Irene Schulte-Hillen Irene Schulte-Hillen, geb. Pfeiffer
(25.4.1948 – 12.1.2023 Hamburg9
Präsidentin der Deutschen Stiftung Musikleben
Stubbenhuk 7 (Wirkungsstätte: Deutsche Stiftung Musikleben)
Grotiusweg 37 (Wirkungsstätte)
Irene Schulte-Hillen, so heißt es im Nachruf der Deutschen Stiftung Musikleben: „führte 30 lang die deutsche Stiftung Musikleben und machte sie zur einer der wichtigsten Förderinstitutionen für hochbegabte junge Musikerinnen und Musiker in Deutschland. Ihre Vision: junge Künstlerinnen und Künstler durch wertvolle Leih-Instrumente und individuelle Förderung bei ihrer Ausbildung zu begleiten. So geht der Deutsche Musikinstrumtenenfonds mit seinen heute über 250 herausragenden Streichinstrumenten auf ihre Initiative zurück, der Fonds ist heute das Herzstück der Stiftung. Musik spielte in Irene Schulte-Hillens Leben immer eine wichtige Rolle; sie selbst hatte neben Volkswirtschaftslehre auch Gesang studiert. 1992 richtete sie für die Stiftung eine Geschäftsstelle in Hamburg ein und rief im gleichen Jahr die Konzertreihe ‚Foyer junger Künstler‘ ins Leben sowie zahlreiche Stipendien- und Patenschaftsprogramme, die das Fundament der Stiftungsarbeit bilden. Auch die Kooperation mit dem Bundeswettbewerb ‚Jugend musiziert‘ und dem Deutschen Musikwettbewerb sowie die Förderung und Zusammenarbeit mit dem Bundesjugendorchester waren ihr wichtige Projekte. Besonders lag ihr auch das jährliche Sommerkonzert in St. Severin auf Sylt am Herzen. Drei Jahrzehnte lang engagierte sie sich mit hohem persönlichem Einsatz in der Stiftungsarbeit und nahm selbst großen Anteil an der Ausbildung der Stipendiatinnen und Stipendiaten. (…)
Im Dezember 2022 legte sie ihr Amt als Präsidentin nieder und wurde vom Präsidium für ihre großen Verdienste zur Ehrenpräsidentin ernannt.“[1]
In einem persönlichen Nachruf von Prof. Dr. Manfred Lahnstein, Kuratoriumsmitglied der Deutschen Stiftung Musikleben heißt es u. a.: „Im alten ‚Paolino‘ an der Außenalster lag die Speisekarte mit einem Foto aus. Es zeigte Irene Schulte-Hillen mit ihrem Mann Bela, Henri Nannen und Johannes Groß. Die lachten einen an – ein Bild eindrucksvoller Lebensfreude. Dieses Bild ist mir über vier Jahrzehnte nicht aus dem Kopf gegangen, in denen ich Irene gekannt und bewundert habe. Ob am Grotiusweg oder auf Sylt, ob auf Upper Captiva Island oder in der Geschäftsstelle der Stiftung: überall war sie mehr als präsent in einer unvergesslichen Mischung aus Energie, Optimismus, Selbstbewusstsein und Zuwendung. Für ‚ihre‘ jungen Musikerinnen und Musiker hat sie wie eine Löwin gekämpft. Ich habe erleben dürfen, dass sie sich bei ihr gut aufgehoben, ja zuhause gefühlt haben. Und die großen Erfolge ihrer Arbeit werden zu Recht gewürdigt.
