Eva Leithäuser
(14.8.1925 Berlin – 28.6.2018 Hamburg)
Juristin, Justizsenatorin
Drehbahn 36, Justizbehörde Hamburg
Eva Leithäuser war von 1979 bis 1986 Präses der Justizbehörde in Hamburg. In der Trauerzeige des Senats heißt es: „Als engagierte Juristin war sie eine überzeugte Verfechterin demokratischer Prinzipien und hat sich vorbildlich für die Rechte und den Schutz von Frauen eingesetzt.“ (Traueranzeige, Hamburger Abendblatt vom 28.7.2018)
In Wikipedia heißt es über ihren Werdegang: „Die Tochter von Gustav Engelbert Leithäuser [Prof. an der Technischen Hochschule] konnte nach ihrem Abitur im Jahr 1943 wegen der ‚halbarischen‘ Abstammung ihrer Mutter noch nicht studieren und arbeitete zunächst als Sekretärin und Prokuristin, unter anderem bei Philips. 1946–50 studierte sie in Berlin Jura und arbeitete nach dem Referendarexamen als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer Anwaltspraxis. 1956 legte sie die Zweite Juristische Staatsprüfung ab und wurde im November 1957 Juristin bei der Deutschen Bundespost. Zeitweilig stand sie dem großen Berliner Postamt 12 (Zimmerstraße 26–28, Kreuzberg) vor. Im Frühjahr 1970 wurde sie in das Bundespostministerium nach Bonn versetzt, wo sie seit 1973 als Ministerialdirigentin im Personalbereich arbeitete. 1975 wurde sie als erste Frau Präsidentin der Oberpostdirektion Hamburg.“ (de.wikipedia.org/wiki/Eva_Leith%C3%A4user abgerufen 29.7.2018)
Eva Leithäuser war auch aktives Gewerkschaftsmitglied der Deutschen Postgewerkschaft (DPG). Einige Jahre fungierte sie als Vorsitzende der Frauen der DPG im Bezirk Berlin und war Mitglied des dortigen Bezirksvorstandes sowie Ausschussmitglied für den höheren Dienst beim HV (Hamburgisches Verfassungsgericht).
1967 trat sie in den SPD-Landesverband Berlin ein. Politisch tätig war sie im Ortsverein Bonn/Breuel und im Landesverband Hamburg. Sie agierte zeitweise als stellvertretende Landesvorsitzende und war Mitglied der Bundesschiedskommission.
Von November 1979 bis August 1986 arbeitete sie in Hamburg als Justizsenatorin. Im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zum Senat ruhte ihr Bürgerschaftsmandat, welches sie seit Juni 1982 innehatte.
Während ihrer Abgeordnetenzeit in der Hamburgischen Bürgerschaft lagen die Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit u. a. in Fragestellungen des Hamburger Strafvollzugs, der Anregung von Gesetzesinitiativen im Bundesrat ( z. B. der erste Versuch, die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafandrohung zu stellen) und der organisatorischen Trennung von Hamburgischem Oberverwaltungsgericht einerseits und Hanseatischem Oberlandesgericht und Hamburgischem Verfassungsgericht andererseits.
Als die damals 54-jährige Eva Leithäuser in ihr Amt als Senatorin eingeführt wurde, beglückwünschte sie der damalige Bürgerschaftsvizepräsident Alfred de Chapeaurouge mit den Worten: „Ihr Amt ist mit viel Arbeit verbunden, gelegentlich sogar mit Verdruß, aber ich hoffe, daß Sie dennoch Freude daran haben.“ Eva Leithäuser ließ sich nicht einschüchtern und feierte ihre Ernennung abends mit ihrer Mutter bei einem Glas Wein.
Als Eva Leithäuser dann Justizsenatorin war, nahm sie das Thema „Vergewaltigung in der Ehe“ wieder auf. 1983 startete sie die erste Initiative aus dem politischen Raum, die die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellen wollte. So wollte sie einen entsprechenden Gesetzentwurf als Bundesratsinitiative einbringen. „Mit den Stimmen der CDU/CSU und der FDP wird der Antrag Hamburgs im Bundesrat jedoch abgelehnt. Im selben Monat bringt die SPD einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, der eine Bestrafung von vergewaltigenden Ehemännern vorsieht. Auch die Grünen legen einen Gesetzentwurf vor, der in den §177 (Vergewaltigung), §178 (sexuelle Nötigung) und ‚179 (sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger) das Wort ,außerehelich' gestrichen haben will. Der Bundestag debattiert über die Anträge von Grünen und SPD. Die VertreterInnen der CDU/CSU und FDP bestreiten nicht, dass die sexuelle Selbstbestimmung auch in der Ehe zu wahren sei, allerdings verläuft die Debatte so, dass Jurist Dierk Helmken erklärt, er habe den Verdacht, dass es den Reformgegnern letztlich um die Verteidigung von patriarchalischen Privilegien gehe. Der Bundestag verweist die Gesetzentwürfe an die Ausschüsse für Recht, Gesundheit, Jugend und Familie.“ (www.frauenmediaturm.de/themen-portraets/themen-debatten/sexuelle-gewalt/vergewaltigung/)
Es musste dann noch bis zum Jahr 1997 dauern, bis der Bundestag die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe beschloss. „Die historische Gesetzesreform, für die die Frauenbewegung und engagierte Politikerinnen seit einem Vierteljahrhundert gekämpft hatten, war nur deshalb möglich geworden, weil Politikerinnen aller Parteien fraktionsübergreifend für das Gesetz gestimmt und ihre männlichen Kollegen unter Druck gesetzt hatten.“ (www.frauenmediaturm.de/themen-portraets/themen-debatten/sexuelle-gewalt/vergewaltigung/) Und dann mussten noch weitere knappe zwanzig Jahre folgen, bis endlich im Jahr 2016 der §177 in Kraft trat und Vergewaltigung als sexuelle Handlung „gegen den Willen“ einer Person definierte.
