhause nicht; sie verstarb dort am 13. März 1940 – laut Aussage von Hinterbliebenen nach dem Krieg an Lungenentzündung.
Text: Benedikt Behrens aus: www.stolpersteine-hamburg.de