Hedwig Florey Hedwig Florey, geb. Hedwig Elsner
(24.8.1943 Oldenbüttel/Eiderstedt - 27.8.1999 Hamburg)
Pianistin; Professorin für Musiktheorie an der Hochschule für Musik und Theater HfMT Hamburg, Mitglied im Ensemble Hinz & Kunst, Mitbegründerin „Hamburger Sängerhaufen“
Tannenhof 137, Hamburg-Lehmsahl (Wohnadresse)
Harvestehuder Weg 12, Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Volksdorfer Damm 261, Friedhof 22395 Hamburg Bergstedt (Grabstelle)
Hedwig Florey war die Tochter von Dr. Kurt Elsner, Rechtsanwalt in Flensburg, der 1944 an einer chronischen Erkrankung verstarb. Ihre Mutter Tine Elsner, geb. Hansen-Nootbaar, war Physiotherapeutin. „Hedwig kam als fünftes Kind zur Welt, und es war – unter den erschwerten Bedingungen der Nachkriegszeit – eine harte Herausforderung für die allein erziehende Mutter, allen Kindern eine ihrer jeweiligen Begabung entsprechende Förderung zuteil werden zu lassen. Die musische Erziehung ihrer Kinder war der Mutter eine Herzensangelegenheit. Weil Hedwig von früher Jugend an eine besondere musikalische Begabung gezeigt hat, wurde das durch instrumentalen Musikunterricht gefördert. Neben ihrer Schulausbildung hatte sie nicht nur Klavierunterricht, sondern lernte Querflöte bei einem Musiker des Flensburger Orchesters. Außerdem war sie eine ebenso begeisterte wie engagierte Chorsängerin. Nach dem Abitur entschied sie sich zwar für ein Klavierstudium, vernachlässigte aber ihr Flötenspiel nicht, sondern nutzte ihre Kenntnisse zum kammermusikalischen Musizieren.“ [1]
An der Hamburger Musikhochschule studierte sie Klavier bei Frau Prof. Eliza Hansen und Musiktheorie bei Prof. Werner Krützfeldt. Beide Fächer schloss sie 1968 und 1970 mit einem Diplom ab. 1973 begann sie ihre Tätigkeit an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, zunächst in dem Fach Klavierimprovisation, später als Teilprofessorin für Musiktheorie. Ein Jahr später verlieh ihr der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg die akademische Bezeichnung "Professor".
1970-1982 war sie Mitglied der Hamburger Musikgruppe "Hinz und Kunst" und 1978 gründete sie den "Hamburger Sängerhaufen" mit.
Sie organisierte Veranstaltungen über Kurt Weill, Kurt Tucholsky, Hanns Eisler, Paul Dessau und Bert Brecht. [3]
Am 19. September 1969 heirateten die Pianistin Hedwig Elsner und der Violoncellist Wolfgang Florey in Flensburg. Auch nach späterer Trennung blieben sie einander freundschaftlich verbunden. Zu ihrem Werdegang ergänzte Wolfgang Florey:„ (...) so gehört es zum Leben meiner Frau, dass sie drei Kinder zur Welt gebracht hat, Georg Heinrich Friedemann (1970), Daniel Georg Sebastian (1971) und Marianne Katharina (1979). Nach unserer Trennung im Jahr 1985 war sie diesen Kindern eine alleinerziehende Mutter. All die damit verbundenen Schwierigkeiten hatte sie neben ihrer beruflichen Entwicklung zu meistern. Und versteht sich von selbst, dass das ihrer beruflichen Karriere nicht unbedingt förderlich war. [1]
Unter dem Titel „Trauer um Hedwig Florey“ meldete ein kurzer Nachruf im Hamburger Abendblatt vom 7. September 1999: „Hedwig Florey, Professorin für Musiktheorie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, ist nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 56 Jahren gestorben. Sie war seit 26 Jahren an der Hochschule und galt als hervorragende Künstlerin und sensible Pädagogin. Sie widmete sich besonders der Neuen Musik. Neben ihrer Lehrtätigkeit arbeitete sie als Pianistin mit unterschiedlichen Ensembles und Künstlern. HA“. [2] Bestattet ist Hedwig Florey auf dem Friedhof Bergstedt, Grablage: I.C 3/363-364. [3] Ihr Nachlass ist in der Handschriftenabteilung der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky als "Nachlass Hinz & Kunst, Florey, Hedwig" unter der Signatur NHK bibliothekarisch katalogisiert, „eine Arbeit, die durch eine großherzige Stiftung von H. W. Henze ermöglicht worden ist und gefördert wurde von dem Musikwissenschaftler Dr. Peter Petersen.“ [1]
Die Pianistin war Gründungsmitglied und Mit-Komponistin in dem Quintett Hinz & Kunst. Deren innovatives und charakteristisch-politisches Konzept, „typisch“ für den Aufbruch der „68er Generation“, schilderte der Cellist und frühere Ehemann von Hedwig Florey, Wolfgang Florey, der selbst dieser Musiktheatertruppe angehörte: „Das Ensemble Hinz & Kunst wurde 1969 an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Hamburg gegründet – aus Interesse an neuen musikalischen Strömungen und Experimentierlust, an der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik, die im Ausbildungsplan der Musikhochschule so gut wie nicht vorkam. Durch gemeinsames, stundenlanges frei improvisierendes Musizieren in verschiedenen Formen und Konzepten versuchten wir zu neuer Art der Musikausübung zu gelangen, die die Trennung in ‚reproduzierende’ und ‚produzierende’ Musiker endlich aufhob.
