Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Gerda Rosenbrook-Wempe

(19.11.1896 - 24.11.1992)
Widerstandskämpferin, Archivarin, Privatlehrerin
Schulterblatt 141 (Wohnadresse)
Garten der Frauen, Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756 (Grabstein)


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Gerda Rosenbrook-Wempe, Quelle: privat

Ihre frühe Kindheit verbrachte Gerda Wempe, Tochter von Frieda und Gerhard D. Wempe, mit vier Geschwistern in Oldenburg. Nach dem Tod der Mutter änderte sich das Leben der 7-Jährigen. Ihr Vater heiratete wieder und zog mit der Familie nach Hamburg. Dort eröffnete er im Schulterblatt ein Goldwaren- und Uhrengeschäft und ließ zu, dass seine zweite Frau die drei jüngsten Kinder aus der zum Laden gehörenden geräumigen Parterrewohnung in den Keller verbannte. Tagebucheintrag von Gerda Rosenbrook-Wempe: "Dieser Keller war unsere Welt, hier haben wir gefroren, gehungert, schwer gearbeitet und viel geweint. ... ein liebes Wort haben wir weder im Hause noch in der Schule je gehört." [1] Gerda Wempe hätte gern das Abitur gemacht. Doch der Vater ließ sie in seiner Firma arbeiten. [2]
1928 heiratete sie den Mathematiklehrer Dr. Curt Rosenbrook. Er war kriegstraumatisiert, die Ehe blieb kinderlos. Vier Jahre später trennten sich die Eheleute ohne Scheidung.
1937, dem Jahr, in dem die Fa. Wempe als nationalsozialistischer Musterbetrieb ausgezeichnet wurde, [3] lernte die inzwischen verwitwete Gerda Rosenbrook}} Walter Funder kennen, einen Freigeist und Publizisten, der schon vor Hitlers Machtübernahme Schriften gegen den Antisemitismus verfasst und veröffentlicht hatte. Konspirativ leistete das Paar Widerstand: Es verfasste kritische Flugblätter und warf sie nachts in Briefkästen immer anderer Hamburger Haushalte und anderer Wohnviertel. In Gerda {{nolink: Rosenbrooks Haus trafen sich Gleichgesinnte, um über das Unrechtsregime zu diskutieren.

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Gerda Rosenbrook-Wempe, Quelle: privat

Dem Verlangen ihres älteren Bruders, seit dem Tod des Vaters Inhaber der Fa. Wempe, sich von ihrem Lebensgefährten zu trennen, widersetzte sich Gerda Rosenbrook. [4] Nur noch einmal sahen sich die Geschwister: 1944 beim Prozess gegen Walter Funder, sie als Zeugin der Verteidigung, er als Zeuge der Anklage. Diese lautete: "Vorbereitung des Hochverrats". [5]
Funder war am 1.8.1943 gemeinsam mit dem Künstler Hugo Meier-Thur verhaftet worden. Letzterer, Professor am Lerchenfeld, war längst im KZ Fuhlsbüttel ermordet worden, als man Funder den Prozess machte, wegen der schlechten Beweislage nicht vor dem Volksgerichtshof in Berlin, sondern vor einem Hamburger Gericht. Funder erhielt eine Gefängnisstrafe, zeitweise saß er sie in KZs ab. [6] Wenn möglich, reiste Gerda Rosenbrook ihm nach, versuchte, ihm die Haft zu erleichtern. Im März 1945 wurde er freigelassen, körperlich ein Wrack, seelisch gebrochen.
Nach dem Krieg hörten die Verleumdungen gegen Walter Funder nicht auf. Alte Feinde wollten ihn für unzurechnungsfähig erklären lassen, um ihn mundtot zu machen. Gerda Rosenbrook}} half ihm, sich dagegen erfolgreich zu wehren. Rehabilitierung und Wiedergutmachung blieben ihm jedoch versagt. Walter Funder starb 1960 als vorbestrafter Mann. Gerda {{nolink: Rosenbrook überlebte ihn um 32 Jahre, ordnete Korrespondenzen und Prozessakten und gab sie an die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg weiter. Die Verabschiedung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile erlebte auch sie nicht mehr. Es annullierte Jahrzehnte nach seinem Tod das Urteil gegen Walter Funder.
Als ihre schönste Zeit bezeichnete Gerda Rosenbrook-Wempe das Lernen fürs Abitur als Externe: Im Alter von gut dreißig Jahren hatte sie sich zur Abiturprüfung gemeldet und war mündlich in Mathematik durchgefallen. Erst als Rentnerin erfüllte sich ihr Wunsch zu unterrichten. Gratis gab sie Stunden in Latein, Englisch, Französisch und Geschichte. Allen, die ihr begegneten, brachte sie politisches Wissen nahe. Kurz vor ihrem Tod schrieb sie: "Das Gespräch ist mir das Wichtigste in meinem Leben."
Text: Regina Deertz, Iris Pompesius, Brigitte Wempe