Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Bertha Traun Bertha Traun, geb. Meyer (eigentlich Bertha Ronge, geschiedene Traun)

(25.4.1818 - 18.4.1863)
Mitbegründerin des Frauenvereins zur Unterstützung der deutsch-katholischen Gemeinde, des Sozialen Vereins zur Ausgleichung konfessioneller Unterschiede und der Hochschule für das weibliche Geschlecht
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof: Grab-Nr.: AC 18, 1 - 28
Neue Burg 13 (Wohnadresse)
Holländischer Brook 25: Hochschule für das weibliche Geschlecht (Wirkungsstätte)
Namensgeberin für: Traunweg


3098 Traun Bertha
Bertha Traun, Quelle: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Bd. 2.: Vom Vormärz bis zur Gegenwart. Elke Kleinau, Claudia Opitz (Hrsg.). Frankfurt/M. 1996, S. 77.

Bertha Traun gehörte zum Freundinnenkreis um Emilie Wüstenfeld. Sie lernten sich über die geschäftlichen Beziehungen ihrer Ehemänner, deren Kontore nebeneinander lagen, kennen. Bertha Traun war die zweitälteste Tochter von elf Kindern des reichen Stockfabrikanten Heinrich Christian Meyer, der damals die größte Fabrik Hamburgs besaß, und seiner Ehefrau Agathe Margarethe, geb. Beusch (gest. 1833). Bertha Trauns Brüder waren Heinrich Adolph und Heinrich Christian Meyer jr..
Bertha Traun war verheiratet mit dem Kompagnon ihres Vaters, Christian Justus Traun, dem Mitbegründer der Harburger Gummi-Kamm-Comp. Das Ehepaar wohnte mit seinen sechs Kindern - ein Kind starb im Alter von 11 Jahren - in der Neuenburg Nr. 13 bei der St. Nicolaikirche in der Hamburger Neustadt.
Am 10.12.1846 versammelten sich im Hause der 28jährigen Bertha Traun Emilie Wüstenfeld, Amalie Westendarp, Bertha Trauns Schwester Margarethe und weitere 30 interessierte Frauen zur Gründung eines Hilfsvereins - des Vereins zur Unterstützung und Förderung der deutsch-katholischen Gemeinde. Damit wollten die Frauen der freikirchlichen Gemeinde der Deutschkatholiken helfen, die Miete für ein Lokal, in dem die Predigten und Versammlungen abgehalten werden konnten und die Besoldung eines Predigers, zu finanzieren. Die Deutschkatholiken propagierten ein nicht an eine Konfession gebundenes, demokratisches Gemeindeleben. Die Prediger wurden von der Gemeinde gewählt. Auch Frauen erhielten Wahl- und Mitspracherecht, woran in den Amtskirchen überhaupt nicht zu denken war. An exponierter Stelle stand der exkommunizierte Priester Johannes Ronge, der von Bertha Trauns fortschrittlich gesinntem Vater protegiert wurde. Ronge trat auch für die Emanzipation der Frau ein. Er wollte, dass sich die Frauen aus ihren oft unwürdigen Verhältnissen, in denen sie lebten, befreiten. "Die Geschichte dieses Vereins ist zugleich die Geschichte der praktischen Einübung von Hamburger Frauen in Demokratie. Ihre Hilfestellung für die deutsch-katholische Gemeinde verstanden sie als bescheidene aber nicht minder wichtige Parallele zu den reformerischen politischen Aktionen der Männer." (Ingeborg Grolle: Demokratie ohne Frauen in Hamburg um 1848?. Hamburg 1988. Und: Ingeborg Grolle: Demokratie ohne Frauen? Fraueninitiativen in Hamburg um 1848. In: Inge Stephan, Hans-Gerd Winter (Hrsg.): "Heil über dir, Hammonia" Hamburg im 19. Jhd. Hamburg 1992.)
