Bertha Paulssen
(15.1.1891 Leipzig – 2.4.1973 Gettysburg)
Regierungsrätin im Hamburger Jugendamt
Goethestraße 18 (Wohnadresse)
Bertha Paulssen war die Tochter von Ida Paulssen, geborene Heine und des Kaufmanns Otto Paulssen. Nach dem Besuch der Büttnerschen Höheren Töchter-Schule in Gohlis, dem Besuch der Realgymnasiumkurse des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins machte sie 1910 das Abitur an der Petrischule Leipzig. Dann studierte sie bis 1913 in Göttingen und Leipzig Mathematik und Naturwissenschaften. Während ihres Studiums war sie „ein Jahr lang Gaststudentin an einem College in den USA“.1) 1917 promovierte sie am Institut für experimentelle Psychologie der Universität Leipzig.
„Sie arbeitete nach ihrem Studium als Fürsorgerin in Frankfurt am Main, Kiel und Stettin. Auf Anregung von Wilhelm Hertz [damals Direktor des Landesjugendamtes und Jugendamtes in Hamburg] ging sie 1923 als wissenschaftliche Angestellte nach Hamburg und wurde dort 1926 im Rang einer Regierungsrätin Abteilungsleiterin im Jugendamt der Stadt. Sie beaufsichtigte die staatlichen Mädchenheime und leitete die Gefährdetenfürsorge und war für circa 800 Mitarbeiter verantwortlich. Nebenher nahm sie Lehraufträge am Sozialpädagogischen Institut der Universität Hamburg wahr. Sie engagierte sich im Deutschen Verband der Sozialbeamtinnen und in der Arbeitsgemeinschaft der Berufsverbände der Wohlfahrtspflegerinnen Deutschlands“ 2) heißt es in Wikipedia.
Paulssen beschäftigte sich z. B. intensiv mit der Verwahrlosung junger Mädchen. Hierzu schrieb sie in einem Aufsatz u. a.: „Die Madchenverwahrlosung ist fast ausschließlich sexueller Natur; nur ganz selten finden wir reine Kriminalität, im Gegensatz zum männlichen Geschlecht, das eigentlich immer kriminell verwahrlost. Da, wo Mädchen straffällig werden, lassen sich meist enge Beziehungen zwischen ihrer Straftat und ihrem Sexualleben nachweisen. Entweder sind die Jugendlichen von ihren zeitweiligen Liebhabern direkt angestiftet in diesen Fällen werden sie auch in schwere Verbrechen wie Einbruch, Raubmord, Mord verwickelt -, oder' es treten als typische Delikte Gewerbsunzucht, Beischlafsdiebstahl, Gelegenheitsdiebstahl im häuslichen Kreise aus Putzsucht, Arbeitsscheu und Herumtreiben auf!) - durchgehend die Folgen früher und frühster sexueller Entgleisungen. Fast bei allen verwahrlosten Mädchen läßt sich ein sehr früher, wahlloser, ungeregelter Geschlechtsverkehr nachweisen, der sich oft – auch bei den 14- und 15jahrigen - schon in den Formen der Gewerbsunzucht abspielt. Charakteristisch für die sexuelle Verwahrlosung ist das Fehlen jeder persönlichen Liebesbeziehung, jeder inneren Bindung an den Mann. Das eben in die Pubertät eingetretene Kind wird sofort sexuell geweckt, und das erotische Erlebnis bleibt völlig aus Es ist immer wieder erschütternd festzustellen, wie winzig klein der' Prozentsatz der Mädchen ist, die einen Mann wirklich liebgehabt haben und die seelische Form der Liebe, eine feste Bindung und wirkliche Treue kennen. Der sexuelle Verkehr bedeutet für die meisten Mädchen nichts; er ist rein der Ausdruck eines physischen Bedürfnisses - ja meist sogar nur ein Nachgeben gegenüber dem physischen Bedürfnis des Mannes. Bei Mädchen, deren seelische Entwicklung· von einem Liebeserlebnis erotischer Natur ausschlaggebend beherrscht ist, habe ich in meiner Erfahrung eine echte Verwahrlosung niemals feststellen können. (…).“ 3)
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Paulssen 1933 entlassen. Weil sie die Politik der Nationalsozialisten ablehnte, emigrierte sie nach England und arbeitete dort als Sozialarbeiterin. „1936 ging sie in die USA. In New York City arbeitete sie als Sozialarbeiterin in der Lower East Side im Henry Street Settlement und erhielt 1938 eine Dozentur am Wagner College, dann eine Beschäftigung am Lutheran Theological Seminary at Gettysburg, 1943 wurde sie die erste Professorin am Muhlenberg College. 1945 erhielt sie eine Professur am Lutheran Theological Seminary at Gettysburg und lehrte bis zu ihrer Emeritierung an der Fakultät für Soziologie und Psychologie.“ 4)