Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Manufakturarbeiterinnen

Beispieladresse: Holländischer Brook (Kattundruckerei Alardus und Hartung)
Manufakturen gab es z. B. in Hamburg: Kattundruckereien: Sievers: Holzdamm; Bostelmann und Schutz: Katharinenstraße; R. Rücken und Sohn und Jacob Rahhusen: Dammtorstraße. Strumpfmanufakturen: Meyerich: Rosenstraße 117; Ahrens Neuensteinweg 27; Tabakmanufakturen: Friedrich Gustav Carstens: Kajen 94; Christo Deuer: Auf dem Meßberg 26; Seidenmanufakturen: Albert Behrens: Venusberg; Spiegelmanufakturen: Kopperhorn: Pferdemarkt 144.
Siehe auch unter: Arbeiterinnen im 18. Jahrhundert


Im Mittelalter war die familiengebundene Form der überwiegende Teil der vorindustriellen Frauenerwerbsarbeit. Aber bedingt durch die Beschränkung der Heiratschancen, die allgemeine hohe Sterblichkeit und auch durch die Möglichkeit, als ledige Frau oder Mann ein Handwerk auszuüben sowie als Frau auch einer freien Lohnarbeit nachzugehen, entstand eine große Schicht lediger, verwitweter und verheirateter Frauen, die nicht als Gesindekräfte arbeiteten, sondern handwerklichen Tätigkeiten nachgingen.
Die genossenschaftliche Einbindung der Frauenerwerbsarbeit endete zu einem großen Teil im 16. Jhd., als mit dem Einbruch frühkapitalistischer und merkantilistischer Strömungen die Zünfte um ihren Bestand zu ringen begannen und sie diesen neuen Tendenzen mit Ausschließung zu begegnen versuchten, indem immer mehr Frauen aus den Zünften hinausgedrängt wurden.
Erst mit dem Aufkommen der Manufakturen im 18. Jhd. erhielten Frauen wieder in verstärktem Maße die Möglichkeit, einer gewerblichen außerhäuslichen Arbeit nachzugehen. Mit dem Aufkommen der Manufakturen waren sie als ungelernte Arbeiterinnen und damit auch als billige Arbeitskräfte hochwillkommen. Da das Bestreben der Merkantilpolitik des 18. Jhds. darauf hinauslief, durch einen vermehrten Arbeitseinsatz der Bevölkerung zu erhöhten Handelseinnahmen und Expansion des Gewerbes zu gelangen, war der Merkantilismus um die maximale Eingliederung brachliegender Arbeitskräfte in den Wirtschaftsprozess bemüht.
Durch harte Zwangsmaßnahmen wurde versuchte, die Arbeiter und Arbeiterinnen zu unselbstständiger Arbeit zu erziehen.
Durch die außerhäusliche Arbeit in Manufakturen wurden schon zu dieser Zeit einige Probleme innerhalb der Arbeits- und Lebenssituation der Arbeiterinnen deutlich, die im Verlauf der Industrialisierung zur vollen Entfaltung gelangten. „Mit der außerhäuslichen Tätigkeit geriet die Frau sofort in die Konfliktsituation: Familie – Beruf bzw. Arbeit. Sie konnte ihr nicht mehr entrinnen, weil sie keine Wahl hatte, sie arbeitete nicht einer sinnvollen Betätigung wegen, sie arbeitete um die Familie, die Kinder vor der ‚bittersten Not und Schlimmerem zu bewahren‘. Sie arbeitete immer unter dem Zwang der Verhältnisse, in ganz anderem Maße, als es der Mann tun mußte, sie arbeitete in der Regel als ungelernte oder minderqualifizierte Kraft, eben weil die Verhältnisse ihr keine Zeit für sich selbst ließen. So mußte sie nehmen, was sich ihr auf dem Arbeitsmarkt bot, und so wurde sie zum Lohndrücker benützt (…) für das männliche und das weibliche Proletariat.“[1]
Die Einstellung zur Frauenerwerbsarbeit stand stets in enger Verbindung mit der Auffassung vom Manne als dem Familienernährer. Denn das bürgerliche Idealbild, welches besonders in der 2. Hälfte des 18. Jhds. deutlich zum Tragen kam, beruhte darauf, dass der Mann die Familie ernähre und die Frau ins Haus gehöre und die Hauswirtschaft versehe. Diese bürgerliche Idealvorstellung von Familie diente als Rechtfertigung für die geringere Bezahlung gleichwertiger Arbeit von Frauen.
