Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Ilsabe Bunck

( - gestorben 23. Januar 1702)
Der Fall Ilsabe Bunck, frauenliebende Frau
Lange Mühren, Wallringtunnel, damals: Schweinemarkt


4194 Verbotene Wege Der Liebe Stat1 800
Szenenbild aus dem Szenischen Rundgang "Verbotene Wege der Liebe", v.l. Herma Koehn, Beate Kiupel, Thomas Karallus, Dieter Schmitt
Ausschnitt aus dem Szenischen Rundgang "Verbotene Wege der Liebe" (Sprecherinnen: Rita Bake, Herma Koehn, Beate Kiupel, Thomas Karallus, Dieter Schmitt)


In Höhe des Steintordammes zwischen Wallringtunnel und Lange Mühren befand sich einst der Schweinemarkt. Im Herbst 1701 wurde dort eine kopflose nackte Frauenleiche aufgefunden. Die Tote war die Bauersfrau Margreth Riecken aus Neuengamme, die ihren Mann verlassen und einige Zeit mit Ilsabe Bunck zusammengelebt hatte. Der Mord wurde dem Apothekergesellen Johann Friedrich Jähner, der aus dem Kopf der Leiche angeblich ein medizinisches Getränk brauen wollte, und den Hökerinnen Anna Ilsabe Bunck und deren „Ehefrau“ Maria Cäcilia Jürgens angelastet. Doch bis heute fehlen die Beweise. Man kann deshalb von einem Justizmord sprechen. Die drei Angeklagten „gestanden“ lediglich unter der Folter und wurden am 23. Januar 1702 gerädert und ihre Leichen anschließend verbrannt. Der wahre Anklagegrund war die von Jungfer Heinrich, wie Ilsabe Bunck auch genannt wurde, „begangene“ Sodomie. Bereits als Jugendliche hatte sie Männerkleider angezogen, den Namen Heinrich Lohmann angenommen, in Rotterdam als Knecht gearbeitet und später in der dänischen Armee gedient.
Gleichgeschlechtliche Liebe war nicht immer das Motiv, wenn Frauen eine männliche Identität annahmen. Oftmals zogen Frauen Männerkleidung an, um in Berufen zu arbeiten, die Frauen verschlossen waren. Auch die in Döverden bei Verden geborene Ilsabe Bunck hatte zunächst aus Arbeitslosigkeit die Travestie gewählt. Später heiratete sie in Hamburg Maria Cäcilia Jürgens und lebte zwei Jahre mit ihr zusammen. „Es kam zur Trennung, als Ilsabe Bunck ihre Partnerin verdächtigte, ein Verhältnis mit einem Mann zu haben, und mit heftiger Eifersucht reagierte. Bald darauf heiratete sie ihre zweite Frau, Anna Elisabeth Paust“, [1] heißt es in einem Aufsatz des Historikers Jakob Michelsen. Diese „Profanierung der Ehe und Missbrauch des göttlichen Namens“ und die Tatsache, dass sie mit den Frauen mittels eines künstlichen Gliedes Unzucht betrieben hatte, wurde Ilsabe Bunck schwer angelastet. Denn eine Frau, die nach außen hin sichtbar die ihrem Geschlecht zugewiesenen Grenzen überschritt und als Mann verkleidet eine Frau liebte, wurde der Sodomie bezichtigt. Darunter war der „unnatürliche Gebrauch der Zeugungsglieder, es sey mit Menschen oder Vieh“ zu verstehen. Allerdings war für Juristen nicht immer vorstellbar, dass frauenliebende Frauen miteinander Sexualität praktizierten. „Nach den damaligen männlich geprägten Vorstellungen gehörte zu einem vollendeten sexuellen Akt die Penetration, und die war unter Frauen schwer vorstellbar, es sei denn mit Hilfe eines Dildos oder einer übergroßen Klitoris. Andere sexuelle Handlungen von Frauen wurden meistens entweder nicht als solche angesehen oder man(n) nahm sie zumindest nicht recht ernst“, [1] führte Jakob Michelsen weiter aus. Die noch im 18. Jahrhundert angewandte Constitutio Criminalis Carolina aus dem Jahre 1532 drohte Menschen, die Menschen ihres Geschlechtes liebten, mit dem Feuertod. Im Zuge der Aufklärung gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Todesstrafe für gleichgeschlechtlich liebende Männer und Frauen abgeschafft und „nur“ noch Haftstrafen oder Zwangsarbeiten verhängt. [2]
Text: Rita Bake