Die Sechziger Jahre waren in musikalischer Hinsicht geprägt von den verschiedensten sich überlagernden und durchaus nicht homogenisierbaren Strömungen. Uns beschäftigte die Tatsache, dass Musik seit eh und je diejenige der Künste ist, die am wenigsten mit ihrer Zeitgenossenschaft etwas anzufangen weiß, was wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit beruht. Fühlte sich die gemäßigte Moderne, anknüpfend an den musikpädagogischen Versuchen Hindemiths und Orffs, noch für die ästhetische Erziehung der nachwachsenden Generation verantwortlich, so beschränkte sich der soziale Bezug der jetzt tonangebenden Komponistengeneration im wesentlichen auf die Vorteilnahme aus einem hochsubventionierten Kulturbetrieb. Die musikalische Avantgarde scherte sich nicht im mindesten darum, dass sich das Musikleben währenddessen in einen Marktplatz verwandelte, der vom Propagandageschrei der Marketingspezialisten einer sich ins ökonomisch Gigantische aufschwingenden Unterhaltungsindustrie widerhallte, die von nun an bestimmen sollte, welcher Ton die Musik der Zukunft machte. Von den Institutionen des Musiklebens, den Konzertsälen und Opernhäusern, deren gesellschaftliche Verantwortung sich ohnehin in der Verpflichtung zu einer mehr oder minder musealen Wiedergabe von musikalischen Antiquitäten erschöpfte, war in bezug auf die gewaltige Metamorphose des Musiklebens wenig Widerständiges zu erwarten, zumal sie ökonomisch noch munter im wirtschaftswunderbaren Wohlstand vor sich hin speckten. Es schienen keine zwingenden Gründe für den Musikbetrieb zu bestehen, von überkommenen Musikkonzepten abzuweichen oder sich in welcher Weise auch immer neuen Publikumsschichten zu öffnen. Sowieso war den seriösen Musikern mitsamt der Zunft der Musikwissenschaftler die Beschäftigung mit den Gesetzen des Marktes genauso fremd wie eine Auseinandersetzung mit den Erscheinungen der neuen, industriellen Massenkultur. Mit ihren musikalischen Genres wollten diese genauso wenig zu tun haben, wie die Bürger mit dem Plebejer.
Was sich jedoch entscheidend geändert hatte, war, dass die zukünftige gesellschaftliche Elite sich nicht länger in den Musentempeln ihrer Vorfahren zum Guten, Wahren und Schönen erziehen lassen wollte, sondern den ihr gemäßeren musikalischen Ausdruck in den subkulturellen Novitäten der kommerziellen Rock- und Popmusik zu finden glaubte. Das hatte allerdings keine primären musikalischen Ursachen, sondern war das Ergebnis eines fundamentalen gesellschaftlichen Paradigmenwechsels. Dieser war es, der es uns unmöglich zu machen schien, über Musik nachzudenken, ohne wenigstens den Versuch zu unternehmen, die sozialen Aspekte, denen das Musikmachen unterworfen war, zu verstehen. Und indem wir uns darum bemühten, fanden wir uns bald in einer reichlich unwirtlichen Landschaft wieder und hineingestellt in ein politisches System, das von den Widersprüchen des Kalten Krieges geprägt war.
