Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Ursula Borchert

(13.7.1923 - 22.10.2007)

  1. Vorsitzende des Bürger- und Heimatvereins Stellingen von 1882 e. V.
    Basselweg 32 (Wohnadresse)
    Namensgeberin für: Borchertstraße (Stellingen, seit 2017)

Über Ursula Borchert verfasste Heinrich Schürmann folgende Vita:
Unser Bürgerverein in Stellingen und seine Vorsitzende Ursula Borchert wurden während der vergangenen 28 Jahre immer in einem Atemzug genannt. Der Bürgerverein - das war Ursula Borchert. Und was sie für den Bürgerverein war, war der Bürgerverein auch für sie, es war „ihr“ Bürgerverein. So kennen unsere Mitglieder sie auch zumeist nur in dieser Funktion, die für sie immer mehr zu einer Lebensaufgabe geworden war.
„Hatte sie denn gar kein Privatleben?“ fragte sich da wohl mancher. Wer Ursula Borchert etwas näher kannte, wusste natürlich, dass dem nicht so war. Vor allem kümmerte sie sich bis zu deren Tod 1989 um ihre Mutter, mit der sie am Basselweg 32 zusammenlebte. Doch auch die Verbindung zur Tochter Imke, dem Schwiegersohn, den beiden Enkelkindern und später deren Angetrauten war sehr eng und wurde durch gegenseitige Besuche und gemeinsame Unternehmungen - bis nach Amerika - intensiv gepflegt.
Obwohl Ursula Borchert, geborene Oppermann, am 23.7.1923 in Stellingen geboren wurde und bis zu ihrem Tod am 22.10.2007 in Stellingen wohnte, hat sie doch nach dem Motto: ‚Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen’ sehr viele Reisen innerhalb Deutschlands und ins benachbarte Ausland unternommen, besonders oft als ‚Reisemarschallin’ des Bürgervereins, und dabei auch viele nette Menschen kennengelernt, mit denen sie teilweise bis ans Lebensende freundschaftlich verbunden blieb.
Die allerlängste enge Freundschaft aber verband sie mit unserem Mitglied Ruth Zimmermann, geborene Petersen, denn sie begann bereits in allerfrühester Kindheit in der Kieler Straße, wo die Familien Oppermann und Petersen die benachbarten Häuser Nr.340 und Nr.342 bewohnten.
Vater Oppermann war zunächst bei C. Schönfeldt’s Buchdruckerei in der Gutenbergstraße (seinerzeit Herausgeber des LOKAL-ANZEIGERs für Stellingen-Langenfelde, Eidelstedt, Lokstedt, Niendorf und Schnelsen) und später in leitender Stellung bei Broschek & Co. (Hamburger Fremdenblatt) an den Großen Bleichen tätig.
Die beiden gleichaltrigen Mädchen verlebten eine glückliche Kindheit und gemeinsame Schulzeit, wie sich Ruth Zimmermann erinnert. Es wurde gemeinsam ab 1930 die Schule in der Jugendstraße besucht und zusammen zum Turnen gegangen (für das Turnen brachte Ursula allerdings kein dauerhaftes Interesse auf). Aus dieser Zeit stammt folgende kleine Anekdote, die zwei Charaktereigenschaften von Ursula Borchert beleuchtet: Ein unbestechliches Gerechtigkeitsempfinden und eine gewisse schalkhafte Schadenfreude, wenn jemand sich hervortun wollte und dabei scheiterte:
Freundin Ruth wollte Ursula ihre sportliche Überlegenheit zeigen, in dem sie aus dem Stand über eine beim Haus stehende Mülltonne hüpfte. Der Sprung gelang ihr zwar, aber ihr Kleid hatte sich an der Tonne verfangen und einen langen Riss davongetragen. Ergebnis Schelte der Mutter und Stubenarrest. Als die eingesperrte Turnerin aus dem Fenster ihres Kinderzimmers der draußen stehenden Freundin Ursula zuwinkte, um ihr Mitleid zu erhaschen, rief ihr diese mit berechtigtem Grinsen und entsprechenden Handbewegungen „Ätsch“ zu. Das war in Ursulas Augen eben die gerechte Strafe für Angeberei.
