Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Antonia Hilke Antonia Hilke, verh. Regnier, geb. Krüger

(19.11.1922 Berlin – 3.9.2009 Hamburg
Modejournalistin
Fuhlsbüttler Straße 756, bestattet auf dem Friedhof Ohlsdorf, Grablage BH 64-194


Antonia Hilke schrieb mit ihrer TV-Modesendung Fernsehgeschichte. Im Wikipedia-Eintrag über sie steht u. a.: „Antonia Hilke hatte eine jüdische Mutter, weshalb sie 1941, nach dem Abitur, nicht studieren durfte. Sie besuchte stattdessen in den Jahren 1942 und 1943 die Kunstschule Kunst und Werk – Privatschule für Gestaltung in Berlin-Schöneberg, als welche die renommierte Schule Reimann in den Jahren des Dritten Reiches bis zu ihrer kriegsbedingten Zerstörung weitergeführt wurde. Gegen Kriegsende arbeitete Hilke einige Zeit lang in einer Rüstungsfabrik.
Nach dem Krieg lebte sie in Hamburg, wo sie ab 1950 als Zeichnerin von Illustrationen und Vignetten für diverse Tageszeitungen (u. a. Die Welt) tätig war.“[1] Damals war ihre kurze Ehe bereits geschieden. „Durch Zufall bekam sie das Angebot, für den NWDR (…) eine Testsendung zum Thema Mode zu moderieren.“[1] In einem Nachruf über sie schreibt Philipp von Studnitz dazu: „Lernen würde sie das Nötige ja während der Arbeit. ‚Da müsste man ja schon bescheuert sein, wenn man es so nicht lernt‘, kommentierte Frau Hilke später auf ihre typisch schnoddrige Art ihren Entschluss, die Herausforderung anzunehmen. ‚Wenn ich einen Mann gehabt hätte, der mich versorgt, hätte ich wahrscheinlich Tennis gespielt, wie meine Mutter. Hätte Hausmädchen und Kindermädchen gehabt. Da wäre gar nichts aus mir geworden.‘ So aber macht sich Frau Hilke (schon Mutter zweier Kinder) zweimal im Jahr mit einem Kamerateam auf nach Frankreich, um direkt an den Laufstegen zu filmen, was die kommende Saison an neuen Rocklängen, Stoffen und Schnitten, Farben und Ideen für den weiblichen Kleiderschrank bringen wird. Männermode war noch weniger ein Thema als Damenmode. Selbst dafür musste Antonia Hilke eigentlich immer kämpfen.“[2]
„Aus diesem anfänglichen Versuchsprogramm wurde die Fernsehsendung Neues vom Rond Point.“1) die zwischen 1955 und 1968 ausgestrahlt wurde. „Da das Fernsehen in der Nachkriegszeit als unseriöses Medium galt, wurde die Journalistin von den Modehäusern zunächst ignoriert, sodass sie mit eigens dafür engagierten Models Modeschauen im Studio nachstellte. Der dabei entstandene Stil, Models vor dekorationslosem weißem Hintergrund zu zeigen, hat den Modejournalismus bis heute geprägt.“[3]
Nachdem die Sendung „Neues vom Rond Point“ 1968 abgesetzt worden war, erhielt Antonia Hilke 1972 die Sendung „Neues vom Kleidermarkt“, die bis 1990 ausgestrahlt wurde und ein ähnliches Konzept hatte wie „Neues vom Rond Point“. Antonia Hilke präsentierte die Mode in einem weißen Studio, ohne jegliche Dekoration, und zeichnete mit schnellem Strich die Kleider, während sie dazu die neuesten Schnitte und Linien der Kleider erklärte.
