Thea Schönfelder Prof. Dr. med. Thea Louise Schönfelder
(16.2.1925 Hamburg - 25.7.2010 Hamburg)
Psychiaterin und Hochschullehrerin. Erste Frau, die in Deutschland auf einen Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie berufen wurde
Bestattet im Garten der Frauen, Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756
Von-Herslo-Weg 23 (Wohnadresse)
Universitätskrankenhaus Hamburg Eppendorf, Klinik für Psychiatrie, Martinistraße 52 (Wirkungsstätte)
Thea Louise Schönfelder wurde in Hamburg als Tochter des damaligen sozialdemokratischen Innensenators Adolph Schönfelder und seiner Frau Minna geboren. Ihre Jugend stand unter dem Zeichen der Verfolgung ihres Vaters durch das nationalsozialistische Regime; die Erfahrung der Gefährdung ihrer Familie blieb für sie lebensgeschichtlich prägend.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges studierte Thea Louise Schönfelder Medizin und wurde 1957 Fachärztin für Psychiatrie. Ein Jahr später begann sie ihre Tätigkeit am Universitäts- Krankenhaus Hamburg-Eppendorf (UKE). Dort habilitierte sie sich 1966 mit einer Arbeit über die Täter-Opfer-Beziehungen bei Sexualdelikten an Kindern. 1970 wurde sie, als erste Frau in Deutschland, auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf berufen, den sie bis zu ihrer Emeritierung im Jahre 1987 innehatte.
Dank ihres Einsatzes wurde 1971 zusätzlich zur bestehenden Kinderstation eine Jugendstation am UKE eingerichtet. Schwerpunkte ihrer klinischen Arbeit waren zum einen familientherapeutisch orientierte Behandlungsansätze, zum anderen körper- und symbolbezogene Therapiemethoden (Konzentrative Bewegungstherapie), mit deren Hilfe es ihr möglich war, Zugang zur inneren Welt auch verschlossenster Patientinnen und Patienten zu finden und Kontakt und Verständigung mit gänzlich verstummten Menschen herzustellen.
Ihre Arbeit mit Familienskulpturen bereitete den Weg für die heutige Technik der Familien- und Systemaufstellung. „Von Virginia Satir, die Skulpturarbeit in die Familientherapie integrierte, übernahm Thea Schönfelder den spielerischen Umgang mit Form und Haltung. Als Beispiel nannte sie den Satz ‚Ich häng’ an Dir’, den sie realistisch darstellen ließ. Rasch wurde den Beteiligten deutlich, dass eine derartige Beziehung für beide zur Belastung geworden war. In der Schönfelder’schen Familienskulptur stellt ein Betroffener die anderen Beteiligten derart auf, wie sie seiner Meinung nach zueinander stehen. Jeder bleibt schweigend kurze Zeit in der vorgegebenen Haltung und wird danach befragt, wie es ihm oder ihr in ihrer Position ergangen ist. Das Abfragen der persönlichen Wahrnehmung erfolgt in derselben Art und Weise, wie es später in Familien- und Strukturaufstellung üblich geworden ist. Danach können die Beteiligten spontan bessere Position wählen und werden erneut abgefragt. Letztendlich erfahren alle Familienmitglieder mehr über sich selbst und die anderen Mitglieder des ‚Systems’, dem sie angehören. (…) Insbesondere für die Einzelarbeit mit psychotischen Jugendlichen erschien diese Form wertvoll: ‚Weil man unter Umständen gar keinen andern Kontakt aufnehmen konnte, als über Berührung, über symbolische Bezüge’, so Thea Schönfelder.“[1]
Im Alter von 62 Jahren zog sich Thea Louise Schönfelder 1987 aus ihren institutionellen Aufgaben in ein selbstbestimmtes Privatleben zurück. Sie war weiterhin in Fortbildung und Supervision tätig. Zusätzlich entfaltete sie neue Interessen und Tätigkeitsbereiche: Sie beschäftigte sich intensiv mit Kreativem Schreiben, leitete dazu Seminare in der Seniorenakademie, sang im Chor der Seniorenkantorei St. Nikolai und wirkte in Altentheater-Projekten am Deutschen Schauspielhaus und am Ernst-Deutsch-Theater mit. Dabei setzte sie sich bewusst und gestalterisch mit ihrer eigenen Generation, dem Prozess des Alterns und dem Tod auseinander.
Sie war vielen Menschen eine zuverlässige, warmherzige Freundin und kluge Beraterin. Voll Freude lebte sie ihre Rolle als Großmutter.
Text: Claudia Schönfelder (Tochter von Thea Schönfelder)