Renate Herzog
(8.4.1937 – 16.2.2024 Hamburg)
Verlagsvertreterin, Kommunalpolitikerin (SPD); Vorsitzende der Bezirksversammlung Hamburg-Nord
Maienweg 298 (Wohnadresse)
Fuhlsbüttler Straße 756, bestattet im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof
Renate Herzog arbeitete bis zu ihrer Verrentung als Verlagsvertreterin. Als Rentnerin arbeitete sie nebenberuflich für das Meinungsforschungsinstitut Allensbach. Sie war geschieden und hatte einen Sohn.
Politisch engagierte sie sich in der SPD und in der Kommunalpolitik im Bezirk Hamburg-Nord. 1987 wurde sie Mitglied der Bezirksversammlung Hamburg-Nord gewählt, deren Vorsitzende sie 10 ½ Jahre bis zum Jahr 2000 war.
Nach dem Ausscheiden aus der Bezirksversammlung war sie viele Jahre bis zu ihrem Tod für die Evangelische Kirche sehr aktiv in der Flüchtlingsbetreuung.
Trauerrede von Hermann Scheunemann
Lieber Christian, liebe Uta,
ich möchte etwas zu eurer Mutter, über den politischen Menschen Renate Herzog sagen. Für mich war sie politische Weggefährtin über mehr als 50 Jahre, immer im selben Ortsverein, dem SPD-Distrikt Fuhlsbüttel.
In den ersten Monaten unseres Kennenlernens habe ich sie aufrichtig und empathisch, gut informiert und mit klarem Urteilsvermögen erlebt, engagiert und kritikfähig in beide Richtungen.
Und viel zu bescheiden.
Nicht politische Ämter oder Mandate sagen etwas über einen Menschen aus, sondern seine Werte, Überzeugungen und politisch-gesellschaftlichen Ziele, für die er sich einsetzt, arbeitet und streitet. Und da hatte Renate ein großes Füllhorn, aus dem sie schöpfte und bereitwillig abgab.
Da war die junge Frau, die sich entschieden für eine menschliche und liberale Gesellschaft einsetzte. Frühzeitig gegen die Hamburger Praxis des Radikalenerlasses kämpfte, nach der ein Hamburger Lehrer-Ehepaar wegen seiner Mitgliedschaft in der DKP aus dem Schuldienst entlassen werden sollte, obwohl eines ihrer Elternteile im KZ ermordet worden war. Gegen Hamburger Pläne zur Vorbeugehaft und gegen die Ausuferung bei den Notstandsgesetzen. Für die Abschaffung des Paragraphen 175 StGb, der Homosexualität unter Strafe stellte und erst 1994 ersatzlos gestrichen wurde. Und für eine Reform der restriktiven Regeln im Falle von Schwangerschaftsabbrüchen.
Da war die umweltpolitische Streiterin, die sich gegen die Nutzung der Atomenergie engagierte. Es war ein Antrag des SPD-Kreises Nord, den eine Arbeitsgruppe der SPD-Fuhlsbüttel mit Freimut Duve und Renate Herzog erarbeitet hatte und der 1986 zum ersten Bundesparteitagsbeschluss führte, in dem der Ausstieg aus der zivilen Nutzung der Kernenergie gefordert wurde.
Da war ihr Kampf gegen den Bau der Osttangente, die die Autobahnen nach Flensburg und Lübeck mit einer Autobahntangente mitten durch die Stadt verbinden sollte und deren Planung eine Hochbrücke über das Zentrum Fuhlsbüttels an der Kreuzung Maienweg/ Ratsmühlendamm vorsah.
Da war ihr Engagement gegen die Planung für den Bau einer Trabantenstadt für Zehntausende Menschen in Billwerder-Allermöhe. Es war für sie immer ein Leitbild, dass eine humane Gesellschaft sich nur in einer menschengerechten, grünen Stadt entwickeln kann, in der die Nutzung der öffentlichen Räume allen Menschen, Alt wie Jung, Fußgängern, Rad- und Autofahrern gleichberechtigt offensteht.
Politische Arbeit bringt häufig Streit bei der Suche nach dem richtigen Weg; die innerparteilichen Auseinandersetzungen waren in dieser Zeit oft sehr hart, manchmal auch unversöhnlich. In solchen Situationen war Renate Herzog oft die Brückenbauerin; sie konnte Menschen zusammenführen mit ihrer einfühlsamen Autorität, Zerstrittene wieder versöhnen.
Ganz sicher hat diese Begabung dazu geführt, dass sie zur Vorsitzenden der Bezirksversammlung Hamburg-Nord, eines Verwaltungsausschusses für mehr als 300.000 Einwohnern gewählt wurde und dieses Amt 10 Jahre ausgeübt hat.
Da war ihr leidenschaftlicher Einsatz gegen das Vergessen, das Deutsche während der Nazi-Herrschaft Millionen Juden und europäische Nachbarn getötet und ermordet haben. Ihr Einsatz für die Woche des Gedenkens, jene beeindruckende Veranstaltung der Bezirksversammlung Hamburg-Nord, die jedes Jahr am Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau stattfindet mit Zeitzeugen und einer Vielzahl an kulturellen Veranstaltungen, die die Erinnerungen lebendig werden lässt und dadurch bewahrt.
Renate Herzog hat immer auf der Seite der sozial Schwachen, der politisch Verfolgten und der derjenigen Menschen gestanden, die sich schwer taten ihre Wünsche an die Politik heranzutragen. Ihnen galt ihr persönlicher Einsatz auch nach ihrem Ausscheiden aus der Politik. Sie ist zu ihnen hin gegangen, hat ihnen zugehört, mit ihnen gesprochen und geholfen, wo es ihr möglich war. Unzählige Male hat sie Menschen auf dem Weg zu Behördenterminen begleitet, um ihnen Gehör zu verschaffen und zu ihrem Recht zu verhelfen.
Es gibt Menschen, bei denen es ein großes Glück ist, sie erlebt zu haben; für die man über ihren Tod hinaus tiefe Dankbarkeit empfindet. Für mich und sicher auch für viele von euch ist dies Renate Herzog.