Opfer dieser Ideologie wurden die Frauen, deren Erwerbstätigkeit nur zum Erlangen zusätzlichem Familieneinkommens abgewertet wurde. Besonders schwer traf dies die ledigen und verwitweten Frauen.
Die „Wohlfeilheit“ der weiblichen Arbeitskraft (bis um die Mitte des 19. Jhds. betrugen die Löhne der Frauen nur ca. 40 bis 50% der Männerlöhne), führte auch zu einer Verschärfung der Konkurrenz unter den Lohnarbeitern.
Im innerbetrieblichen System standen die Manufakturarbeiterinnen in der Rangfolge unter denen der ungelernten männlichen Arbeiter. Frauenerwerbsarbeit galt von vornherein als geringer als ungelernte Männerarbeit.
Obwohl Hamburg in erster Linie Handelsstadt war, die Manufakturen nicht die entscheidende Rolle in Hamburgs Wirtschaftsleben spielten, war die Größe und die Anzahl der Hamburger Manufakturen im Laufe des 18. Jhds. so bedeutend geworden, dass mehrere tausend Frauen in ihnen Beschäftigung fanden.
Die Tätigkeiten der Hamburger Manufakturarbeiterinnen waren zu einem großen Teil sogenannte frauenspezifische Arbeiten, wie das Spinnen und das Stricken und beschränkten sich in sehr vielen Fällen auf Zu-, Hilfs- und Anlernarbeiten in zentralisierten und dezentralisierten Manufakturen.
Als dezentralisierte Manufakturen konnte die Tätigkeit des Gold- und Silberspinnens bezeichnet werden, da diese Arbeit außerhalb der Gold- und Silbermanufakturen verrichtet werden konnte. Dazu wurden mehrere Arbeiterinnen in die Wohnung einer Frau geschickt, die die Arbeit überwachte und anleitete.
Das Gros der Arbeiterinnen war in Kattundruckereien (siehe dazu auch unter: Zeichenschule) und in Strumpfmanufakturen (Strümpfe stricken, diese Arbeit konnte in der eigenen Wohnung verrichtet werden) beschäftigt.
In den Kattundruckereien arbeiten die Frauen hauptsächlich als Schilderinnen. Das Schildern war das Ausmalen der Stoffmuster mit einem Pinsel, denn bestimmte Farbstoffe - wie z. B. das blaue Indigo - ließen sich nicht mit Druckplatten auftragen. Allein im Jahr 1790 waren von den ca. 6000 in den Kattundruckereien tätigen Arbeitskräften 1000 Schilderinnen. Wegen der benutzten Chemikalien und Säuren war die Arbeit sehr gesundheitsgefährdend. Hinzu kam, dass die Arbeiterinnen wegen der in den Betrieben herrschenden großen Hitze leicht bekleidet neben Männern arbeiten mussten. Deshalb wurden sie in den Augen des Bürgertums als leichtfertig stigmatisiert.
Andere Manufakturarbeiten für Frauen waren z. B. das Korkschneiden für Flaschenverschlüsse. Korktafeln wurden nach Länge und Dicke zu Vierecken zugeschnitten, die von Frauen mit einem Messer rundgeschnitten wurden.
