Heike Mundzeck Heike Mundzeck, geb. Langosch
(19.3.1938 – 24.2.2023)
Journalistin und Filmemacherin
Isestraße 61 (Wohnadresse)
Bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof
Heike Mundzeck erhielt im Laufe ihrer journalistischen Tätigkeit viele Auszeichnungen. So 1989 die Ludwig-Thoma- Medaille für mutigen Journalismus; im selben Jahr auch den Eduard-Rhein-Kulturpreis; Ein Jahr später, 1990, den Pressepreis des Deutschen Anwaltsvereins; wieder ein Jahr später, 1991, den Jakob-Kaiser-Preis des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen; 1995 dann das Diplom des Deutschen Industrie- und Wirtschaftsfilm-Forums; 2002 die Lebensuhr der Gesellschaft für Humanes Sterben und 2008 die Hedwig-Dohm-Urkunde des Journalisteninnenbundes.
Als Tochter war Heike Langosch von ihrem Vater ungewollt. Er wollte einen Jungen als Sohn. In der NS-Zeit ließ er, Katholik, Jurist und Polizeipräsident in Kiel die Synagoge von Friedrichstadt in ein Wohnhaus für seine Familie umbauen, wo er mit seiner protestantischen Ehefrau und den drei Kindern dann lebte.
2005, 60 Jahre nach Kriegsende, drehte sie über dieses Thema einen selbstfinanzierten Dokumentarfilm mit dem Titel „Wer wohnte in der Synagoge von Friedrichstadt?“ und zeigte ihn im Hamburger Abaton-Kino. Hierfür erhielt sie die Ludwig-Thoma-Medaille.
Als Kind wusste sie nicht, dass sie 1944 in einer ehemaligen Synagoge gewohnt hatte. Sie stieß darauf, als sie bei einem Ausflug nach Friedrichstadt einen Gedenkstein, der an die Synagoge erinnert, entdeckte. „Den Auftrag zum Umbau des in der Reichspogromnacht 1938 geschändeten Tempels hatte ihr Vater, Polizeipräsident von Kiel und hoher SS-Offizier, gegeben. Er wollte seine Familie nach den Bombenangriffen auf Hamburg in Sicherheit bringen. ‚Es war ein Moment der Scham‘, gesteht die heute 66jährige, die als Dokumentaristin zahlreiche preisgekrönte Filme über Kinder ehemaliger NS-Täter und ihrer Opfer gedreht hat. ‚Doch dann stand für mich fest, den Ereignissen von damals nachzuspüren.‘ Mit ihrem Vater hatte sie nach 1945 nicht über seine Verstrickungen gesprochen. Sie habe es versucht, aber ‚es gab heftigen Disput, aber keinen kritischen Dialog,.“[1] heißt es in einem Hamburger Abendblatt Artikel.
Heike Mundzeck entschied sich bereits als Jugendlich Journalistin zu werden. Sie studierte von 1957 bis 1963 Rechts- und Staatswissenschaften, weil der Vater meinte, sie sollte etwas Solides studieren. Nach dem Examen schlug sie aber nicht die juristische Laufbahn ein, sondern absolvierte zwischen 1963 und 1964 ein journalistisches Volontariat bei der Tageszeitung „Die Welt“. Danach arbeitete sie als Redakteurin im Kulturteil der Zeitung.
1968 wurde ihr Kind geboren, 1971 ließ sich Heike Mundzeck scheiden.
„Ab 1971 war sie freie Journalistin und schrieb viele Jahre für Tages- und Wochenzeitungen (u. a. Frankfurter Rundschau, Die Zeit) sowie für Frauenzeitschriften (Brigitte, Für Sie, Petra). Sie war u. a. als Fernsehkritikerin und Interpretin von Rechtsreformen tätig.“[2]
Die Entscheidung ihre Festanstellung aufzugeben und sich als freie Journalistin zu betätigen, war den nicht gerade kindgerechten Arbeitszeitungen in einer Redaktion geschuldet. Dazu erzählte Heike Mundzeck in einem Interview mit Birgit Kersten vom Deutschen Juristinnenbund: „Ich habe zunächst weiter für Zeitungen und Frauenzeitschriften geschrieben, die gesamten Rechtsreformen in Familien und Fallgeschichten übersetzt und den Leser/innen erzählt, was Neues auf sie zukommt, zum Beispiel beim elterlichen Sorgerecht, beim Eherecht, beim Scheidungsrecht, beim Rentenrecht usw. Daneben wurde die kindliche Entwicklung als publizistisches Thema zu meinem zweiten Standbein. Ich hatte ja selber ein Kind, habe sehr viel über Pädagogik gelesen und mich auch über Entwicklungspsychologie weiter informiert. Später kamen Bildungsthemen hinzu, darunter auch das damals heiß diskutierte Thema Kinder und Fernsehen. Darüber habe ich dann viele Artikel, Broschüren und auch zwei Bücher geschrieben.
Der Beruf stand für mich – neben meinem Sohn natürlich – immer im Mittelpunkt meines Lebens. Als mein Sohn groß wurde und die Mutter nicht mehr so brauchte, habe ich mich dann noch mehr darauf konzentriert. (…). ich wollte Menschen und ihre Lebensverhältnisse verstehen lernen und mit meinen Berichten zum Erkennen und Beseitigen von Missständen beitragen.
