Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Anita Horz

(31.08.1944 Ehrhorn/Soltau – 13.10.2020 Hamburg)
Dipl. Kauffrau, Produktionsleiterin
Osterstraße 35 (Wohnadresse)
bestattet im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756


Kriegsbedingt kam Anita Horz auf dem Land zur Welt. Den größten Teil ihres Lebens lebte sie im Elternhaus in Hamburg Osterstraße 35. Dies wurde 1871 von ihrem Großvater erbaut und war das älteste noch erhaltene Haus Eimsbüttels, es wurde leider 2016 abgerissen.
Anita Horz studierte nach einer Banklehre Betriebswirtschaft. Nach Aufenthalten in Großbritannien und den USA arbeitete sie bei VW in Wolfsburg und lange Jahre bei Unilever in Hamburg.

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Anita Horz, Quelle: privat

Mit Mitte 30 begann für sie ihr „zweites Leben“. Sie outete sich als lesbisch und machte ihre ersten Super 8 Filme. Seit der Gründung von bildwechsel 1979/80 war sie regelmäßige Teilnehmerin der Kinoabende und Diskussionen. Als ideelle und finanzielle Unterstützerin gehörte sie zu bildwechsels „Hall of Fame“. 1982 begann sie mit 38 Jahren das lang ersehnte Filmstudium bei Helke Sander an der Hochschule für bildende Künste.
Ein halbes Jahr später bekam sie die Diagnose Multiple Sklerose. Sie war natürlich schockiert, hat jedoch niemals bereut, dass sie ihre gut dotierte Position und die materielle Sicherheit im Konzern, Betriebsrenten usw. aufgegeben hatte.
Sie beschloss, diese Krankheit erst einmal zu ignorieren und hat weiter studiert und gearbeitet.
Neben der Arbeit an eigenen Kurzfilmen wie z.B. „Pas de deux“ war sie Produktionsleiterin für etliche Filme, u.a. „Giarres“ von Reinhard von der Marwitz 1984 (Max-Ophüls-Preis), „Warten auf Marie“ 1985 von Gisela Stelly Augstein, „Tod eines Nachrichtensprechers“ 1986 von Volker Einrauch, „Die Jungfrauenmaschine“ 1988 von MonikaTreut. Alles sogenannte Außenseiterfilme, die heute z.T. Kultstatus haben.
Sie arbeitete ab 1988 als kaufmännische Geschäftsführerin für das Hamburger Lowbudget Film Festival, dem Vorgänger des Hamburger Filmfestes. In den frühen Neunzigern war sie kaufmännische Leiterin der Lawaetz-Stiftung. 1993 übernahm sie die Geschäftsführung der Hamburger Kammerspiele (Intendanz Stephan Barbarino).
1997 zwang die MS sie in den Rollstuhl und verhinderte sukzessive eine weitere Erwerbstätigkeit, hinzu kam eine Krebserkrankung und schwere rheumatoide Arthritis.
Trotz allem blieb sie aktiv und voller Lebenshunger. Kino, Festivals, Oper, Museen, Künstlerinnen. Reisen trotz aller Hindernisse. Und über all die Zeit, seit der Gründung 1983 liebte sie die Treffen und Turns mit ihrem Seglerinnen-Verein, zuletzt als Ehrenmitfrau.
Seit ihrer „Entdeckung der Frauen“ war sie eine unermüdliche Streiterin für die Rechte der Frauen, nicht zuletzt in ihrer unnachahmlichen Sprache. Sie benutzte die weibliche Form konsequent, egal mit wem sie sprach und wie irritiert ihr Gegenüber war – lange bevor das „Gendern“ ein Begriff wurde.
Text: Angela Tiedt