Der Krieg in Vietnam wurde für uns zu einer grundlegenden moralischen Frage und führte dazu, dass das bis dahin einigende ideologische Fundament, auf das alle Parteien des Landes sich beriefen, böse Risse bekam. Gemeint ist nicht das Grundgesetz der Bundesrepublik, sondern der bis dahin alles beherrschende Antikommunismus. So kam es zu einem immer breiter geführten Diskurs über die Bedeutung der Marxschen Analyse des Kapitalismus und seiner Kritik der Politischen Ökonomie.
Und auf dem Gebiet der Künste wurde immer lebhafter diskutiert über die Rolle des ‚Ästhetischen bei der Scheinlösung von Grundwidersprüchen der kapitalistischen Gesellschaft’, über die ‚Bedeutung und Funktion der Massenkultur und Massenkommunikation im spätkapitalistischen System’, über die ‚Klassenbezogenheit der herrschenden Kunst’ und darüber, dass ‚Kunst notwendige Inhalte verständlich und wirksam verbreiten müsste’. Wie nun aber die musikalischen Modelle konkret auszusehen hätten, die den neuen Anforderungen gerecht werden könnten, dafür schien es uns zunächst nur wenig Beispielhaftes zu geben.
Für uns Musikstudenten wurde der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) der Musikhochschule in dieser Zeit zu so etwas wie einer organisatorischen Plattform nicht nur der politischen, sondern auch der ästhetischen Diskussion. Hier kam es auch zur ersten Begegnung mit Hans Werner Henze. Zeitlich fiel sie in die Vorbereitungszeit der geplanten Uraufführung seines Oratoriums Das Floß der Medusa im Herbst 1968. Unsere Erwartungen waren groß, aber nicht geringer war unsere Skepsis, ob gerade sein Werk uns ein Beispiel geben könne. Die Lektion wurde uns aber nicht vom Komponisten, sondern – wie allgemein bekannt – von der Polizei erteilt. Am Abend der Uraufführung erklang in der Ernst-Merck-Halle keine Note. Zu vernehmen war nur ein Sprechchor, der nicht in der Partitur stand. Der RIAS-Kammerchor skandierte, als Henze zum Beginn des Konzerts den Taktstock hob: ‚Wir kommen aus Berlin – wir singen nicht unter der roten Fahne’. Diese Erklärung leitete eine der größten Konzertskandale in der Geschichte der BRD ein. Er endete mit dem Einsatz einer Hundertschaft der Polizei im Konzertsaal, die eine größere Anzahl von Konzertbesuchern zur Feststellung der Personalien vorrübergehend festnahm.
Doch ein konkretes Ergebnis hatte dieses Ereignis: Seitdem gab es in Hamburg einen ‚Arbeitskreis Sozialistischer Musikstudenten’. Ausgehend von ihm bildeten sich eine ganze Reihe von studentischen Diskussions- und Arbeitsforen. Hier wurden nicht nur Forderungen zur Studien- und Strukturreform der Musikhochschule entwickelt, es ging auch ganz konkret um die Erprobung alternativer musikalisch praktischer Ansätze – und damit um vieles, was für das spätere Selbstverständnis der Gruppe Hinz & Kunst von Bedeutung war.
Und schließlich lernten wir die musikalisch-politische Arbeit der ‚Hamburger Liedermacher’, einem Kreis von engagierten Laien um Renate Bauche (Ehefrau von Dr. Ulrich Bauche, Kulturhistoriker und Volkskundler, ehemals Hauptkustos am Museum für Hamburgische Geschichte, Honorarprofessor der Universität Hamburg, CG.) und der ‚Hamburger Songgruppe’ kennen, woraus sich eine mehrjährige Zusammenarbeit ergab. Und im Rahmen der Musikhochschule war es Jürgen Tamchina, Theatermusiker und Kinderbuchautor, später auch Komponist und Theaterregisseur, der damals mit Schauspielstudenten ein Programm mit Liedern von Eisler erarbeitete. Der Kreis von Musikern, der sich hier als Begleitensemble zusammenfand, konstituierte sich später als Hinz & Kunst. Es setzte sich im Kern zusammen aus dem Klarinettisten und Saxophonisten Bernhard Asche, dem Posaunisten und Komponisten Thomas Jahn, der Pianistin und Musiktheoretikerin Hedwig Florey, dem Schlagzeuger Peter Wulfert (an dessen Stelle später Matthias Kaul trat) und dem Cellisten Wolfgang Florey.