Der Frauenverein zur Unterstützung der deutsch-katholischen Gemeinde sammelte aber nicht nur Geld: "Außer der finanziellen Unterstützung der Gemeinde bemühte sich der Frauenverein um deren Anerkennung durch den Hamburger Senat, denn ohne Legalisierung blieben die in der deutsch-katholischen Gemeinde vorgenommenen Taufen und Eheschließungen ohne bindende Rechtskraft. Verbieten wollte der Senat die Gemeinde nicht, weil sie die Sympathie angesehener Bürger besaß. Aber seine zermürbende Hinhaltetaktik stellte die Gemeinde und den ständig für sie intervenierenden Frauenverein auf eine harte Geduldsprobe, bis endlich unter dem Druck des Revolutionsgeschehens im März 1848 die Anerkennung erfolgte. Die Frauen sahen damit den ursprünglichen Zweck ihres Vereins weitgehend erfüllt. Sie konnten ihren Aufgabenbereich erweitern und nannten sich nun `Frauenverein zur Unterstützung der Deutschkatholiken und anderer humaner Zwecke`." (ebenda.)
Der Frauenverein setzte sich auch massiv für die Überwindung der Standesschranken ein. Durch die Einführung von Dienstmädchenkursen, in denen die Mädchen in den Elementarfächern wie Deutsche Sprache, Schreiben und Rechnen unterrichtet wurden, versuchte der Frauenverein, eine bessere Bildung für Frauen aus der Unterschicht zu erwirken. Ebenfalls wurde als Hilfe zur Selbsthilfe eine Arbeitsvermittlung eingerichtet.
Bertha Traun war auch Gründungsmitglied des Sozialen Vereins zur Ausgleichung konfessioneller Unterschiede. Durch die 48er Revolution erhofften sich liberale Kreise des Bürgertums: "den trennenden Einfluß confessioneller Verschiedenheit auf das politische und soziale Leben zu beseitigen". (ebenda.)
Gerade zwischen den christlichen und jüdischen Frauen gab es eine große gesellschaftliche Kluft, während die christlichen und jüdischen Männer, bedingt durch das Geschäftsleben, schon eher Kontakt zueinander hatten. Doch wie sollte die Angleichung geschehen? Die Frauen sahen in einer freiheitlichen Kindererziehung die Chance, die konfessionellen Schranken zu beseitigen. Deshalb entwickelte der Verein zur Ausgleichung der konfessionellen Unterschiede ein Kindergartenprojekt, welches nach den Vorstellungen von Friedrich Fröbel arbeiten sollte.
Auch an dem Zustandekommen der Hochschule für das weibliche Geschlecht war Bertha Traun maßgeblich beteiligt. Eine Privatangelegenheit sollte allerdings die Hochschule in erheblichen Misskredit bringen: Emilie Wüstenfeld trug sich mit Scheidungsabsichten, und Bertha Traun ließ sich von ihrem Mann scheiden, um den Prediger der Deutschkatholiken, Johannes Ronge, zu heiraten. Bertha Traun wie auch ihre Freundin Emilie Wüstenfeld vertrat die Auffassung, dass eine Ehe nur dann auch sittlich zu Recht bestehen könne, wenn das Ehepaar sich in seiner Gesinnung ergänzt und übereinstimmt. Die mit Dr. Isler, einem Bibliothekar an der Hamburger Stadtbibliothek, verheiratete Jüdin Emma Isler geb. Meyer, die auch zu dem Kreis um Emilie Wüstenfeld und Bertha Traun gehörte - sie war Mitglied des Verwaltungsausschusses der Hochschule für das weibliche Geschlecht - gibt in ihren Lebenserinnerungen einen Einblick in Bertha Trauns Ehe und erklärt, warum es zur Scheidung kommen musste. Seelische Verletzung durch den Ehemann, der die ihm entgegengebrachte Liebe nicht erwidern konnte, Unausgefülltsein als Ehefrau und Mutter. Und dann kam einer, der Bertha Traun wirklich liebte, der nicht einer verflossenen Liebe nachweinte und der die gleichen Ansichten von der Emanzipation der Frau vertrat wie Bertha Traun: "Frau Traun hatte für ihren Vater die höchste Liebe und Verehrung; er war ihr der Inbegriff alles Guten und so empfing sie, als sie 16 Jahre alt war, vertrauensvoll aus seiner Hand den Gatten. Nach menschlicher Berechnung hätten diese beiden Menschen, bei denen zu innerem Werth sich auch Alles, was das Leben schmückt, gesellte, glücklich werden müssen, aber die Berechnung trog. Gleich in der ersten Zeit der Verlobung hatte der junge Mann seiner Braut von einer früheren Liebe erzählt. Die Erinnerung riß ihn hin, er wurde in der Schilderung seiner Gefühle feuriger, als sie ihn je gesehen und wie ein Gifttropfen fiel die Ueberzeugung in ihre Seele: der hat ein Mal geliebt und liebt nie wieder. Weder das angeregte Leben, das sie führte, noch die Liebe zu ihren Kindern vermochte je das Herz der leidenschaftlichen Frau ganz auszufüllen, und als Ronge kam und sie in ihm den Apostel der Lehre sah, daß Mann und Frau in vereinigtem Streben das Höchste für das Menschenwohl leisten müßten, da glaubte sie das Ziel ihrer Sehnsucht gefunden, und sie löste ihre Ehe, um sich mit Ronge zu verheirathen." (Ursula Randt: Die Erinnerungen der Emma Isler. o.O. 1986.)
