Hilla Paul
(4.12.1904 – 30.5.1992 Hamburg)
Bewährungshelferin, ehrenamtlich tätig im Hamburger Fürsorgeverein von 1948 e. V.
Max-Brauer-Allee 155 (Wirkungsstätte)
Sievekingplatz (Gerichte, Wirkungsstätte)
Hilla Paul lebte seit 1949 in Hamburg. Seit 1955 war sie im Hamburger Fürsorgeverein von 1948 e. V. ehrenamtlich tätig, zunächst in der Geschäftsstelle bei der Betreuung entlassener Strafgefangener, später als Bewährungshelferin. Anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Fürsorgevereins würdigte der damalige Vorsitzende Richter am Amtsgericht Hamburg und langjähriger Vorsitzender des Hamburger Fürsorgevereins Ernst-Ludwig Witt Frau Pauls Engagement mit folgenden Worten: „Für die Durchführung besonderer fürsorgerischer Aufgaben, für die Kontaktpflege mit der hamburgischen Strafjustiz, für das Werben von Mitgliedern und Spenden, sowie als Bewährungshelferin steht dem Hamburger Fürsorgeverein Frau Hilla Paul zur Verfügung, auf deren erfolgreichen Einsatz insbesondere das Ansteigen der Mitgliederzahl und der Spenden der hamburgischen Wirtschaft, zurückzuführen ist und die sich in den Jahren ihres Wirkens für den Verein seit 1955 großen Verdienst erworben hat.“ (Freie und Hansestadt Hamburg, Justizbehörde, 23.11.1973, Schreiben des Präses an den Ersten Bürgermeister Peter Schulz, Vorschlag für Ehrung Hilla Pauls mit der Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes in Silber.)
In diesem Schreiben heißt es weiter: „Schon früh hat Frau Paul ihr Hauptaugenmerk auf die Beschaffung von Arbeitsplätzen für entlassene Strafgefangene gerichtet und dort mit besonderer Zähigkeit und Ausdauer bemerkenswerte Erfolge erzielt. Seit 19 Jahren empfängt sie jede Woche in ihren Sprechstunden entlassene Strafgefangene vom Nachmittag bis in die späten Abendstunden. Mit großem Einfühlungsvermögen, pädagogischem Geschick und in unermüdlicher, auch durch Misserfolge sich nicht entmutigender Einsatzbereitschaft versucht sie, diesen Menschen den Weg in die Zukunft zu ebnen und lebt so praktische Nächstenliebe fernab von jedem modischen Resozialisierungsbemühen. (…) Wer immer Frau Paul bei ihrer Aufgabe kennengelernt hat, bewundert und anerkennt, wie sie sich in hohen und höchsten Amtszimmern, bei den Gerichten und in den Behörden in der Sorge um die ihr anvertrauten Menschen einsetzt, ebenso hartnäckig wie liebenswürdig. Ich kenne Frau Paul seit mehr als zehn Jahren. Ich weiß, welche Mühe Frau Paul stets auf sich genommen hat, wie oft ihr mit heimlichem Spott begegnet worden ist. Ohne sich davon beirren zu lassen, hat sie in einem Bereich freiwillige Sozialarbeit geleistet, in dem sie allgemeine, öffentliche Anerkennung kaum erwarten konnte.“
Hilla Paul erhielt schließlich die Medaille in Bronze und später noch das Bundesverdienstkreuz.