Herzerwärmend bei aller Erschütterung dann ihr Einsatz für ihren erkrankten Mann. Bela, den doch anscheinend nichts umwerfen konnte! Ach, hätten wir ihr diesen schweren Weg doch irgendwie erleichtern können!“[2]
In seinem persönlichen Nachruf auf Irene Schulte-Hillen schreibt Dr. Clemens Trautmann vom Präsidium der deutschen Stiftung Musikleben u. a. : „Wie wegweisend sie für Laufbahnen von jungen Musikern wie mich mit Rat und Tat, Herz und Verstand wirklich war, ist mit dem offiziellen Titel ‚Präsidentin der Deutschen Stiftung Musikleben‘ unzureichend wiedergegeben - eine Rolle, die sie sagenhafte drei Jahrzehnte ehrenamtlich und zuletzt ehrenhalber bekleidete.“[3] Clemens Trautmann erinnert sich dabei an: „ Die Anmoderation unseres ersten größeren Stiftungs-Auftritts in Schloss Pillnitz Dresden, bei der die übersprudelnde Begeisterung für die Sache und die jungen Leute wichtiger ist als das eigentlich Gesagte. Der Spontan-Flug nach Tel Aviv zu einem Konzert an der Koteret-Journalistenschule und der reflektierende Spaziergang in Jaffa am Morgen darauf. Das ernste Gespräch zur Nachtstunde nach dem Sylter Sommerkonzert, wo es darum geht, dass berufliches und privates Glück vielleicht auch darin liegen könnte, auf eine Musikerkarriere zu verzichten - wie die junge Gesangsstudentin Irene Schulte-Hillen das unter anderen Vorzeichen selbst getan hat. Die letzte gemeinsame Präsidiumssitzung mit den Weichenstellungen für die Zukunft der Stiftung, ihres Lebenswerks, wo sich Sorge und Pflichtgefühl immer mehr in Vertrauen und Zuversicht wandeln. Und nicht zuletzt - wiederum zwei Jahrzehnte zuvor - die fast ungläubige Freude, die bis in die letzte Reihe der Weggefährten in Schloss Bellevue strahlt, als Irene Schulte-Hillen aus der Hand des Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz erhält. Man meint das bescheidene Stiftungs-Motto zu verspüren, das einer der Gründer salopp so formulierte: ‚Ich sammle doch nur das Geld anderer Leute für junge Menschen, an deren Begabung ich nicht schuld bin.‘
Irene Schulte-Hillen hat unglaublich viel erreicht mit diesem Arbeitsethos, mit ihrer Begeisterung und vor allem auch mit ihrer klugen Entschlossenheit - gerade dann, wenn sich großartige Möglichkeiten abzeichneten: die Musikinstrumente der Bundesrepublik und DDR im Deutschen Musikinstrumentenfonds zu vereinen, eine Dankeschön-Tournee des Bundesjugendorchesters in die USA zum Jubiläum der Luftbrücke zu organisieren und nach Polen im Zeichen der Aussöhnung Europas. Und sie hat die Stiftung durch Partnerschaften, mutige Instrumentenkäufe (unvergesslich die charmante Sprachfärbung, wenn Irene Schulte-Hillen von ‚Inschtrumenten‘ sprach) und die Bindung treuer Freunde, Förderer und Kuratoren in eine neue Dimension geführt, in der sie weiter verlässlich und kreativ an einem vielfältigen und sich stets erneuernden Musikleben mitwirken kann.“[3]
In einem Interview mit der Hamburger Abendblatt Journalistin Verena Fischer-Zernin, das am 22. Februar 2018 im Hamburger Abendblatt veröffentlicht wurde, erzählte Irene Schulte-Hillen, die in Aachen aufwuchs, über ihre Kindheit, Jugend und ihren Werdegang. „Mein Vater studierte während des Russlandfeldzuges Medizin in München und verbrachte seine Trimesterferien als Sanitäter an der russischen Front. (…). Er bemühte sich, gerecht zu sein, aber er war auch sehr hart. Er hatte Sorge, dass das Leben seiner Kinder zu einfach wäre und wir zu leichtlebig würden. Ich durfte nur nach langen Diskussionen zur Tanzstunde.“[4]
Irene Schulte-Hillens beruflicher Werdegang wurde stark durch die väterlichen Prinzipien geprägt. Zu ihrem Wunsch, Musik zu studieren, äußerte der Vater: „Du mußt dich zur Not selbst ernähren können. Also habe ich Volkswirtschaftslehre studiert. Und dann geheiratet. 1971 zog ich mit meinem Mann nach Barcelona. Aber ich bekam dort keinen Job. Frauen im Management waren unüblich. Dazu war ich so groß – und ich konnte nicht Schreibmaschine schreiben! Nach dem sechsten vergeblichen Vorstellungsgespräch bin ich wütend durch die Ramblas gestapft und stand plötzlich vor dem Konservatorium des berühmten Liceu. Da bin ich einfach reingegangen. Dort traf ich einen alten Herrn, der hatte früher als Tenor am Opernhaus gesungen und war Dozent. Der sagte, dann sing mal vor. Und hat mich genommen! Zwei Jahre habe ich dort studiert und später an der Hamburger Musikhochschule weitergemacht. Das war eine tolle Zeit. Ich hatte sehr viel Einzelunterricht, lernte klassischen Tanz, (…).“ [5]
