Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Hamburger Netzwerk „Mädchen und Frauen mit Behinderung“

Langenfelder Straße 35 beim Verein Autonom Leben (ehemals), heute: Wendenstraße 408


Gegründet wurde das Netzwerk, das der Neuen Frauenbewegung zuzurechnen ist, im Jahre 1995. In seiner Selbstdarstellung aus dem Jahr 1998 heißt es: „Wir sind unterschiedlich behinderte und nichtbehinderte FrauenLesben. Wir arbeiten politisch zu allen Fragen, die Mädchen und Frauen mit Behinderung betreffen. (…)
Sie als Leserinnen haben persönliche und politische Erfahrungen als FrauenLesben, (…). Das sind Erfahrungen mit Diskriminierungen und dem Bemühen, sich dagegen zu wehren. Hier gibt es Vergleichsmöglichkeiten, denn auch FrauenLesben mit Behinderung sind FrauenLesben. Und trotzdem ist vieles ganz anders. Zum Beispiel wird das Lebensrecht behinderter Menschen in frage gestellt. Behinderte Kinder sollen nicht geboren werden. Frau muß in so einem Fall nicht um den Schwangerschaftsabbruch kämpfen, sondern darum, das Kind zu bekommen. Einem nichtbehinderten Mädchen wird immer noch vermittelt, daß es erst als Mutter eine richtige Frau ist. Im Gegensatz dazu meint die Gesellschaft, Frauen mit Behinderung könnten keine Mütter sein. Sie werden wegen ihrer Behinderung von vornherein nicht als vollwertige Partnerinnen angesehen. (…)
Das Netzwerk ist aus einem Arbeitskreis entstanden, der von zwei nichtbehinderten Frauen initiiert wurde, die sich professionell mit dem Thema ‚Frauen mit Behinderungen‘ befaßten. Mehr als zwei Jahre gab es mühselige Auseinandersetzungen um das Selbstverständnis der Gruppe. Auch mit unpolitisch denkenden behinderten Frauen war es sehr schwierig. Erst als das jetzige Netzwerk sich im Herbst 1995 autonom gründete und ein Grundsatzpapier erstellte, entwickelte sich eine echte politische Interessenvertretung. (…) Es gibt einige sich regelmäßig treffende Arbeitsgruppen: eine Gruppe behinderter Mütter, eine Gruppe, die sich bemüht, geistig behinderte Frauen mit in die Netzwerkarbeit einzubeziehen, eine Gruppe, die WenDo-Kurse für Mädchen und Frauen mit Behinderung organisiert.
Besonders aktiv ist die Arbeitsgruppe ‚Gewalt gegen Mädchen und Frauen mit Behinderung‘. (…) Die Frage, wo von Gewalt bedrohte oder betroffene behinderte Frauen Zuflucht finden können, beschäftigte uns schon vor der Gründung des Netzwerkes. .Es wurde immer wieder versichert, daß selbstverständlich auch Frauen mit Behinderung in Frauenhäusern aufgenommen würden. Bei konkretem Bedarf wurden sie aber häufig abgewiesen. Hier bietet das Netzwerk für einige Frauenhausmitarbeiterinnen die Möglichkeit, sich mit dem Thema ‚Frauen mit Behinderung‘ auseinanderzusetzen. (…) Es gelang uns, klarzumachen, daß behinderte Frauen über sich Bescheid wissen und Wege kennen, mit ihrer Behinderung zu leben. Nichtbehinderte ‚Expertinnen‘ müssen deshalb nicht alles für sie organisieren. Die Ausgrenzung behinderter Menschen wird oft damit begründet, daß man ihnen nicht gerecht würde oder daß man nicht genügend wisse, um ihnen helfen zu können. Hier immer wieder deutlich zu machen, daß Frauen mit Behinderung wissen, was sie brauchen, auch wenn sie intellektuell beeinträchtigt sind, ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit.
Die Netzwerkarbeit zeichnet sich dadurch aus, daß persönliche und politische Aspekte und die Umsetzung von Erfahrungen in politische Aktionen immer wieder ineinandergreifen. (…)“. (Die Stadtverführerin Hamburg. FrauenLesbenStadtBuch. Hamburg 1998, S. 125ff.)