Margarethe Schimank Dr. Margarethe (Louise Dorothea) Schimank, geb. Jahn
(10.5.1890 Dahme/Mark Brandenburg, Landkr. Teltow-Fläming – 9.3.1983 Hamburg)
Chemikerin, Wissenschaftlerin, Pädagogin; eine der Pionierinnen der Frauenstudien in Berlin
(Margarete, Margret; in der Familie Grete und später „Pony“ genannt)
Berliner Tor 21 (Wirkungsstätte, ehem. Technische Staatslehranstalten, später FH, heute HAW)
Harvestehuder Weg 105 (Wirkungsstätte, ehemals private Augusta-Schule)
Mühlendamm 12 (erste gemeinsame Wohnung des Ehepaars Dres. phil. Schimank seit 1920)
Im Grünen Grunde 5, Fuhlsbüttel (Wohnanschrift seit 1930)
Bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756, Grab: BI 57, 1063-64
Die Tochter des Ziegeleibesitzers Johann Gottfried Jahn (1858-1921) und seiner Ehefrau Marie Agnes Bertha, geb. Jacob (1860-1896) wurde wie ihre Schwester von den Eltern freizügig gefördert. Nach dem Besuch der Höheren Mädchenschule in Dahme und Erfurt erhielt sie eine Ausbildung am Lehrerinnenseminsar zu Erfurt und sammelt in diesem Beruf auch in Belgien, Schottland und Leeds/England selbstständige Erfahrungen. Erst im März 1914 war die Reifeprüfung als Externe an der Realschule für Knaben in Magdeburg möglich.
Nach ihrer Heirat zog das Paar nach Hamburg. Margarethe Schimank hielt von 1920 bis 1922 Vorlesungen zur Chemie an den Technischen Lehranstalten am Berliner Tor, wo auch ihr Mann, der Physiker und Wissenschaftshistoriker Dr. phil. Hans Schimank lehrte. Danach unterrichtete sie bis zur Geburt ihrer ersten Tochter 1928 als Lehrerin an der Augusta-Privatschule am Harvestehuder Weg die Fächer Mathematik, Physik und Chemie und wirkte in Vorträgen und Rundfunksendungen, u.a. zur Chemie im Haushalt. Margarethe Schimank gehörte damit zu den ersten Frauen in den Naturwissenschaften – 1920 wurde sie in an der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin mit einer Arbeit über Schwefelbarium zum Dr. phil. promoviert. Anlässlich ihres 100. Geburtstages veranstalteten die Hans-Schimank-Gedächtnis-Stiftung und das Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik der Universität Hamburg 1990 eine Tagung, deren Vorträge als Buch erschienen sind. Darin schildert Elisabeth Michaelis eindrucksvoll die historischen Voraussetzungen und Bedingungen des Chemiestudiums von Margarethe Jahn (zitiert nach der Rezension des Jubiläumsbandes in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 78, 1992, S. 375 f.). Da der Rückblick ihrer Nichte Agnes Rook auf ihre persönlichen Erinnerungen an Margarethe Schimank die ungewöhnlichen Entfaltungsbedingungen, das Zeit- und Gesellschaftstypische ihres Werdegangs anschaulich schildern, sei im Folgenden ausführlich daraus zitiert:
„(...) Als ich (meine Tante Margarethe Schimank) 1982, einige Monate vor ihrem Tod, besuchte, hatte ich sie seit April 1939 nicht mehr gesehen. Noch immer konnte ich erkennen, welch strahlende Persönlichkeit sie gewesen war. Schon als Teenager faszinierte sie mich durch ihre besondere Ausstrahlung. Sie hatte einen außergewöhnlich einnehmenden Charme, war unglaublich lebendig und impulsiv. Ihre Augen funkelten. Ihr schwarzes Haar trug sie in einer Ponyfrisur. Sie kleidete sich sehr originell in eigenwillig zusammengestellten Farbtönen: orange und grün. Die vielen Armbänder klimperten unaufhörlich, wenn sie, die lange schwarze Zigarettenspitze zwischen den Fingern haltend, ihre Worte durch lebhafte Handbewegungen unterstrich. Wen immer sie mit ihrem strahlenden Lächeln becircte, fühlte sich als Mittelpunkt der Gesellschaft. So sehr mir bewußt war, daß mein Onkel ein anerkannter Gelehrter war, so dachte ich nur selten daran, daß auch meine Tante eine Wissenschaftlerin war. Die einzige Gelegenheit, bei der ich deutlich zu spüren bekam, daß meine Tante Chemie studiert und unterrichtet hatte, war, als es ihr gelang, bei mir ein zuvor nicht vorhandenes (... ) echtes Interesse an diesen Fächern zu wecken und sie mit praktischen Alltagsfragen in Verbindung zu bringen. Abgesehen von dieser einen Gelegenheit und den Rundfunkvorträgen über Hauswirtschaft lebte sie für mich völlig in der Welt der Künstler. Durch meinen Vater Louis Hamilton (1879-1948), der einen großen Bekannten- und Freundeskreis von Künstlern hatte – vorwiegend Schauspieler, Maler und Schriftsteller – fand sie Zugang zur Film- und Theaterwelt. Ich nehme an, daß ihr Interesse am Schreiben von Drehbüchern auf diese Zeit vor ihrer Ehe zurückgeht, als die drei Schwestern in einer gemeinsamen Wohnung in Berlin wohnten.
