Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Hilde von Lang Hilde von Lang, geb. Daniels

(12.10.1925 Hamburg - 3.4.2011 Hamburg)
Mit-Herausgeberin und Verlegerin der Wochenzeitung DIE ZEIT, Aufsichtsrätin
Speersort 1 Pressehaus „DIE ZEIT“ (Wirkungsstätte)
Leinpfad 19 (Wohnadresse)
Friedhof Reinbek: bestattet


Ihr Jurastudium brach sie nach dem fünften Semester ab, weil sie ein Kind bekam. Mit 42 stieg sie auf zur Mitgestalterin des Erfolges der Wochenzeitung „DIE ZEIT“. Mit 62 wurde sie Verlegerin: Hilde von Lang war von 1969 bis 1999 eine der wenigen Frauen mit Einfluss in Spitzenpositionen der Wirtschaft.
Ein Interviewporträt schilderte 1987 ihren Werdegang so: „Hilde von Lang ist eine Frau im zweiten Leben. Im ersten wurde sie Hausfrau, es dauerte 42 Jahre, endete mit Scheidung.“ Ihr Leben Nr. 2 startete sie mit Spanischkursen; fünf Jahre lang schrieb sie Adels-Klatschreportagen für die „Neue Post“ des Heinrich-Bauer-Verlags: „Als sie ihre ersten Artikel ablieferte, sagte der damalige Chefredakteur. „Viel mehr Adjektive benutzen, viel emotionaler schreiben!“ (Mopo 1987, S.18).
In seinem Nachruf vom 8. April 2011 resümierte Altbundeskanzler Helmut Schmidt: „Erst in der Mitte ihres Lebens stieß Hilde von Lang 1969 zur ZEIT. Etwas präziser gesagt: Nachdem sie bis dahin Journalistin gewesen war, trat sie gegen ein sehr geringes Gehalt in das Verlagsgeschäft ein. In der damaligen Männergesellschaft der ZEIT muss sie eine Ausnahmeerscheinung gewesen sein. Aber ihr gelang alsbald der Aufbau eines formidablen Stellenanzeigen-Geschäftes, das sich vor allem durch eine Fülle von akademischen Annoncen auszeichnete. Sie erkämpfte sich ihr eigenes Recht in der Kundenwerbung, in der Kundenpflege, und sie erwies sich als eine erfolgreiche Kauffrau.
Sie wurde Prokuristin, Generalbevollmächtigte und schließlich von 1985 bis 1999 Geschäftsführerin und Verlegerin. Im Laufe dieser drei Jahrzehnte hat sich unter ihrer umsichtigen Leitung die Auflage der ZEIT von einigen 300.000 auf über eine halbe Million vermehrt. (...) Vier Jahre lang (ab 1985) haben Hilde von Lang und ich als gleichberechtigte Geschäftsführer den Verlag geleitet“ (Schmidt: 2011).
Über ihre Begegnung mit Gerd Bucerius schrieb der Soziologe, Politiker und Publizist Ralf Dahrendorf (1929-2009) in seiner Biografie über Gerd Bucerius und seine Zeit: Im Juli 1968, nach „heißen Drinks“ auf einer Promiparty mit Präsentation des ersten und einzigen Films „Mattanza“ seiner Frau Ebelin auf der Insel Sylt litt Bucerius „an einer verschleppten Bronchitis, und seine Ratgeber – an denen er keinen Mangel hatte – empfahlen ihm eine Kur im sonnensicheren Süden. Die Wahl fiel auf Gran Canaria, und um sicherzugehen, dass dort das richtige Plätzchen gefunden würde, fuhr die ortskundige Frau eines «Stern»-Redakteurs, Hilde von Lang, als Vorauskommando auf die Insel. Wenn nötig, so lauteten ihre Instruktionen, sollte sie die Gäste eines Hotels “auskaufen“; es war nicht nötig. Das Ehepaar Bucerius erschien in einer Privatmaschine, die Ebelins zahlreiche Koffer kaum halten konnte. Dennoch hatte Frau Bucerius nach vier Tagen genug von dem damals noch einsamen Flecken und reiste ab. Bucerius blieb; er und Hilde von Lang kamen sich bald nahe. Sie, die Tochter der angesehenen Hamburger Kaufmannsfamilie Daniels, ist nicht nur eine blendende Erscheinung, sondern auch das, was man früher eine „patente Frau“ nannte. Intelligent, vielseitig interessiert, ist sie zugleich lebenstüchtig und steht mit beiden Füßen fest auf dem Boden. Was Brot kostet, wie man mit der U-Bahn fährt und andere Realien des Lebens erfuhr Bucerius zum ersten Mal durch Hilde von Lang. Sie wurde seine ganz und gar unentbehrliche Partnerin für das verbleibende Vierteljahrhundert seines Lebens“ (Dahrendorf, S.185f.).