In den Tabakmanufakturen wurden Frauen zum Sortieren und Abrippen der Blätter eingesetzt. In Blumen- und Federnmanufakturen stellten Frauen Blätter, Blüten und Stengel für Hüte etc. her. Blätter von einer gleichen Größe wurden übereinandergelegt und mit einer Stanze von überstehenden Enden befreit. Mit erhitzten Eisenstangen wurden Blätter verformt und aus Draht wurden Blütenstengel gebogen und mit grüner Seide umwickelt. Die Frauen saßen dabei an langen Tischen und bildeten Arbeitsgruppen für jeweils eine Sorte von Blumen.
In den Zwirnmanufakturen betrieben Frauen die Zwirnmühle. Das Zwirnen musste wegen der Höhe der Zwirnmühle im Stehen und mit erhobenen Händen ausgeführt werden. Kleine Mädchen haspelten die einzelnen Fäden doppelt, die dann von anderen Mädchen auf Spulen gewunden wurden.
In den Tuchmanufakturen spannen Frauen am großen Rad Wolle.
In den Seidenmanufakturen wurden Frauen und Mädchen mit Seidenwickeln und –weben beschäftigt. Beim Seidenwickeln wurde die gehaspelte Seide, nachdem sie in Strähnen von den Haspeln genommen worden war, mit einem Rad auf Spulen gewickelt. Dann wurde die Seide gezwirnt, und danach von den Seidenwicklerinnen mit Hilfe einer dazu eingerichteten Maschine auf Spulen gewickelt. Mit der Spulmaschine ließen sich mehrere Fäden zugleich um ebenso viele Spulen wickeln, was durch die Haspeln oder Spindeln der Spinnmaschine bewerkstelligt wurde.
In den Baumwollspinnereien und -webereien arbeiteten Frauen beim Baumwollspinnen, Garnspulen, Kattunweben und Wollepflücken.
In den Hutmanufakturen waren Frauen mit dem Abrupfen grober Haare von Fellen, zum Abschneiden der Grundhaare, zum Wollelesen, zum Haarebeizen und zum Nähen beschäftigt. Eine Rupferin rupfte mit einem Messer die groben Haare von den Fellen und eine Abschneiderin schnitt die Grundhaare, von welchen die groben Haare schon abgeschnitten worden waren. Zugleich sortierte sie die abgeschnittenen Haare und legte sie nach unterschiedlicher Qualität zu Haufen.
In den Spiegelmanufakturen arbeiteten Frauen als Tussiermädchen, als Verpackerinnen und als Schleiferinnen. Frauen waren mit dem Feinschleifen der Spiegelgläser beschäftigt. Sie benutzten dazu Schmirgel in 15 verschiedenen Feinheitsgraden. Mit dem Tussieren bekamen die Spiegel die letzte Bearbeitung. Frauen polierten mit ihren Händen die Spiegel, bis die Spiegel durchsichtig wurden.
Die meisten Frauen verdienten noch nicht einmal so viel, um sich damit das Notwendigste zum Leben zu ermöglichen. Und selbst Arbeiten, die wie das Strümpfestricken eine hohe Qualifikation von den Arbeiterinnen verlangte, um qualitativ hochwertige Strümpfe anfertigen zu können, wurden nicht besser entlohnt. Hier griff wieder die bürgerliche Auffassung der herrschenden Klasse, dass alles das, was Frauen schon von Kindesbeinen erlernten – wie z. B. Stricken und Sticken – nicht als qualifizierte Tätigkeit anzusehen sei.
Und so wurden ledige, verwitwete, geschiedene Frauen trotz Erwerbsarbeit von Armut betroffen – ein so genanntes Phänomen, das auch heute noch gilt, denn auch heute verdienen Frauen weniger für gleiche und gleichwertige Arbeit.
In der zweiten Hälfte des 18. Jhd. betrug die Bevölkerungszahl von Hamburg 100.000 Menschen. Davon gehörten ca. 36.000 von ihnen der Armutsschicht an, die von der Allgemeinen Armenanstalt unterstützt werden mussten. 73% von ihnen waren Frauen.
Text: Rita Bake