Dietrich Mett, ehemaliger Vorsitzender des Forums Hamburger Straffälligenhilfe erinnerte sich wie folgt an Hilla Paul: „Als ich im Jahr 1964 als eben ernannter Gerichtsassessor im Amtsgericht Hamburg tätig wurde, stellte mir ein Kollege Frau Paul als Mitarbeiterin des Hamburger Fürsorgevereins von 1948 e.V. (HFV) mit folgenden Worten vor: ‚Unterschreibe den Aufnahmeantrag des Vereins sofort. Das kostet dich jährlich 6,- DM. Unterschreibst du nicht, dann kommt Frau Paul jede Woche zu einem Besuch zu dir, der dich mindestens jeweils eine Arbeitsstunde kosten wird!‘ Frau Paul stand daneben, lachte freundlich und stellte sich mir als freie Mitarbeiterin und ehrenamtliche Bewährungshelferin des HFV vor. Schnell merkte ich, dass die Vorstellung durch den Kollegen keineswegs abfällig gemeint war, sondern dass zwischen Frau Paul und uns Kollegen ein rauer aber sehr vertrauensvoller Ton herrschte. Sie fasste schnell auch zu mir Vertrauen und berichtete über die Schwierigkeiten mit ihren Probanden. Das Sozialhilferecht war erst in Grundzügen entwickelt. Staatliche Bewährungshelfer gab es noch kaum. Es bedurfte erheblichen Einsatzes bei Sozialdienststellen, um Hilfe zum Lebensunterhalt und Unterkunftsmöglichkeiten für einen Haftentlassenen zu bekommen, der in den Sozialdienststellen oftmals abgewiesen wurde. Einklagbare Rechtsansprüche gab es nicht Leistungen lagen meistens im Ermessen der Sachbearbeiter. Der HFV war damals insoweit für die Richter des Amtsgerichts eine große Hilfe, da Haftentlassene oder auch Gefährdete täglich von einer Sozialpädagogin nicht nur beraten wurden, sondern auch direkte Hilfen verschiedenster Art erhielten. Es ist das Verdienst von Frau Paul, uns Juristen über die Probleme einerseits und Hilfsmöglichkeiten andererseits zu informieren und die Probleme der Integration eines Straffälligen zu begreifen. Damals bereitete die juristische Ausbildung noch weniger als heute einen Strafjuristen auf die sozialen Ursachen der Kriminalität vor. Durch die immer wiederkehrenden Gespräche mit Frau Paul begriff so mancher Kollege überhaupt erst die Tragweite und Konsequenz seiner Amtshandlungen.
Es gab nur ganz wenige Kollegen, die sich durch die freundliche und konsequente Ansprache durch Frau Paul nicht für diese Thematik ansprechen ließen und interessierten. Es gehörte schließlich zum Selbstverständnis der damaligen Richter und Staatsanwälte in Hamburg, Mitglied des HFV zu werden und sich den Aussprachen mit Frau Paul zu öffnen. Sie schaffte es, die Zahl der Mitglieder des Vereins auf über 1000 anwachsen zu lassen. Jeder neue Justizsenator ( Seeler u. a.) wurde von ihr ebenso besucht und zum Mitglied geworben, wie Inhaber von großen Hamburger Firmen. Ich denke, dass durch die von ihr repräsentierte Aktivität des HFV der gesellschaftliche Boden für die Strafrechtsreformen und das Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes jedenfalls in Hamburg mit vorbereitet wurde.
Als langjähriger Vorsitzender des HFV hatte ich ein besonders herzliches Verhältnis zu Frau Paul und sorgte dafür, dass sie zu ihrer bescheidenen Rente ein Gehalt vom Verein erhielt. Es blieb zwischen uns jedoch immer eine gewisse Distanz in persönlichen Dingen. So hatte sie sich mir als Witwe eines in Königsberg (?) tätigen Psychiaters vorgestellt, in dessen Praxis sie mit tätig gewesen sei und deshalb mit Straftätern mit besonderen psychischen Schwierigkeiten gut fertig werde. Die Gerichte ordneten sie dementsprechend häufig solchen Probanden bei. Wie viele sie im Laufe der Jahre betreute, ist mir nicht erinnerlich. Ich weiß indessen, dass sie bisweilen 10 bis 12 Probanden gleichzeitig betreute und von stundenlangen Sprechtagen in ihrer Wohnung berichtete. Das besondere Verhältnis zu den Gerichten spiegelt sich auch darin wieder, dass Frau Paul nur selten und in vielen Fällen sogar überhaupt keine schriftlichen Berichte über die Probanden ablieferte. Wenn ich sie anmahnte, teilte sie mir mit, dass sie dem Vorsitzenden der Strafkammer bereits mündlich berichtet habe.“ (Erinnerung an Frau Hilla Paul von Dietrich Mett, ehemaliger Vorsitzender des Forums Hamburger Straffälligenhilfe, außerdem 25 Jahre im Vorstand des Hamburger Fürsorgevereins von 1948 e.V.).
Text: Rita Bake