Ernsthaft begann sie mit der Schriftstellerei erst nach 1920, nach ihrer Heirat. Ihre Anteilnahme an der Frauenbewegung hielt ich für selbstverständlich, da sie die Schwester meiner Mutter – einer begeisterten Frauenrechtlerin – war. Erst sehr viel später erfuhr ich, daß sie während ihres Aufenthalts in England (1911) als Lehrerin an der Prestwich House School for Girls in Leeds an einer Demonstration teilgenommen hatte, die die berühmte Suffragette Emmeline Pankhurst (1858-1928) zur Durchsetzung des Wahlrechts für Frauen organisiert hatte – ein wahrhaft historisches Ereignis, als sich einige der Frauen an das Geländer des House of Commons in London anketteten.
Glücklicherweise hatten meine Mutter und meine Tante einen sehr liberalen und für die damaligen Zeiten fortschrittlich eingestellten Vater Gottfried Jahn (1858-1921) und eine ebenso aufgeschlossene und kultivierte Stiefmutter Tony Jahn geb. Beuschel, die Erzieherin am Hof von Coburg gewesen war.
(....) Meine Mutter Johanna (1886-1956) und Margarethe (1890-1983), die Jüngste, äußerten schon früh den Wunsch auf eine akademische Ausbildung. Die mittlere Schwester, Hermine (1888-1967), strebte eine kunsthandwerkliche Ausbildung an und unterrichtete zeitweilig am Bauhaus in Weimar. (...)
Zu der Zeit, als meine Tante ihr Abschlußexamen in Chemie bei Professor Fritz Ullmann (1875-1939) ablegte, traf sie ihren zukünftigen Mann. Familienumstände bedingten, daß sie erst 1920 heiraten konnten, kurz nach der Eheschließung meiner Eltern. Das Hausfrauendasein hat meiner Tante nie gelegen. Bald nachdem sich das junge Paar am Mühlendamm 12 in Hamburg eingerichtet hatte, guckte sie sich nach Arbeit um und begann Vorlesungen und Vorträge über ihr Fachgebiet zu halten und ernsthaft Drehbücher zu schreiben.
(...) Die Besuche (in ihrer letzten Wohnung ab 1930) in Fuhlsbüttel sind mir stets in glücklicher Erinnerung geblieben. Wir unternahmen damals nicht nur vergnügliche Einkaufstouren, sondern ich wurde auch mit den Werken des Komponisten Kurt Weill (1900-1950) bekanntgemacht und traf unter ihren Künstlerfreunden den berühmten Schauspieler Gustav Gründgens (1899-1963), womit ich dann zu Hause bei meinen Klassenkameradinnen angeben konnte. (...) Der Verlust ihrer beiden Töchter Sonja (1928-1929) und Margitta (1930-1954) – insbesondere derjenige Margittas – traf sie schwer; sie erholte sich davon nicht mehr und hatte Freude und Unternehmungsgeist für immer verloren.
Wenn ich heute als Erwachsener versuche, ihre Persönlichkeit zu charakterisieren, würde ich sagen, daß meine Tante, ausgestattet mit feurigem Temperament, das Leben und die Kunst über alles liebte. Ihre Wärme, ihr Enthusiasmus, ihre Großzügigkeit und Humor waren eine ständige Quelle der Freude und Inspiration für ihre Familie, ihre Freunde und Bewunderer. In ihr vereinte sich ein Talent für die Schriftstellerei, wie es durch ihre Filmskripte bezeugt ist, mit einer Begabung für die Wissenschaft. Wodurch die letztere geweckt wurde, kann ich nicht sagen, ist sie mir doch nicht als Wissenschaftlerin in Erinnerung, sondern als eine in der Welt der Kunst sich bewegende Persönlichkeit“ (Ende Zitate von Agnes Rook).
In der NS-Zeit trat Margarete Schimank - im Gegensatz zu ihrem Ehemann - nicht der NSDAP bei. Sie war von 1939 bis 1945 Mitglied des Deutschen Frauenwerkes und von 1937 bis 1945 im Reichsluftschutzbund. (Staatsarchiv Hamburg 221-11 Misc 1471)
Diese Kurzbiografie hat Dr. Cornelia Göksu eingerichtet.