Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Anna Bardi Anna Bardi (geb. Annegret Heimann)

(16.10.1938 Georgsmarienhütte, Landkreis Osnabrück – 19.2.2012 Hamburg) Innenarchitektin, Journalistin, Multimedia-Künstlerin
Am Weiher 19 (Wohnadresse und Atelier)
Bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756


Bis 1956 besuchte Anna Bardi die Oberschule des Ursulinenklosters in Osnabrück. Nach dem Abitur und einer klassischen Ballett-Ausbildung debütierte sie am dortigen Staattheater in „Peter und der Wolf“. Als Praktikantin in einer Tischlerei eröffnete sich ihr eine weitere berufliche Laufbahn. Nach dem Studium der Innenarchitektur in Münster arbeitete sie einige Jahre in diesem Beruf. Zuerst in Münster, ab 1965 in Hamburg, wo sie auch als freie Journalistin für renommierte Frauen- und Wohnzeitschriften schrieb. 1972 schloss sich ein Studium der Malerei an der HfBK an. Seit ihrer Heirat mit dem ungarischen Journalisten Janos Bardi widmete sich Anna Bardi der Bildhauerei, schuf Skulpturen, große Installationen und Objekte. Sie illustrierte auch Kinderbücher und gründete später den kleinen Verlag „Jeudi“.
„Anna war in vieler Hinsicht singulär. Zunächst hatte sie Schreinerei und klassisches Ballett gelernt, dann Innenarchitektur und Kunst studiert, schließlich malte sie, verfertigte seltsam elegante Lampen und Kunstobjekte aus Industrieschrott und altem Holz, drehte Videos und schrieb literarische Texte", so fasste es der Schriftsteller-Kollege Uwe Friesel in seinen Nachruf zusammen. Er führt uns zurück in Werden und Welt einer kapriziös-tiefgründigen Künstlerin: „(...) Zwischen 1990 und 2005 hast du vierzehn ganz unterschiedliche Arbeiten zum Thema ‚Herzkammer‘ geschaffen. Sie reichen von dem Foto einer ägyptischen Oase über das Erinnerungsbuch an deinen Mann Janos bis hin zu meterhohen Konstruktionen und Installationen.
Sogar noch in der Aufzählung kann man die Spannweite deiner Themen und den inneren Bezug zu den Materialien erkennen. Die Herzkammer 2 beschreibst du so: ‚Nur ein Flügelschlag, Installation, Holz / Feder / Hanf / Teer / Botschaften auf Papier, 130 x 200 x 330 cm, St. Jacobi, Hamburg 1993‘. Die Herzkammer 9, ausgestellt im Stadtmuseum von Wetzlar im Jahre 1999, bezieht sich auf Goethes Werther und trägt den Titel ‚Mein armes Herz’. Die sachliche Objekt-Beschreibung lautet: ‚Installation Eisen, Holz, Hanf, Teer 55 x 55 x 220 cm.‘
(...) Im Frühjahr 2007 fuhren wir gemeinsam nach St. Petersburg, um auf Lesungen an der Uni und in einem Gymnasium zum Gelingen der fünfzigjährigen Partnerschaft zwischen den beiden Hafenstädten beizutragen. (...) Mit deiner multimedialen Ausstellung im Petersburger Museum für Skulptur und Denkmal wie auch in dem angrenzenden Künstlerfriedhof ‚Nekropole masterov iskusstv‘ vollbrachtest du ein kleines Wunder der Völkerverständigung. Auch diesmal ging es dir um die komplexe Beziehung von Zeit und Vergänglichkeit. Die schimmelfarbigen Oxydationsbilder an den Wänden, die, wie Thomas Sello anmerkte, sich im Prozess ihrer Entstehung gleichzeitig zerstören und neu schaffen, waren mit ihren Stockflecken und Rostinseln selbst Zeit und Vergänglichkeit.
(...) In deiner Wohnung war ich immer verzaubert von den Gegensätzen. Ein Arbeitstisch mit Beinen aus Panzergranaten-Hülsen im Atelier, ein Biedermeiertisch samt Sofa in der Küche, die aber in Wahrheit das Wohnzimmer war. Eine endlose Reihe von hochhackigen Schuhen auf dem Sims eines Schranks, allenfalls mit einer Leiter erreichbar, wo andere Leute ihr Schuhwerk in niedrige Regale verstecken. [1]
Nach langem Kampf gegen eine Krebserkrankung starb Anna Bardi in Hamburg. Da stand ihr ‚Künstlercafé‘ bereits seit einigen Monaten auf dem Ohlsdorfer Friedhof; ein Gewächshaus aus Plexiglas mit allerlei literarischen Texten bedruckt. Innen ein Tisch mit zwei leeren Stühlen. Ihre Premiere hatte die Installation – wie von Uwe Friesel beschrieben – zur Feier der 50-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und St. Petersburg im Jahre 2007 auf dem berühmten Friedhof Alexander Neski Kloster, zu Füßen des Grabmahls für Dostojewski gehabt. Aus dessen Romanen stammten die Zitate auf Deutsch und Russisch, z.B. „Heut ist alles wieder da: Trauer und Trübsal und Langeweile“. Oder: „Natürlich gehe ich auch jetzt nicht in ein Paradies. Aber was soll ich tun?“. [2] Später war das Café für zwei Monate zu Gast auf dem Blankeneser Friedhof. Das Gewächshaus war verschlossen. Aber ein Briefschlitz in der Tür forderte dazu auf, Botschaften einzuwerfen. Am 1. März 2012 wurde Anna Bardis Begräbnis „begangen in heiterer Feierlichkeit – mit einem bunt bemalten Sarg, 500 Knicklichtern „die Sterne besuchen die toten Künstler“ und dem Video „Das Gespräch unter den Wurzeln“. [3] Eine große bunte Trauergemeinde nahm teil.
Den Nachlass von Anna Bardi verwaltet das „Forum für Künstlernachlässe e.V.“, Künstlerhaus Sootbörn in Hamburg (Kuenstlernachlaesse.de). Im November 2014 sind dort in einer Retrospektive Werke der Künstlerin zu sehen.
Text: Dr. Cornelia Göksu