Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Liselotte von Rantzau Liselotte von Rantzau, geb. Essberger

(9.10.1918 Kiel - 25.1.1993)
Reederin
Palmaille 45 (Wirkungsstätte Deutsche-Afrika-Linien)
Namensgeberin für: Liselotte-von-Rantzau-Platz
Bestattet auf dem Nienstedtener Friedhof, Nienstedtener Marktplatz 19a, Grablage: Abt. 16 D, Nr. 81a-d


Liselotte von Rantzau-Essberger wurde 1918 in Kiel als Tochter des Korvettenkapitäns John T. Essberger geboren, der der Gründer der gleichnamigen Tankreederei war. In den 1930er- Jahren kaufte er von den Godeffroys die Villa an der Elbchaussee 547.
Seine Tochter Liselotte kam nach dem Abitur 1935 am Heilwig-Realgymnasium in Hamburg und einer einjährigen Ausbildung in der Haushaltsschule in der Heilwigschule in ein Pensionat bei Lausanne, um als Höhere Tochter den letzten Schliff zu bekommen. Bis zu ihrer Heirat im Jahre 1942 arbeitete sie von 1939 bis 1942 als Sekretärin in der Reederei Essberger. Sie heiratete Cuno von Rantzau, ebenfalls aus einer Reederfamilie stammend. Damit waren zwei Reederfamilien verbunden worden.
Liselotte von Rantzau trat in der NS-Zeit nicht der NSDAP bei. Von 1940 bis 1942 war sie Mitglied der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Auch wurde sie Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV).[1]
Die Deutsche Arbeitsfront wurde im Mai 1935 gegründet und war ein rechtlich der NSDAP angeschlossener Verband „mit ca. 23 Mio. Mitgliedern (1938) die größte NS-Massenorganisation. Als Einheitsgebilde ‚aller schaffenden Deutschen‘ konzipiert, schuf ihr Reichsleiter Robert Ley ein vielgliedriges, bürokratisch aufgeblähtes Organisationsimperium, mit dem er nahezu alle Felder der nat.soz. Wirtschafts- und Sozialpolitik einzudringen trachtete. Entscheidender Einfluß auf materielle Belange in diesem Bereich blieb der DAF jedoch verwehrt, vielmehr musste sie sich auf die allgemeine Betreuung und weltanschauliche Schulung ihrer Mitglieder beschränken .“[2]
Die NSV war mit „17 Mio. Mitgliedern (1943) nach der Dt. Arbeitsfront die größte (…)NS-Massenorganisation.(…) Ihren Anspruch auf Monopolisierung der gesamten freien und öffentlichen Wohlfahrt konnte die N. zwar nicht realisieren, doch gelang es ihr, die in der freien Wohlfahrtspflege tätigen Verbände zurückzudrängen bzw. gleichzuschalten (…). Angesichts der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel (Mitgliedsbeiträge, Spenden, staatliche Zuwendungen) war es ihr n möglich, in alle Bereiche der Wohlfahrt zu expandieren (…). Aufgrund ihrer scheinbaren Ideologieferne war die Arbeit der N. populär und die Mitgliedschaft erschien auch für diejenigen, die dem Regime eher zögernd oder kritisch gegenüberstanden, aber aus Opportunitätsgründen in eine Parteiorganisation eintreten wollten, akzeptabel. Tatsächlich war die Arbeit der N. von rasse- und erbbiologischen Selektionskriterien bestimmt (…).“[3]
Nach dem Tod ihres Vaters im Jahre 1959 übernahm Liselotte von Rantzau das Kommando über die Doppelreederei: Deutsche Afrika-Linien/Tankreederei John T. Essberger. Zuvor hatte sie schon zu Lebzeiten ihres Vaters bei ihm die Geschäfte erlernt. „‚Inspiration für diese Arbeit war mein Vater‘. Beim ihm lernte sie von der Pieke auf das Reedereigeschäft kennen. Erst als Lehrling, später als seine Sekretärin und ständige Begleiterin. Seine Arbeitshaltung, sein zielbewusster Einsatz für das Familienunternehmen und für Afrika waren (…) für Frau von Rantzau Vorbild und Verpflichtung zugleich.“[4] 1989 stand „sie einer Flotte von 456 Schiffen vor. Die Reedereigruppe beschäftigte [damals] rund 360 Mitarbeiter an Land und 920 Leute auf See. ‚Die Seeleute sagten am Anfang, sie würden mich nicht akzeptieren …, aber sie taten es dann doch.‘
