Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Ursula Schneider Ursula Schneider, geb. Abel

(19.1.1943 - 21.8.2019 Hamburg)
Kulturwissenschaftlerin
Wiesendamm 3, Museum der Arbeit (Wirkungsstätte)
Brennerstraße 79 (Mariannen-Paulinen Stift, Wohnadresse)
Bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof; Fuhlsbüttler Straße 756, Grablage: Pa 5-367


Ursula Schneider lebte im Hamburger Stadtteil St. Georg. Ihrer Erwerbsarbeit ging sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum der Arbeit, für dessen Aufbau sie von Beginn an aktiv war, nach.
Nach ihrem Tod erschienen in der vom Einwohnerverein St. Georg von 1987 eV. herausgegebenen Stadtteilzeitung für St. Georg „Der lachende Drache“ zwei von Claudia Preuschoft und Ulle Schröder verfasste Nachrufe:
„Sie fehlt uns schon lange. Ursula Schneider, inmitten einer Gruppe auf einem ihrer Stadtrundgänge durch St. Georg, war ein vertrauter Anblick. An unserer alltäglichen und meist übersehenen steinernen Umgebung machte sie St. Georger Geschichte und Geschichten sichtbar. Wie unser vielfältiger Stadtteil zu dem geworden ist, was sich an seinem architektonischen Bild ablesen lässt – das faszinierte sie. Baugeschichte war für sie immer auch politische und soziale Geschichte. Ursula, in Franken geboren, war mit Leib und Seele St. Georgerin. Und uns fehlt ihr Engagement. Denn bei all ihrer zarten Erscheinung und sanften Stimme – sie war eine Kämpferin. Immer sehr gut informiert, immer differenziert, klug und diskussionsfreudig setzte sie sich in Hamburg für zahllose Projekte ein. Für die Hafenstraße. Für den Erhalt von Gebäuden. Auch für Neu- und Umgestaltung. Für die Gründung eines Museums der Arbeit. Noch bevor das existierte, erarbeitete sie in den damals gerade aufgegebenen Hallen der Kampnagel-Fabrik mit anderen die große Ausstellung über Arbeiterkultur in den 1930er-Jahren: ‚Vorwärts und nicht vergessen!‘ Später, fest angestellt im neu gegründeten Museum der Arbeit, folgten weitere Ausstellungen, z. B. über proletarisches Wohnen in Hamburg oder Hausarbeit. Und die große Ausstellung über die Arbeit der Quartiersleute in der Speicherstadt. Anfang der Achtziger Jahre wechselte sie aus Überzeugung von der SPD zu den Grünen, 1993 wurde sie Mitglied der GAL-Bezirksfraktion Mitte. Aber auch über Hamburg hinaus war Ursula als Kulturwissenschaftlerin bekannt und gut vernetzt. Sie war Mitglied des Ulmer Vereins für eine engagiert-politische, links orientierte Kunstwissenschaft, ihre Aufsätze fanden Eingang in die akademische Welt, selbst in einer türkischen Fachzeitschrift findet sich ein Aufsatz von ihr über ‚Hamburg, die Stadt der Architekten‘ (Şehrin Mimarisi). Vor allem fehlt sie uns als liebevolle und großzügige Freundin, als anregende und eigenwillige Gesprächspartnerin, als Zauberin originalen Apfelstrudels, und vielem mehr. Ihre tückische Krankheit hat sie schon seit Jahren immer mehr von uns entfernt. Nun nehmen wir Abschied für immer.“ (Claudia Preuschoft)[1]
„Abschied nehmen mussten wir schon länger von den lebhaften und anregenden Treffen in ihren verschiedenen Wohnungen: dem alten Industrie-Gebäude im Hinterhof in der Koppel und später in der Langen Reihe, mit der großen inzwischen berühmten alten Buche im Hof, die Ursula so sehr geliebt hat – wie übrigens auch die heutigen BewohnerInnen. Diese Gebäude waren oder sind Zeugnis der alten Industrie-Kultur St. Georgs, das eine Gebäude inzwischen abg-rissen, das andere zurzeit restauriert. Hier lag ihre Wohnung, schlicht und mit geschmackvollen Flohmarkt-Möbeln ausgestaltet, ohne Fernsehgerät aber mit einer riesigen Anzahl von Büchern, Fachzeitschriften und einem großen Schreibtisch, an dem sie auch ihr Buch ‚Hamburg Innenstadt, von der alten Kaufmannsstadt zur modernen City‘ schrieb. Hierher lud sie regelmäßig ihre Freunde zu großen Abendessen ein. Bis das wegen ihrer fortschreitenden Krankheit nicht mehr möglich war. Ihr Sohn fand – wieder in St. Georg – ein neues Zuhause für sie. Hier, im Mariannen-Paulinen Stift in der Brennerstrasse, lebte sie von 2009 bis zu ihrem Tod am 21. August 2019 inmitten einer lebendigen Gemeinschaft, umgeben von fürsorglichen und liebevollen Pflegerinnen und Pflegern. Ihr Sohn Lambert hatte ihr mit den vertrauten Gegenständen eine verkleinerte Version ihrer Wohnung eingerichtet, aber meist hielt sie sich in dem allgemeinen großen Wohnzimmer auf, oder auf dem Balkon. Auch hier noch schien sie immer wieder den Kontakt zu St. Georg zu suchen – auf ihren von Freunden oder Betreuern begleiteten kleinen Ausflügen in den Lohmühlenpark oder an die Alster. Ursula, du wirst uns fehlen.“ (Ulle Schröder)[1]
Nach Ursula Schneiders Tod richtete der Verein der Freunde des Museums der Arbeit (FdMA), dessen Gründungsmitglied Ursula Schneider gewesen war, einen „Ursula-Schneider-Preis“ ein, den er erstmals 2020 vergab. Der Preis wird „für studentische Abschlussarbeiten, die sich mit der Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Arbeitswelten befassen“ vergeben. „Der Preis soll dazu motivieren, arbeitsweltliche Themen in allen ihren Dimensionen in Studium und Forschung stärker zu bearbeiten.“[2]