Inga Griese schreibt über Antonia Hilke: „Sie forderte und förderte Yves St. Laurent, die jungen Montana, Lagerfeld, Joop. In vielen ‚warum-ich-bin-was-ich-bin‘ Berichten von jüngeren Designern taucht Frau Hilke als Grund auf. Karl Lagerfeld schwärmt: ‚Sie war die einzige deutschsprachige Informationsquelle, die credible war.‘“[4]
„Später kam das Prêt-à-Porter auf und sie leistete echte Überzeugungsarbeit, dass das Fernsehen Zutritt zu den Schauen bekam. Angst vor Kopisten und das negative Image des Fernsehens konnte sie durch kontinuierliche Verlässlichkeit und ihr ruhige, sachliche Art widerlegen. Außerdem hielt sie, heute kaum vorstellbar, immer ein, dass die Aufnahmen erst ein halbes Jahr später in der laufenden Saison gezeigt wurden. Neben den Defilees und Tendenzen brachte sie das Ganze in einen wirtschaftlichen und kulturellen Kontext. Deutschland war über Jahrzehnte der größte Textil-Exporteur der Welt und Frau Hilke versuchte immer wieder dem Phänomen auf die Spur zu kommen, warum die Deutschen Mode nicht ernst nahmen (bis heute ein Stiefkind) und versuchte dem Ganzen einen höheren Stellenwert zu verpassen“, schreibt Peter Kempe 5) Und weiter schwärmt er mit Recht: „Bei Frau Hilke wirken durch ihre absolute Sachlichkeit der Anspruch und das Niveau für diese Mode, die für die Zuschauer meist unbezahlbar war und zu der Zeit ja auch für die meisten Menschen gar nicht zu bekommen war (die Kollektionen gab es in Deutschland meist nur in drei bis vier Geschäften und außer Saint Laurent hatte ja keiner eigene Läden) völlig greifbar und normal. Es war einfach klar, dass man sich an dieser Qualität und den Tendenzen orientierte. (…). Sie brachte Paris und die Mode von Sonia Rykiel, Dorothee Bis, Anne Marie Beretta und Ungaro in die Wohnzimmer und in die Läden, denn der gesamte deutsche Textilhandel saß ja auch vor dem Fernseher. (…)
Ihre Sprache, ihre Tonalität haben uns bis heute beeinflusst, wie auch überhaupt zwei ganze Generationen die Abläufe von Modekollektionen, Vorbereitungen und Hintergründe der Mode von ihr gelernt haben und geprägt worden sind.
Heerscharen von Designern und Moderedakteuren haben ihren Beruf ergriffen weil sie durch Antonia Hilke begeistert wurden. (…).“[5]
„Hilke war in zweiter Ehe mit Henri Regnier [1917-1988] verheiratet, der viele Jahre Unterhaltungschef des NDR gewesen ist. Sie war Mutter von zwei Kindern, die aus ihrer ersten Ehe hervorgingen.“[1]
Philipp von Studnitz in seinem Nachruf auf Antonia Hilke weiter: „1990 beendete sie ihre Fernseharbeit, denn im Kopf hatte sie ‚alte Zeitungsdrachen‘, die nie aufhören konnten: ‚Nee, das möchte ich nicht, noch als alte Schrunzel …‘ Zwei Jahre zuvor war ihr zweiter Mann, Henri Regnier, gestorben. Dass ihre Sendung nie wieder aufgelegt wurde, ist bezeichnend. Es gab wohl niemanden mehr mit ihrer Kenntnis und Konsequenz, mit ihrem unbestechlichen Stil und dem diszipliniertem Engagement für die bunte, große Modewelt. Dass sie übrigens jahrelang hauptsächlich fürs Schwarzweiß-Fernsehen produzierte, fand sie nie schwierig: ‚Ich musste einfach mehr nachdenken und trotzdem harmonisch arrangieren.‘ Die vergangenen Jahre lebte Antonia Hilke zurückgezogen mit einem kleinen, exklusiven Familien- und Freundeskreis in Hamburg.“[2]
Auf dem Filmfest Hamburg wurde im Herbst 2021 der 2012 von Oliver Schwab gedrehte Dokumentarfilm „Bienvenue im Kleidermarkt – Antonia Hilkes legendäre TV-Modenschau“ gezeigt.