Von starkem Willen geprägt, platzte Liselotte von Rantzau mit Energie und Durchsetzungsvermögen in traditionell männliche Stammplätze hinein. (…)“ [4]
Sie galt „als hervorragende Afrika-Kennerin, und alle Bundesregierungen suchten ihren Rat und ihre Hilfe als Vermittlerin und Botschafterin (…).“[4]
Liselotte von Rantzau war vom Zeitpunkt der Gründung 1971 bis zu ihrem Tode Vorsitzende der Afrika-Stiftung, gleichzeitig Stellvertretende Vorsitzende des 1934 gegründeten Afrika-Vereins und dessen Vorsitzende von 1988 bis 1990 sowie im Vorstand des Afrika-Kollegiums und Mitglied in mehreren deutsch-afrikanischen Gesellschaften. „Ein Drittel ihrer Arbeitszeit verbrachte sie auf Reisen. Niederlassungen wollten besucht, Geschäftsbeziehungen aufrechterhalten werden.
Neue technische Entwicklungen und den Fortschritt im Geist der Zeit begriff sie als Chance. Und so war sie die erste, die auf den Schiffen das Satelliten-Navigationssystem einführte und den Afrika-Terminal als modernsten seiner Zeit erbauen ließ.“[4]
Die Aktivitäten des Afrika-Vereins und der Deutschen Afrika-Linie in den 1980er-Jahren werden von postkolonialen Initiativen kritisch gesehen. So schreibt Heiko Möhle: „Obwohl sich der Hamburger Senat in den achtziger Jahren wiederholt für Boykott und Sanktionen gegenüber Südafrika [wegen dessen Apartheid-Politik] aussprach, setzte der Hafen seine Entwicklung zum ‚Tor zu Südafrika‘ fort. Ein Großteil des Handels wurde weiter mit den Schiffen der Deutschen Afrika-Linie abgewickelt, deren Vorsitzende Liselotte Rantzau-Essberger in den achtziger Jahren den Vorsitz des Afrika-Vereins übernahm. Ihre Schiffe transportierten nicht nur Äpfel und Orangen, sondern auch Uran aus Namibia, das von Südafrika wie eine Kolonie verwaltet wurde. Der Abbau in der ‚Rössing-Mine‘, der größten Uranmine der Welt, führte zu schwersten gesundheitlichen Schädigungen der Minenarbeiter und Umweltzerstörungen im Abbaugebiet.“[5]
„Anerkennungsprobleme hatte [Liselotte von Rantzau-Essberger] nur am Anfang bei der Übernahme der Reederei. (…) Ihre Kenntnisse, ihre sachlich-bestimmte Art, Verhandlungen zu führen, und ihr zielbewusstes Voranschreiten ließen das männliche Gemurmel auf Konferenzen und in den Vorständen der vielen Gremien, in denen sie tätig war, bald verstummen.“[4]
Liselotte von Rantzau war z. B. auch Mitglied der internationalen Versicherungsorganisation Lloyd’s of London, stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Nord-Deutschen Versicherungs-Aktiengesellschaft, Mitglied des Aufsichtsrats der Hamburgischen Landesbank, Mitglied des Präsidiums des Verbandes Deutscher Reeder.
“Ihre drei Söhne, geboren 1943, 1944 und 1948, erzog sie allein, denn die Ehe wurde [1957] geschieden. Während ihrer zehnjährigen ‚Familienphase‘ war sie nur zeitweise im Reedereigeschäft tätig. (…)“.[4]
In ihrer Freizeit sammelte Liselotte von Rantzau Nilpferd-Plastiken.

4209 Grab Liselotte Rantzau
Grab Liselotte von Rantzau, Quelle: kulturkarte.de/schirmer

Liselotte von Rantzau war auch Mäzenatin. So baute sie u. a. die Hamburger Musikfeste mit auf und mitbegründete 1985 den Förderkreis der Philharmonie, förderte die Ziele der Stiftung Hamburgische Kunstsammlungen, deren langjährige Vorsitzende sie war, und engagierte sich in der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Dresden.
Liselotte von Rantzau erhielt das Große Bundesverdienstkreuz; den Order of Good Hope des Verdienstordens der Republik Südafrika; den Ordre du Mono des Verdienstordens der Republik Togo und noch andere Auszeichnungen.