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Leinpfad 19, Foto: Beate Backhaus

Als frisch gebackene Verlegerin erinnerte sich Hildegard von Lang 1987 zurück an ihre härteste Früh-Zeit bei Gerd Bucerius: „Ich habe ihn gefragt, ob ich bei ihm nicht irgend etwas Redaktionelles machen kann. Nein, das wollte er nicht. (...) Bucerius wollte im Blatt einen Teil mit Stellenanzeigen aufbauen. Ich bekam die undankbare Aufgabe, gegen Honorar einen Stellenteil zu konzipieren und auf Reisen zu gehen. In die großen Firmen und zu sagen: ‚Bitte geben Sie uns Stellenanzeigen, wir haben zwar noch keine, aber wir werden welche haben’. Das war sehr schwierig. Ich musste an den Sekretärinnen vorbeikommen, was nicht immer einfach ist“ (Mopo 1987, S. 17). „Sie reiste herum, übernachtete in billigen, kleinen Hotels. ‚Ich habe mir damals meist eine Tafel Schokolade gekauft und mich ins Bett gelegt, weil ich nicht allein essen gehen wollte.’ Heute, sagt sie, kann sie sich das nicht mehr vorstellen; aber die Härte der Chefin stammt auch aus dieser Zeit. Bucerius hat sie gefördert, aber nicht verhätschelt. Dann aber wusste er, dass sie unentbehrlich für ihn geworden war, und das nicht nur als Verlagsleiterin, sondern als Gesprächsfreundin, ja als verlässliche Partnerin in allen Dingen. Beide fuhren nicht nur gemeinsam in die Ferien, sondern lebten auch am Leinpfad zusammen. Sie sprachen über vieles, wobei die Tätigkeiten des Tages sich immer wieder vordrängten“ (Dahrendorf, S. 275).
Nicht nur Helmut Schmidt beschäftigte sich rückblickend mit der schwierigen Durchsetzungsrolle von Hilde von Lang. Auch Bucerius-Biograf Ralf Dahrendorf schrieb darüber: „Hilde von Lang hatte es lange Zeit nicht leicht, sich in einer Welt von Klatsch und Männerchauvinismus durchzusetzen. In einem ‚Report’ über ‚Sex und Karriere’ in dem illustrierten Magazin ‚Tempo’ bemühte sich die Autorin vergebens, Hilde von Lang die ‚Sex-und-Karriere-Nummer’ anzudichten, berichtete jedoch korrekt, dass Bucerius ihr den Anzeigenteil der ZEIT zugedacht hatte. Sie arbeitete überaus fleißig. Er schätzt ihre Nähe. Bald gilt sie als seine ‚Begleiterin'“ (Dahrendorf, S. 275). Sie selbst urteilte: „Bucerius hat mich sehr gefördert. Wie er auch Gräfin Dönhoff, von Anfang an, eine Chance gegeben hat. Aber je höher Sie kommen, desto schwieriger wird es mit Männern. Da müssen Sie immer einen Tick mehr können. Sachlich und vom Einsatz“ (Mopo 1987, S. 17).
1977 setzte sie Gerd Bucerius als Geschäftsführerin ein. Ab 1989 war sie allein zeichnungsberechtigt. Bis zu ihrem Tod fungierte Hilde von Lang als Mitglied im Aufsichtsrat. Von 1977 bis 1989 war sie zudem Beisitzerin im Vorstand des Zeitungsverlegerverbandes Hamburg und bis 1999 Stellvertretende Vorsitzende der Landesorganisation. Daneben vertrat sie den Zeitungsverlegerverband als Delegierte beim Bundesverband deutscher Zeitschriftenverleger BDZV. Als Mit-Herausgeberin der ZEIT gehörte sie von 1997 bis 2011 dem Kuratorium der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius an.
Nach dem Tod von Gerd Bucerius verkaufte Hilde von Lang 1995 als dessen Testamentsvollstreckerin den ZEIT-Verlag an die Verlagsgruppe Holtzbrinck. Der Verkauf war schon zu Bucerius' Lebzeiten vorbereitet und notariell verfügt worden.
Nach langer, schwerer Krankheit starb Hilde von Lang 2011 im Alter von 85 Jahren. „Prinzipalin“, „Preussische Haltung“, aber auch „Hamburger Deern“, so beschrieben die Gäste der Trauerfeier Hilde von Lang, darunter Wilhelm Wieben oder Giovanni di Lorenzo. „Herausgeber Helmut Schmidt ließ ausrichten, er bedauere es unendlich, wegen eines anderen Termins nicht kommen zu können.
Für die Familie sprach ihr Neffe, der Mediziner Dr. Thies Daniels: ‚Liebe Hilde, Du warst nicht die liebende Sonne, aber mein Orientierungs-Stern, dessen Anerkennung ich mir wünschte’. Von seinen ersten Erinnerungen als Zehnjähriger im gemeinsamen Urlaub auf Sylt bis zu seinem letzten Anruf an ihrem Sterbetag berichtete er in seiner Trauerrede. Im Tod habe sie ihn an die Nofretete erinnert. Er beschrieb, wie sie bis zuletzt Haltung, Würde und auch ein wacher Geist auszeichneten: ‚Anders als die meisten Älteren, warst Du am Hier und Jetzt interessiert’. Auch zuletzt habe noch ein aufgeschlagenes Spiegel-Magazin auf ihrem Tisch gelegen. Dr. Theo Sommer, Journalist und einstiger Zeit-Herausgeber, erinnerte an seine Kollegin und ihre Leistung: ‚Wir sind ein Vierteljahrhundert ein gutes Gespann gewesen’.“ (vgl. Bergedorfer Zeitung online v. 14.4.2011).

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Grabstein von Hilde von Lang auf dem Friedhof Reinbek; Foto: www.garten-der-frauen.de

Sie ist neben Gerd Bucerius (verstorben 1995) und dessen Gattin Ebelin (eigentlich Gertrud, geschiedene Ebel, die sich von Bucerius zeitlebens nicht scheiden ließ und täglich mit ihm in Kontakt stand; gestorben 1997), auf dem Friedhof Reinbek begraben.
Text: Dr. Cornelia Göksu