Eva Leithäuser wurde in ihrer Amtszeit als Justizsenatorin von der Opposition (CDU) immer wieder heftig wegen ihres liberalen Strafvollzuges kritisiert. Die CDU warf ihr „Überforderung im Amt“ vor.
Nach siebenjähriger Amtszeit als Justizsenatorin trat Eva Leithäuser am 6.8.1986 als Senatorin zurück. Gleichzeitig verzichtete sie auf die Ausübung ihres Bürgerschaftsmandates. Ihr Rücktritt war im Zusammenhang mit der Strafverfolgung des Auftragsmörders Werner Pinzner zu sehen. Dieser stand wegen einer Serie von Auftragsmorden vor Gericht. Während seiner Vernehmung im Polizeipräsidium erschoss er 1986 den ermittelnden Staatsanwalt, seine Ehefrau und dann sich selbst. „ Im Zusammenhang mit dem Fall Pinzner kam es zu einem Justizskandal wegen der unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen in den Hamburger Gefängnissen, aber auch wegen des zu großen Entgegenkommens der Ermittlungsbehörden gegenüber Pinzner. Werner Pinzner war auch mit Drogen versorgt worden, was ebenfalls auf erhebliche Sicherheitsmängel hindeutete. Die Senatoren für Inneres und Justiz waren unabhängig von den Taten Pinzners politisch angeschlagen. Eva Leithäuser (SPD)), die Senatorin für Justiz, stand wegen des von ihr vertretenen liberalen Strafvollzugs in der öffentlichen Kritik, der Innensenator Rolf Lange (SPD) wegen des sogenannten Hamburger Kessels, beide aber auch wegen der Sorge der Bevölkerung vor steigender Kriminalität. Hinzu kam, dass angesichts der nahen Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft am 9. November 1986 die bislang regierende sozialdemokratische Regierung in der Folge des Skandals die Wahl zu verlieren drohte.“ (de.wikipedia.org/wiki/Werner_Pinzner abgerufen 29.7.2018)
Das Wochenmagazin Der Spiegel ging in seinem Artikel vom 1.08.1986 unter der Überschrift „Wie im Groschenroman. Zwei Senatoren mußten gehen, Opfer aus Parteiräson“ auf die Gründe des Ausscheidens folgendermaßen ein: „Die beiden gefeuerten Senatoren hatten sich dem Willen der Partei gebeugt, persönliche Schuld aber nicht eingestanden: Lange, oberster Dienstherr der Hamburger Polizei, begriff sein Ausscheiden als ‚Akt politischer Hygiene‘- im Klartext: Ein Sündenbock mußte her. Eva Leithäuser, verantwortlich für Justiz und Strafvollzug, konnte in ihrem Ressort ‚keine Fehler entdecken‘. Sie opferte sich ‚dem Ansehen der Justiz‘ und der ‚übergeordneten Parteiräson‘. Drei Monate vor den Hamburger Parlamentswahlen war Parteiräson verlangt: In der Auseinandersetzung um innere Sicherheit zerstritten, fürchten die seit drei Jahrzehnten regierenden Sozialdemokraten bei der Bürgerschaftswahl am 9. November um ihre absolute Mehrheit. (…) Wenige Wochen vor der Wahl schien es da nur konsequent, (…) ein (…) schon länger fälliges Bauernopfer zu bringen: die Justizsenatorin Leithäuser, deren beharrlich verfolgtes Konzept eines liberalen Strafvollzuges genügend Angriffsflächen bot. (…) Die Juristin fügte sich nicht ins Bild eines mit Härte strafenden Staates. Sie schrieb persönliche Briefe an einsame Gefangene, achtete darauf, daß an Weihnachten mancher ein Päckchen erhielt und freute sich über Antworten von Gefangenen, die ihr auch zuweilen etwas malten, (…). Dennoch hielt sich die Senatorin fast sieben Jahre im Amt - länger als ihre drei Amtsvorgänger zusammen. Sachkenner würdigten ihren menschlichen Strafvollzug. Eine Experten Kommission, die unter Leitung des ehemaligen Wehrbeauftragten Karl-Wilhelm Berkhan die Zustände im Strafvollzug untersuchte, kam zu dem Ergebnis, die Senatorin sei ‚auf dem richtigen Weg‘, die Vollzugslockerungen - Bewegungsfreiheit in der Anstalt, umfangreiche sportliche und kulturelle Aktivitäten - könnten ‚vorsichtig gar weiter ausgebaut werden, die ‚Gefahren des Mißbrauchs‘ seien ‚zumutbar und vertretbar‘. Die ‚sympathische wie hilflose Humanistin‘ (‚taz‘) hatte bereits seit langem angekündigt, sie werde im Herbst, mit dem Ende der Legislaturperiode, den Dienst quittieren, weil sie zu alt sei. Doch ihr ‚Opfer für die Partei‘ (SPD-Chef Runde) wurde sofort gebraucht - eben vor der Wahl.“ (www.spiegel.de/spiegel/print/d-13518676.html)
Nach ihrem Rücktritt als Senatorin war Eva Leithäuser von Dezember 1989 bis Mai 2000 als Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht tätig.
Text: Rita Bake