Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Margarethe E. Hudtwalcker Margarethe E. Hudtwalcker, später verh. Milow

(2.10.1748 Hamburg – 20.10.1794 Hamburg)
Ehefrau und Mutter
Katharinenstraße 83


Ausschnitt aus dem szenischen Rundgang "Jedes Haus sein eigenes Geheimnis". Sprecherin: Rita Bake; Margarethe Hudtwalcker: Beate Kiupel, Herma Koehn; Oktav: Dieter Schmitt

In einem typischen Kaufmannshaus des 18. Jahrhunderts verlebte Margarethe E. Hudtwalcker mit ihren neun Geschwistern ihre Kinder- und Jugendzeit bei ihren Eltern, dem Tran- und Heringshändler Jakob Hinrich Hudtwalcker und seiner Frau Sara Elisabeth geb. Ehlers. Der Nachwelt bekannt wurde Margarethe Milow durch ihre Lebensaufzeichungen, die erstmals 1987 veröffentlicht wurden. (Rita Bake, Birgit Kiupel (Hrsg): Margarethe E. Milow. Ich will aber nicht murren. Hamburg 1987 u. 1993.)
Sie ist eine der wenigen Nichtadligen des 18. Jahrhunderts, die ihr Leben schriftlich erzählten. Besonders eindrucksvoll ist ihre Schilderung der Liebe zwischen ihr und Octav, dem Kontorbediensteten ihres Vaters. Nur schüchtern und heimlich konnten sie einander ihre Gefühle erklären und leben. Denn bei Flirts und Liebesversuchen riskierten insbesondere bürgerliche Frauen und Mädchen viel. Auch für Margarethe stand ihre „Tugend“ und damit ihre gesellschaftliche Stellung auf dem Spiel. Jeder Verdacht vorehelicher Sexualität hätte Schande auf sie und ihre Familie geladen, ihre standesgemäße Versorgung durch eine gute Eheschließung unmöglich gemacht. Und Octav war wegen seines Vaters, einem Bankrotteur, nicht standesgemäß.

3040 Margarethe Hudtwalcker Milow
Margarethe Hudtwalcker-Milow, Foto: Staatsarchiv Hamburg

Eine sehr innige Beziehung hatte Margarethe zu ihrem Bruder, dem späteren Kaufmann und Senator Johann Michael Hudtwalcker (1747–1818). Er und Octav lasen z. B. Friedrich Gottlieb Klopstocks Versepos „Der Messias“ über das Leben Jesu. Hier werden Freundschaft und Liebe engelhaft rein zelebriert. Diesem Vorbild wollten Octav und Margarethe folgen. Die jungen Leute loteten beständig und nicht ohne Kummer das Verhältnis zwischen Religion, Liebe und Sinnlichkeit aus, in einer Gesellschaft mit rigidem Moralkodex.
Der Glauben spielte für Margarethe eine wichtige Rolle. Sie suchte Zuflucht bei einem göttlichen Vater, der aber auch zugleich Zuchtmeister war. Mit seiner Hilfe, so schrieb sie: „ward ich strenge tugendhafft“. Doch ihre Liebe zu Octav konnte sie nicht unterdrücken. Dies führte zu einer echten Tragödie. Verraten durch eine im Hause arbeitende Näherin, belauschte der Vater ein Rendezvous zwischen Margarethe und Octav: „Wie ich zurückgehe, sehe ich meinen Vater, seine ernste Stimme – oh, keine Stimme ist meinen Ohren furchtbarer gewesen und was er sagte, das waren Schwerter durch das Innerste meiner Seele, wäre ich in die Hände eines Mörders gefallen, ich hätte mich nicht so erschrocken, wie vor meinem Vater.“ Die Schwerter, die Margarethe nach dieser Entdeckung zu spüren bekam, waren geschmiedet aus Liebesentzug. Die Stoffe für Ballkleider wurden gestrichen, das Brot ihr bei Tisch hingeworfen, sie durfte sich nur als letzte den Teller füllen, und der Vater nannte sie Dirne.
Octav und Margarethe schrieben sich verzweifelte Briefe, versuchten sich zu trennen, litten unendlich: „Ich welkte wie eine Blume des Feldes. Die Liebe meiner Eltern, mein Zutrauen war dahin (...) Das Lesen, oh, davor ekelte mir. Andachtsbücher war mein Lesen.” Doch dann wurde ein passender Heiratskandidat gefunden, der keineswegs wohlhabende, aber – weil Geistlicher – standesgemäße Ehemann, der angehende Pastor Johann Nikolaus Milow. Nach der Hochzeit im Jahre 1769 verließ Margarethe unter großem Trennungsschmerz das elterliche Haus.
Nachdem ihr Mann einige Jahre in Lüneburg als Pastor gearbeitet hatte, erhielt er eine Stelle als Pastor beim Grafen Schimmelmann in Wandsbek. Margarethe, nach elf Schwangerschaften Mutter von acht Kindern und Hausmutter eines Knabeninternates, welches sie noch neben ihrer Arbeit als Hausfrau und Mutter mit ihrem Mann führte, hatte kaum Zeit, ihre Eltern im St. Katharinenkirchspiel zu besuchen. Mit 46 Jahren erkrankte sie an Brustkrebs, wurde erfolglos operiert und starb am 20. Oktober 1794 im Alter von 47 Jahren. Drei Monate später, am 10. Januar 1795, starb auch ihr Mann.
Die Tragik an Margarethe Milows Lebensgeschichte: Octav avancierte wenige Jahre nach Margarethes Heirat zu einer standesgemäßen Partie, da er als Kaufmann zu Geld und Ansehen gekommen war.
1995 ließ die Heinrich und Caroline Köster Testaments-Stiftung, deren Stifter mit Margarethe Milow verwandt sind, im Neubau ihres Altenwohnheims am Amalie-Dietrich-Stieg 2 in Barmbek eine Büste von Margarethe Milow aufstellen.
Text: Dr. Rita Bake