Jürgen Tamchina, der an der Entwicklung einer vorschulpädagogischen Fernsehreihe für das ZDF arbeitete und den Auftrag erhielt, für eine Serie von Sendungen Lieder für Puppenspieler zu schreiben, stützte sich im Kern auf dieses Ensemble von Instrumentalisten. Thomas Jahn gab den Liedern ihre klangliche Gestalt und schrieb die Arrangements. Als ‚Die Lieder von der Rappelkiste’ wurden die Aufnahmen zu einem riesigen Schallplattenerfolg. Die Liedtexte von Tamchina machten im Sinne eines emanzipatorischen Erziehungskonzeptes den Kindern Mut zu einem selbständigen Urteil und Handeln in verschiedenen realistisch geschilderten Lebenssituationen. Dem gleichen pädagogischen Ziel folgend widersetzte sich die musikalische Sprache der Lieder dem in diesem Genre inzwischen verbreiteten kommerziellen Sound und knüpfte bewusst am traditionellen Kinderlied an. Das Instrumentarium der Begleitung war dem Bereich der klassischen Musik entlehnt und entfaltete seinen Zauber mit spieltechnischer Raffinesse und einem Witz, der sich der Erfahrung mit der Moderne ebenso verdankte, wie der Zusammenarbeit mit den Hamburger Liedermachern.
Das Selbstverständnis von Hinz & Kunst ist das Ergebnis auch anderer Erfahrungen. Sie gehen zurück auf zwei sehr verschiedene Aspekte der Diskussion in den studentischen Basisgruppen. Der eine betrifft die Frage nach der Aufhebung der Teilung der Arbeit in eine Sphäre der geistigen und eine der materiellen sowie die Frage nach der Überwindung ihrer Entfremdung. Der andere Aspekt betrifft das Konzept einer Politik der gewerkschaftlichen Orientierung. Konkret auf dem künstlerischen Gebiet bedeutete dies, dass nicht nur allgemein der Mensch, sondern der arbeitende Mensch in den Mittelpunkt des künstlerischen Interesses rücken müsse.
Dieser Zusammenhang fand seinen Niederschlag in einer gemeinsamen kompositorischen Arbeit, die H.W. Henze vorschlug. Ein Text war bald gefunden, nämlich eine aktuelle Recherche der Fernsehjournalistin Erika Runge über einen ‚wilden’ Streik in einem Walzwerk der Firma Mannesmann, Duisburg. Jeder der Komponisten, auch H.W. Henze, übernahm es, einen Teil des Textes in Musik zu setzen, und das Ganze wurde schließlich als Szenische Kantate von einem Ensemble, das sich im Kern aus der Gruppe Hinz & Kunst zusammensetzte, einstudiert. Unter tätiger Mithilfe von Ruth Berghaus und in Anwesenheit von H.W. Henzes und der meisten Komponisten wurde das Werk im Theater am Schiffbauerdamm im August 1973 uraufgeführt. Für die Schallplatteneinspielung dieser Kantate Streik bei Mannesmann erhielt Hinz & Kunst von der Deutschen Phonoakademie 1975 die Auszeichnung ‚Künstler des Jahres’.
Mit diesem Werk verknüpft ist der Beginn einer langjährigen Freundschaft und Zusammenarbeit des Ensembles Hinz & Kunst mit Hans Werner Henze. Er lud das Ensemble zur Mitarbeit an seinem ‚Cantiere Internazionale d´Arte’ ins toskanische Montepulciano ein, wo das Ensemble über eine Reihe von Jahren neben Konzerten und instrumentalen Begleitaufgaben im kleinen Opernhaus konkrete Musikanimationsarbeit leistete.
Aus Anlass seines fünfzigsten Geburtstages baten die Hinz & Künstler Henze um einen Gegenstand, um den Jubilar überhaupt würdig mit Musik bedenken zu können, und so bekam Hinz & Kunst ein Stück Musik, das für die Kernbesetzung der Gruppe spielbar war. Es ist ein Quintett und trägt den schlichten Namen Amicizia!. Es erklang zum ersten Mal 1976 bei einem Kammerkonzert von Hinz & Kunst im Teatro di Montepulciano.
In Erinnerung des alten Anspruches, die Arbeitsteilung des Musikers in einen reproduzierenden und einen produzierenden zu überwinden, und angeregt durch die konkreten Aufgaben unserer künstlerischen Praxis, gingen wir auch daran, nicht nur als Einzelne, sondern auch als Gruppe schöpferisch tätig zu werden. Für Montepulciano entwarfen wir das Libretto und schrieben die Musik zu einem Singspiel, das wir beim ‚3. Cantiere Internazionale d´Arte’ in Montepulciano und einer Reihe umliegender Ortschaften aufführten. Für dieses Stück, das wir Mongomo in Lapislazuli [4] nannten, erhielten wir den Preis der Jury des Komponistenseminars in Boswil (Schweiz). Es folgten noch zwei weitere Arbeiten: das Musical Komm, Collie wir gehen in´s Öl, das beim Steirischen Herbst 1981 uraufgeführt wurde, und das Ballett Der Schal. In beiden Fällen war die Gruppe Librettist, Komponist und schließlich ausführendes Instrumentalensemble.
