Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Mabel Wulff Mabel Amelia Wulff, geb. Phillips

(3.9.1887 Newport, Wales – 22.4.1978 Newport, Wales)
Englische Kirche, Anglican Church of St Thomas à Becket
Zeughausmarkt 22


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Mabel Wulff vor dem Eingang zur Wohnung, 1957; Quelle: Eddie Wulff

Mabel Wulff wurde als Tochter des walisischen Seemannes Frederick Phillips und seiner Frau Alice Burnell Phillips in Newport, Wales, geboren. Nach der Schule arbeitete sie bei der Seemannsmission in Newport, wo sie den Hamburger Seemann, Max Wulff, kennen und lieben lernte. Sie heirateten am 7.1.1909 in Newport, wo Max zuerst ein Restaurant leitete und später auf einem Schwimmbagger auf dem River Usk arbeitete.
1911 wurde ihr erster Sohn, Edward Frederick, geboren, 1913 kam Leonard zur Welt.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde Max als ‚feindlicher Ausländer‘ in Lancaster interniert und sah seine Familie erst nach Ende des Krieges wieder. Mabel zog ihre beiden Söhne alleine auf. Nach vier Jahren der Trennung war die Familie völlig desillusioniert und entschloss sich in den frühen 20er Jahren in die Heimatstadt von Max, nach Hamburg, zu ziehen. Max fand Arbeit im Hafen und Mabel wurde 1924 Küsterin der Englischen Kirche am Zeughausmarkt, wo sie mehr als 40 Jahre bleiben sollte. Die Wulffs wohnten in der kleinen Wohnung am Ostende der Kirche.

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Gedenktafel in der Englischen Kirche; Bildquelle: Dr. Birgit Kiupel

Einige Zeit verlief das Leben der Wulffs in ruhigen Bahnen, dann schlug das Schicksal wieder zu. Der jüngere Sohn Leonard, der Elektriker geworden war, zog sich in einem NS Arbeitsdienstlager eine Meningitis zu und verstarb 1934 im Alter von nur 20 Jahren in einem Hamburger Krankenhaus. Edward, der ältere Sohn, ging nach England zurück und trat 1940 in die Royal Navy ein. Die Eltern Mabel und Max blieben in Hamburg. Wieder war die Familie gespalten.
Mabel blieb mit Max in der Wohnung der Kirche und nahm weiterhin ihre Arbeit als Küsterin wahr. Erstaunlicherweise wurde die Englische Kirche noch 1941, mitten im 2. Weltkrieg, unter Denkmalschutz gestellt – allerdings wurden Gottesdienste verboten. 1943 fielen während der Luftangriffe auf Hamburg Brandbomben auf die Kirche, zerstörten Teile des Daches und der Decke und setzten das Stroh, das dort gelagert wurde, in Brand. Mabel löschte wiederholt mit nassen Decken diese Brände und bewahrte so die Kirche vor der drohenden Zerstörung. Sie beherbergte Hamburger, die im Feuersturm alles verloren hatten, versteckte das Altarbild, das zur Einweihung der Kirche 1838 geschenkt worden war, und ließ auch Fahnen und das Taufbecken ‚verschwinden‘. So wurde das Altarbild (eine Kopie der „Sixtinischen Madonna“ von Raffael) gerettet und kann heute noch bewundert werden. Mabel Wulff wurde von der Gestapo oft verhört, verriet aber nie die Verstecke und blieb beharrlich auf ihrem Posten.

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Mabel Wulff mit der Fahne der British Legion nach dem Krieg. Sie hatte diese Fahne in einem Hohlraum unter dem Altar versteckt; Quelle: Eddie Wulff

Gegen Ende des Krieges wurde die Kirche wieder durch alliierte Bomben schwer beschädigt. Doch schon im Juni 1945 begannen britische Pioniere und Hamburger Handwerker mit der Reparatur und dem Wiederaufbau der Kirche. Mabel konnte tatkräftig helfen und blieb noch bis ins hohe Alter Küsterin. Heute ist die Englische Kirche eines der wenigen noch erhaltenen neoklassizistischen Bauten Hamburgs und ist Mittelpunkt einer aktiven anglikanischen Gemeinde, deren Mitglieder aus mehr als 25 Nationen stammen.
1956 wurde Mabel Wulff die British Empire Medal (für besondere Verdienste) verliehen.
Nach dem Tod ihres Mannes entschied sie sich, nach Newport zurückzukehren, wo ihre Enkel und Urenkel bis heute leben.
Sie wurde mit einer Gedenktafel in der Englischen Kirche geehrt und ist ‚Star‘ eines unterhaltsamen Trickfilmes von Birgit Kiupel und Andre Piontek: Auf Tour mit Henry und Mabel. Geschichte(n) rund um die Englische Kirche mit ihrem Gründer und einer legendären Küsterin.
Text: Madeleine Resühr