Ich habe 1989 zum zweiten Mal geheiratet. Mein Mann war Leiter des Landessozialamtes hier in Hamburg und dann Staatssekretär für Soziales im Berliner Senat. Meine Interessen und seine berufliche Arbeit verbanden sich damit auf das Glücklichste.“[3]
„Ab 1973 war Mundzeck Filmemacherin (Buch und Regie, dann auch Produktion) und hat an mehr als 100 Fernsehproduktionen (Dokumentationen, Features, Reportagen) über Benachteiligung und Gewalt in unserer Gesellschaft für ARD und ZDF sowie für die Bundeszentrale für politische Bildung und andere Bildungseinrichtungen gearbeitet. Laut Journalistinnenbund hat Heike Mundzeck durch ihre Arbeit ‚Frauen in einer globalisierten Welt Aufklärung und Unterstützung vermittelt‘.[4]
Von 1987 bis 1990 absolvierte sie dann noch eine Ausbildung in körperorientierter Gestalttherapie.
„Von 1994 bis 2003 war Heike Mundzeck Vorstandsmitglied der Hamburgischen Anstalt für neue Medien. Sie war Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK) und engagierte sich zum Beispiel im ZONTA-Club, einem weltweiten Zusammenschluss berufstätiger Frauen in leitenden oder selbständigen Positionen.“[5] Auch war sie zwischen 1987 und 1989 Vorstandsmitglied des Deutschen Juristinnenbundes.
Auf die Frage, wann und warum sie sich für feministische Rechtspolitik zu interessieren begann, antworte Heike Mundzek: „Mit der Reformpolitik der sozialliberalen Koalition in den 70er Jahren bin ich so richtig politisch aufgewacht. Die Reform des Scheidungsrechts, die Neuerungen beim Unterhalt und der Versorgungsausgleich, das geänderte elterliche Sorgerecht, die Rentendebatte. Damals fingen auch die ersten Diskussionen mit feministischem Hintergrund an, über Abtreibung zum Beispiel. Ich habe damals unter anderem die Dokumentation über den Memminger Abtreibungsarzt gedreht, mit der ich immer noch zitiert werde (Filmtitel: ‚Mit unerbittlicher Härte‘). Es war ein Skandalprozess und der Film zeigte auf, was in unserer Republik passierte. Eine hochspannende Zeit.“[6]
In der Laudatio für Heike Mundzeck anlässlich der Überreichung der Hedwig-Dohm-Urkunde des Journalistinnenbundes sprach Sabine Zurmühl einige Filme von Heike Mundzeck an: ‚‘Im Schatten des Holocaust‘. Ein Film, der die zwiespältigen Gefühle der Kinder von Holocaust-Überlebenden in Israel zeigt, ein Film, der die Opfer, die ‚schwachen Väter‘ thematisiert, die – ebenso wie deutsche Täter-Kriegsväter – auch nicht über ihre Erfahrungen sprachen, die auch ein Tabu aufbauten, die Kinder einsam ließen in ihren Fragen.
Heike Mundzeck hat jahrzehntelang sensibel neue Themen aufgespürt. Im persönlichen Gespräch haben wir uns ausgetauscht über den Wunsch, als Filmemacherin und Regisseurin die Gesprächspartner nie ‚vorzuführen‘, sondern ihnen Bedingungen bereitzustellen, in denen sie sagen dürfen, was sie äußern können und wollen. Kein investigativer Journalismus also, sondern einer, der immer ganz eng an der Erfahrung ist, der Erfahrung als hohes Gut respektiert, Erfahrung zur politischen Größe macht, ohne die keine sozialen Veränderungen greifen können. Anschauen, nicht vorwerfen, protokollieren, nicht verdammen. Wohl aber: Position beziehen, wenn die Grenzen der Menschenrechte, der Frauenrechte überschritten sind, wenn Gewalt und Verachtung gegenüber Menschen herrschen. Heike Mundzeck ist mitgefahren auf Patrouillen im Kosovo, sie engagiert sich lebenslang gegen Krieg und Übergriffe.“[7]
Und auch über einen weiteren Film sprach Sabine Zurmühl in ihrer Laudatio, und zwar über den Film „Die Sache – Feldzug gegen ein Tabu“. „Heike Mundzeck zeigt in diesem Film zu Beginn den Vorgang der Verstümmelung, der Beschneidung, im Bild – mit Weichzeichner; aber der Schrei des kleinen Mädchens ist zu hören, begleitet einen durch die gesamte Dokumentation. Ein bisher einzigartiger mutiger Beitrag, der im besten Sinne der Aufklärung verpflichtet ist und den missachteten Mädchen eine Stimme gibt. (…).
Heike Mundzeck (…) ist eine mutige Chronistin, sie hat mit ihren Arbeiten, Filmen, Büchern, Artikeln ein Lebenswerk geschaffen, für das ihr Respekt und Dankbarkeit besonders von Journalistinnen gebührt, die wir einschätzen können, welchen Mutes und welcher humanen und professionellen Beharrlichkeit es bedarf, sich selbst mit dem Engagement für die Geschwächten oder noch Schwachen – wie die Kinder – treu zu bleiben. Von den reformfreudigen Siebziger Jahren der sozial-liberalen Koalition, dem Kampf um den § 218, dem Einsatz immer wieder für Kinder, bis hin zur kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis Deutschlands zu Israel und dem Engagement z.B. im ZONTA-Club oder bei Projekten für Mädchen mit Migrationshintergrund.“[8]