Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Hedwig Kettler Hedwig Kettler, geb. Reder

(19.9.1851 Harburg – 5.1.1937 Berlin)
Pädagogin, Frauenrechtlerin
Am Werder 536 (Geburtsadresse in Hamburg Harburg)


4182 Hedwig Kettler
Hedwig Kettler; Foto aus www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/hedwig-kettler/

Hedwig Kettler war die Tochter von Hedwig Elisabeth, geb., Brüning und Gustav Reder, Regierungsbaurat und später Eisenbahnbetriebsdirektor. Ihre Kindheit und Jugendjahre verlebte Hedwig Kettler in Osnabrück und besuchte die Höhere Töchterschule, später in Berlin ging sie auf die Kunstakademie.
Im Alter von 29 Jahren heiratete sie ihren Cousin Julius Kettler (1852-1921), dem damaligen Leiter des Bertuchschen geographischen Instituts in Weimar und späteren Direktors des Statistischen Amtes in Hannover. Das Paar bekam zwei Töchter und zog 1893 von Weimar nach Hannover.
Hedwig Kettlers frauenpolitisches Streben lag im Bereich der Mädchenbildung. Sie, die hochbegabt war, hatte selbst leidvoll in ihrer Jugend die Einschränkung ihrer Bildung erfahren müssen. Ursprünglich wollte sie „Malerin werden. Die Enttäuschung darüber, als Frau nicht zum Studium zugelassen zu werden, bestimmte ihren lebenslangen Kampf für eine bessere Mädchenbildung und die Öffnung der Universitäten für die Frauen.“[1] Sie stritt darum, dass Mädchen und Frauen ein Recht auf Bildung und freie Berufswahl haben. Für sie war Mädchenbildung ein Menschenrecht. So schrieb sie in diesem Sinne Zeitungsartikel, hielt Vorträge und rief 1881 und 1887 die Zeitschriften „Frauenberuf, Monatsschrift für die Interessen der Frauenfrage“ und „Bibliothek der Frauenfrage“ ins Leben. Unermüdlich und kämpferisch reichte sie Petitionen an den Reichstag, an Ministerien etc. ein, um Ihre Forderung nach Mädchengymnasien durchzusetzen. 1888 gründete sie den “Deutschen Frauenverein Reform“, später umbenannt in „Frauenbildungs-Reform“. Sein Ziel war die Errichtung von Mädchengymnasien und die Zulassung der Frauen zum Abitur. 1893 konnte der Verein in Karlsruhe das erste deutsche Mädchengymnasium eröffnen. Doch die Gegnerschaft gegen Mädchenbildung blieb groß. So war zu hören, dass eine Gymnasialbildung bei Mädchen zu schweren körperlichen und geistigen Schädigungen führen würde. Doch der Verein machte unbeirrt weiter. Und so entstanden um 1900 weitere Mädchengymnasien in Berlin, Köln, Breslau, Hannover, Leipzig und Bremen. Die Schulen wurden finanziell fast ausschließlich vom Verein Frauenbildungs-Reform getragen. Doch die Widerstände hielten an. So hieß es 1903 an die Adresse von Frau Kettler gerichtet: „Verehrte Frau Kettler, gehen Sie in Ihr Haus und erziehen Sie Ihre Kinder, wenn Sie welche haben. Das hat Sinn. Aber verschonen Sie die Welt mit Ihren Reformen, Sie blamieren sich fürchterlich damit!” [2]
Aber selbst wenn Mädchengymnasien errichtet wurden, handelte es sich dabei noch lange nicht um „Vollgymnasien“, so wie Hedwig Kettler sie anstrebte. So wollte der Verein z. B. in Hannover ein neunklassiges Gymnasium gründen, aber es wurden nur “gymnasiale Kurse” erlaubt, die lediglich eine Dauer von fünf Jahren hatten.
Wichtig war ihr auch, dass Frauen studieren durften. Sie „verfolgte die Taktik, zunächst nur das Medizinstudium zu fordern, mit dem Argument, dass Frauen weibliche Ärzte bräuchten. War dieses Studienfach einmal genehmigt, so mussten die anderen Fakultäten auch Studentinnen aufnehmen, denn die Behauptung, Frau seien zu dumm zum studieren, wurde in dem Augenblick, in dem eine Frau das Medizinexamen bestand, unhaltbar.
Hedwig Kettler nahm sich vor allem die Nöte der unverheirateten Frau des gebildeten Mittelstandes an. 1891 erschien unter dem Titel Für Frauenglück eine Sammlung scharfsinniger und humorvoller Aufsätze und Vorträge, in der sie sich u. a. mit dem Thema ‚Die Konkurrenz der Frau‘ beschäftigte: ‚Entweder verhindert man die Frau am eigenen Erwerb – dann hat sie Anspruch darauf, erhalten zu werden; oder man entzieht sich der Verpflichtung, sie zu erhalten – dann hat sie Anspruch auf eigenen Erwerb. Ein drittes gibt es logischerweise nicht.‘ Daraus leitete Hedwig Kettler das Recht der unversorgten Frau ab, auf dem freien Markt mit dem Mann zu konkurrieren. Während jedoch dem Mann im Kampf ums Dasein jede Waffe erlaubt sei, würde der Frau‚mit ‚brüderlicher Zärtlichkeit‘ nichts als die Nähnadel in die Hand gedrückt und gesagt: ‚Nun wehr dich tapfer‘. Polemisch schließt die Schrift mit der Frage, warum denn der Mann, der von der weiblichen Inferiorität doch so überzeugt sei, die weibliche Konkurrent dermaßen fürchte.“ [3]
1901 legte Hedwig Kettler den Vorsitz im Verein Frauenbildungs-Reform nieder, weil sie sich nicht voll unterstützt fühlte und zog sich ganz aus dem Kampf um die Mädchenbildung zurück. Fortan war sie bis 1922 noch publizistisch und schriftstellerisch tätig. So veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Gotthard Kurland und war dann noch in Berlin als Lektorin und Redakteurin beim Flemming-Verlag tätig.