Als Instrumentalensemble hatte sich Hinz & Kunst im Verlaufe der Jahre ein beachtliches Repertoire an zeitgenössischer, vornehmlich engagierter Musik erarbeitet und eine ganze Reihe von Komponisten haben für Hinz & Kunst geschrieben, insbesondere wieder H.W. Henze, der sein imaginäres Musiktheater El Rey de Harlem für Mezzosopran und acht Instrumentalisten für Hinz & Kunst schrieb. 1980 brachten wir es im Rahmen der ‚Wittener Tage für Neue Kammermusik’ mit Maureen McNally und unter der Leitung von Spiros Argiris zur Uraufführung“. [5]
Die Geschichte der Gruppe Hinz & Kunst endete mit dem Jahr 1981. Das hatte vor allem
existentielle-wirtschaftliche Gründe: „Schwierig war natürlich die materielle Basis der künstlerischen Arbeit. Eine finanzielle Förderung der Gruppe durch wie auch immer geartete Subventionen gab es so gut wie überhaupt nicht, und Förderungsanträge wurden in der Regel kategorisch abgelehnt. Die Freie und Hansestadt Hamburg erwies sich in ökonomischer Hinsicht als besonders trostloses Terrain. Ohne jede Subvention kann man in einem hochsubventionierten Umfeld nicht bestehen. Das ist auch ohne große Einsicht in Wirtschaftsfragen nicht schwer zu begreifen. Aber auch andere Möglichkeiten, uns eine materielle Basis für unsere Arbeit zu gewinnen, blieben uns in dieser Stadt weitgehend verwehrt. Während wir bei anderen Rundfunkanstalten regelmäßig zu Gast sein durften, blieb uns der Zugang zum NDR verschlossen. Die aus alledem folgenden existentiellen Schwierigkeiten hatten natürlich eine immer stärkere Fluktuation im Ensemble zur Folge, weil niemand die Arbeit mit Hinz & Kunst längerfristig in den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit stellen konnte. Damit wurde aber das eigentliche Ziel, nämlich ein Modell der künstlerischen Arbeit zu entwerfen, in dem ihre Entfremdung gesellschaftlich quasi antizipatorisch aufgehoben ist, immer unerreichbarer. Damit geriet aber der Anspruch, mit dem wir angetreten waren, mit der Wirklichkeit, die sich aus unseren Arbeitsbedingungen ergab, in einen immer krasseren und nicht mehr aufzulösenden Widerspruch. Das Ziel, mit unserer Arbeit eine Alternative aufzuzeigen und diese im Musikleben nachhaltig zu etablieren, war uns zur uneinlösbaren Utopie zerronnen.
Thomas Jahns Ausbildung als Komponist und Posaunist ermöglichte es ihm, den Produktions- und Reproduktionsgedanken des Ensembles Hinz & Kunst in seiner Person zu vereinen. Das Herstellen von Musik war für ihn ein Kommunikationsprozess. Diese Haltung, gang und gäbe im Bereich der Jazz- und Popmusik, war im Bereich der sogenannten ernsten Musik eher ungewöhnlich. Sie prägte das Ensemble, und das Feedback prägte auch ihn und seine Produktion. So schrieb er neben einer Fülle von Songs und Arrangements auch konzertante Musiken wie sein Nonett Zeitgeist und Akkordarbeit, vokalinstrumentale Kompositionen wie Denkzettel und seine drei Opernszenen The zoological palace für das Ensemble Hinz & Kunst. Das Erstellen von musikalisch-theatralischen Konzepten im Verbund mit anderen fand seinen Niederschlag in den oben erwähnten Gemeinschaftsarbeiten. Und auch heute noch legt Thomas Jahn großen Wert auf konzeptionelle Zusammenarbeit, wie sein Wirken bei den Eppendorfer Blechbläsern, dem Ensemble Undezett oder dem Intervall-Projekt an der Erika-Klütz-Schule für Theatertanz und Tanzpädagogik in Verbindung mit der Fachschaft Architektur an der Fachhochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg beweist.
Aus: impulse Nr. 7, Mai 2004“. [5]
Text: Dr. Cornelia Göksu