Doch, da Irene Schulte-Hillen drei Kinder bekam, brach sie das Studium ab, um sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Gleichwohl wurde ein wesentlicher Teil ihres weiteren Lebenswegs wiederum vom Vater geprägt: „Das Credo meines Vaters war: Man muss etwas zurückgeben dafür, dass man in einem so guten Staat leben darf. Das hat mich geprägt.“[6] Und so kam Irene Schulte-Hillen zur Deutschen Stiftung Musikleben. Dazu äußerte sie in dem mit Verena Fischer-Zernin geführten Interview: „1987 bestellte mich Eduard Söring ein (…), der lange Jahre Vorstand der Deutschen Stiftung Musikleben war. Ich traf den alten Herrn im Windfang eines Hotels. Da saß er, als wartete er auf ein Taxi, und erzählte mir von der Stiftung. Die hatte damals kein Programm und kein Profil. (…) Söring merkte, dass seine Kräfte nachließen. Er bat Reinhard Mohn um Hilfe, den Eigentümer von Bertelsmann, wo mein Mann arbeitete. Und da bei Bertelsmann alle wussten, dass ich Musik studiert hatte, fiel mein Name.“ [7]
„Selbstbewusst im Auftreten und klar im Denken, war sie in der Welt derer, die sie als Mäzene zu gewinnen hoffte, auch dank ihrer Ehe mit dem Bertelsmann-Vorstand Gerd Schulte-Hillen [1940-2021] bestens vernetzt“,[8] schreibt Verena Fischer-Zernin in ihrem Nachruf auf Irene Schulte-Hillen. Und weiter äußert Verena Fischer-Zernin: „Es kann nicht immer leicht gewesen sein, mit einer so eigenwilligen Persönlichkeit zusammenarbeiten. Aber was das kleine Team am Stubbenhuk (inzwischen unter der Leitung von Bettina Bermbach) Jahr um Jahr auf die Beine stellt, spricht für sich. Jedes Jahr Ende Februar bewerben sich in einem Wettbewerb im Museum für Kunst und Gewerbe die vielversprechendsten Nachwuchsmusiker und -musikerinnen um kostbare Streichinstrumente aus dem Deutschen Musikinstrumentenfonds. Der Fonds ist das Herzstück der Stiftungsarbeit und Schulte-Hillens Initiative zu verdanken.
So wichtig es für die Stipendiaten ist, hervorragende Instrumente zu spielen, so intensiv ist ihre persönliche Bindung an die Stiftung. Und das hieß mehr als 30 Jahre lang: an Irene Schulte-Hillen.“ [9]
Vor ihrem Haus Grotiusweg 36 wurde von Jahren ein von dem Künstler Volker Lang geschaffenes Mahnmal für die jüdischen Opfer der Deportation aufgestellt. Es erinnert an 17 verfolgte Blankeneser Jüdinnen und Juden, „die zwangsweise in das so genannte Judenhaus eingewiesen und von dort nach Theresienstadt, Auschwitz, Lodz und Riga deportiert und ermordet worden.
Die Initiative zu dem Mahnmal geht auf den Verein zur Erforschung der Geschichte der Juden in Blankenese und das Ehepaar Gert und Irene Schulte-Hillen zurück, die heute Eigentümer des Hauses sind. Das Mahnmal wurde durch private Spenden finanziert. Es steht auf öffentlichem Grund und wird vom Bezirksamt Altona unterhalten,“ [10] heißt es auf der Seite der Behörde für Kultur und Medien.
Die damalige Hamburger Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler: sprach in ihrer Rede zur Einweihung des Mahnmals auch das Ehepaar Schulte-Hillen an, indem sie sagte: „„Die Freie und Hansestadt Hamburg ist außerordentlich dankbar, dass aufgrund der Initiativen des Vereins für die Erforschung der Geschichte der Juden in Blankenese und der heutigen Eigentümer des Hauses Grotiusweg 36 dieses würdige und gestalterisch überzeugende Mahnmal für diese besonders traurigen und bitteren Vorgänge der Nazizeit in Hamburg errichtet werden konnte. Mein besonderer Dank gilt dem Verein und Herrn und Frau Schulte-Hillen, die mit absolut großherzigen Spenden die Realisierung des Mahnmals ermöglicht haben.“[11]