1933 zog die Familie Oppermann um in eine komfortablere Wohnung in der Hagenbeckallee, doch tat das der Freundschaft der beiden bisherigen Nachbarskinder keinerlei Abbruch, auch nicht, als sich
1934 beider Schulwege trennten und Ursula Borchert in das Gymnasium Allee in Altona (heute Max-Brauer-Allee) wechselte, das sie 1940 mit der ‚mittleren Reife’ verließ.
Schon 1943 - also mit gerade 20 Jahren und mitten im Krieg - heirate Ursula Borchert und bekam 1944 ihre Tochter Imke. Leider wurde die Ehe, wohl auch als Folge der Kriegsereignisse, bereits fünf Jahre später wieder geschieden. Die junge Mutter hat danach auch nie mehr den Schritt in eine neue eheliche Verbindung getan. Sie widmete sich ganz ihrer kleinen Tochter und zog 1952 dann mit ihren Eltern in das neuerbaute Haus am Basselweg 32 (das auf dem Grundstück eines 1943 zerbombten Hauses errichtet worden war). Dort war sie zeitweilig im Baugeschäft ihres (viel älteren) Bruders tätig, danach dann einige Zeit beim Hamburger Adressbuch-Verlag. Ab Oktober 1961 arbeitete sie beim Fernmeldeamt 1 in der Schlüterstraße, wo ihr gutes Zahlengedächtnis von Vorteil war. Sie blieb dort bis zum 30.9.1966 und wechselte dann zu einer Tochtergesellschaft des Haarwaschmittel-Herstellers Schwarzkopf, wo sie sich schließlich zur Chefsekretärin hochdiente. Obgleich ihr die Arbeit in dieser Vertrauensstellung sehr gefiel, ging sie 1984 vorzeitig in Rente, denn sie wollte sich - nach dem Tod ihres Vaters - ganz der Pflege ihrer betagten Mutter widmen. Außerdem hatte sie nun auch mehr Zeit für ihr eigentliches Hobby - den Bürgerverein, in dem sie als bewusste Stellingerin bereits seit 1953 Mitglied war und den sie seit 1979 als Erste Vorsitzende leitete. Ihr besonderes Anliegen war dabei, unseren Vereinsmitgliedern die Liebe zu unserer schönen deutschen Heimat und auch des umliegenden Auslands zu vermitteln. Die Organisation und Durchführung dieser Reisen nahm sie mit größter Sorgfalt, Umsicht und persönlicher Zuwendung für jeden Mitreisenden vor. Viele Mitglieder erinnern sich gern daran. Zuverlässigkeit und natürlicher Sinn für das Machbare und Praktische in all ihrer Arbeit für unseren Bürgerverein zeichneten sie ebenso aus wie eine zupackende nimmermüde Energie und Freude an den Aufgaben, die sie sich gestellt hatte. Und sie konnte auch andere damit anstecken und zur aktiven Mitarbeit anspornen.
Eine tatkräftige Nachbarin und enge Freundin fand Ursula Borchert ab 1983 in dem im gegenüberliegenden Haus am Basselweg wohnenden Bürgervereinsmitglied Ellen Kranert. Beide harmonierten in idealer Weise und halfen sich gegenseitig, wann immer nötig - sei es bei der gemeinsamen Arbeit für den Bürgerverein oder bei der gegenseitigen Beaufsichtigung der Wohnungen oder des kranertschen Hundes.
Aufmerksamkeit ihren Freunden, Vereinsmitgliedern (viele waren beides in einer Person) und überhaupt ihren Mitmenschen gegenüber war ein besonderer Wesenszug von Ursula Borchert, der ihr viele Sympathien eintrug. Und so bekannte sie in ihrer allerletzten Lebensphase denn auch:
„Ich hatte ein schönes Leben“.

Text: Heiner Schürmann, Schriftführer des Bürger- und Heimatvereins Stellingen von 1882 e. V. Der Text erschien erstmals in der Vereinszeitung „Das Blatt Stellingen Langenfelde“ Ausgabe 1/2008 März-Mai des Bürger- und Heimatvereins Stellingen