Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Ingeburg Herz Ingeburg Herz, geb. König

(23.2.1920 Hamburg – 30.9.2015 Hamburg)
Unternehmerin, Stifterin
Adressen:
Bellevue (Villa und Wohnsitz)
Hoheluftchaussee (erste Kaffeerösterei, Keimzelle von Tchibo)
Überseering 18 (Firmenzentrale Tchibo, jetzt Maxinvest AG)
Friedhof Ohlsdorf, Fuhlsbüttler Straße 756 (Grab: AE 14, 141-158)


Die in Hamburg lebende Ingeburg König heiratete 1939. In ihrem Nachruf „Trauer um Tchibo-Mitbegründerin Ingeburg Herz“, schilderte die Wirtschaftsredakteurin Daniela Stürmlinger eine der letzten großen Damen der Nachkriegsära und Gattin eines Großunternehmers:
„Oft sah man sie an der Straße Bellevue spazieren gehen, perfekt geschminkt mit toupiertem, weiß-blondem Haar. Oder auf dem Derby, mit prachtvollem Hut bestückt und in Gesellschaft ihrer Söhne. Jetzt ist mit Ingeburg Herz eine der großen alten Damen der Hamburger Wirtschaft im Kreise ihrer Kinder gestorben.
Gemeinsam mit ihrem Mann Max hatte sie schon 1949 den Kaffeeröster Tchibo gegründet. Die Abkürzung „Tchibo“ setzte sich aus den Eigennamen der Unternehmensgründer Max Herz und Carl Tchilling-Hyrian; aus Tchilling und Bohne wurde „Tchibo“. In einem Kontor mit löcherigem Dach in Hamburger Freihafen startete er den Erfolg des ersten Bohnenkaffees in der noch jungen Bundesrepublik und nannte ihn „Frisch-Röst-Kaffee Sorte Brasil A“. Innerhalb weniger Wochen war er ausverkauft. Denn erst 1947, zwei Jahre nach Kriegsende, wurde wieder Rohkaffee in die westdeutschen Besatzungszonen importiert. Der gelernte Kaffeehändler Max Herz gehörte zu denen mit Beziehungen; nach der Weltwirtschaftskrise hatte er die Firma seines Vaters Walter Herz wieder hergestellt, seine Geschäftsbeziehungen zu Produzenten in Südamerika ließen sich aktivieren, denn wer jetzt Zugang zur War hatte, konnte ein Vermögen machen (Henryk Hielscher, Wirtschaftswoche v. 23.4.2009).
Gemeinsam legte das Ehepaar Herz „den Grundstein für Tchibo in einem Anbau der Kaffeerösterei in der Hoheluftchaussee“ (NDR.de). Um den flächendeckenden Transport durch die zerstörte Republik aufzubauen, beschlossen Herz und Tchilling, ihren Kaffee auf Bestellung per Post zu versenden. Obwohl die Nachfrage das Angebot weit überstieg, versandte das Unternehmen zum Weihnachtsfest 1949 die Festtagsmischung in speziellen Schmuckdosen, „die für die Kaffee kochenden Hausfrauen in ihren tristen Nachkriegswohnungen wirkten wie ein doppelter Espresso“ und über Jahrzehnte die Sammelleidenschaft weckten.
Am Anfang hatte auch Ingeburg Herz richtig mit anpacken müssen. In den 1950er-Jahren „verschickte Tchibo seinen Kaffee mit kleinen Beigaben wie Handtüchern oder Servietten an Kunden in ganz Deutschland. Das Geschäft florierte. ‚Die Kaffeepäckchen flogen nur so über den Tresen’, erzählte Ingeburg Herz früher gern im Bekanntenkreis. ‚Wir machten alles im Laufschritt, holten neue Ware aus der Rösterei’. (...) Auf der Suche nach neuen Tchibo-Standorten unterstützte sie ihren Mann sehr. ‚An jedem Ort, in dem Menschen leben, muss es Tchibo-Läden geben’, war ihr Motto. Gemeinsam mit dem Ehemann fuhr sie 1957 durchs Land. Nur die besten Lagen kamen infrage. Das Leben in den goldenen Zeiten des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg wurde für die Unternehmergattin 1965 jäh unterbrochen, als ihr Mann mit 59 Jahren an einem Herzinfarkt starb. Plötzlich stand sie allein da mit den Kindern; das Unternehmen hatte keinen Chef mehr.
Der jüngste Sohn Günter sprang ein, übernahm mit nur 25 Jahren das Ruder in dem wachsenden Konzern. Sein Bruder Michael wurde Vertriebschef. Doch zum Verdruss der Mutter harmonierte das Duo an der Spitze nicht. Günter und Michael, dem unter anderem die Kette Blume 2000 gehört, gingen getrennte Wege, als Günter seinen Hut nahm. Im Jahr 2003 verkauften er und seine Schwester Daniela ihre Anteile an Tchibo für rund vier Milliarden Euro an die Brüder.
Ein weiterer Schlag für die ansonsten vom Leben verwöhnte Unternehmerin kam im Sommer 2008. Sie musste ihren Sohn Joachim beerdigen, der in den USA bei einem Badeunfall ums Leben gekommen war. Joachim Herz vermachte eine Milliarde Euro seines Vermögens der extra gegründeten Joachim-Herz-Stiftung in Hamburg zur Förderung der Wissenschaft“ (zitiert nach Daniela Stürmlinger: Trauer um Tchibo-Mitbegründerin Ingeburg Herz. In: Hamburger Abendblatt v. 7.10.2015).
Bis zuletzt hielt die grazile Unternehmerin über die Ingeburg- und Max-Herz-Stiftung noch gut 20 Prozent an der Familienholding Maxingvest, zu der der Kaffeeröster Tchibo gehört sowie eine Mehrheitsbeteiligung am Nivea-Hersteller Beiersdorf.
Dr. Cornelia Göksu