Am 5. August 1851 heirateten Bertha Traun und Johannes Ronge in London, wohin sie gezogen waren, weil sich in Deutschland durch den Druck der Reaktion die freien Gemeinden kaum noch halten konnten und die Begeisterung für Ronge nachließ. Zwei Monate nach ihrer Hochzeit wurde ihre Tochter geboren.
In London richtete Bertha Ronge einen Kindergarten ein. Theodor Fontane, der damals mit seiner Familie in London lebte, schickte seinen ältesten Sohn in die "Schule von Johannes Ronge" und schrieb darüber: "Ein sogenannter Kindergarten spielt die Hauptrolle, in dem, glaube ich, viel Rad geschlagen und wenig gelernt wird. Kopf stehn ist die einzige Kopfarbeit. Ich bin nicht traurig darüber. George lernt bei uns vollkommen genug, und der Kindergarten wird das Gute haben, daß der Junge seine Schüchternheit verliert."
Nach ihrer Rückkehr aus England zogen die Ronges nach Frankfurt. Bertha Ronge besuchte noch einmal ihre Heimatstadt Hamburg. Allerdings wurde sie dort immer noch abschätzig betrachtet.
1861 initiierte Bertha Ronge in Breslau eine Versammlung von Frauen, auf der sie die pädagogischen Vorstellungen Fröbels darlegte und auf die Wichtigkeit von Kindergärten hinwies. Resultat dieser Versammlung war die Gründung eines Vereins, der die finanziellen Mittel für die Einrichtung von Kindergärten beschaffen wollte. Aber, wie die Lehrerin Frau Manz in ihren, vom Staatsarchiv Hamburg aufbewahrten maschinenschriftlichen Aufzeichnungen über Fröbels Schülerin Amalie Krüger schreibt: "stellten sich bald Kämpfe ein, welche zwischen dem Vorstand und der Behörde währten. Eine harte Korrespondenz fand namentlich vom 12. Juni 1861 bis dahin 1862 statt und drehte sich dieselbe namentlich um die zu erlangende Konzession, welche, wie der damalige Oberkirchenrat bemerkte, `in Hinsicht auf den in den Kindergärten vielfach vorgekommenen Unfug mit besonderer Sorgfalt zu geben sei.` Die aus Hamburg berufene Schülerin Fröbels wird als Ausländerin abgelehnt. Da entschloß sich Frau Ronge, die Zeit ihres Aufenthaltes zu verlängern und eine Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen zu errichten. Die Kindergärten fanden nun in Breslau Anerkennung, nach Frau Ronge übernahm Frau Prediger Hoffrichter die theoretische Leitung." (StA: Ulla Manz: Fröbels Schülerin Amalie Krüger und ihr Wirken in Hamburg. (Maschinenschrift).
Zwei Jahre später starb Bertha Ronge in Frankfurt nach schwerer Krankheit - in ihren letzten Lebenswochen gepflegt von ihrer Freundin Emilie Wüstenfeld.
Bertha Traun wurde auf dem Hamburger Friedof zu St. Petri neben ihrem ehemaligen Schwiegervater beerdigt. Auch ihr erster Ehemann, der 18 Jahre nach Bertha Ronges Tod ebenfalls in Frankfurt am Main starb, erhielt seine letzte Ruhestätte neben seinem Vater und Bertha Ronge.
Als Bertha Ronges Sohn aus erster Ehe, der Senator Dr. Heinrich Traun, 1907 eine Grabstelle auf dem Ohlsdorfer Friedhof kaufte, ließ er 1908 seinen Großvater, seine Mutter und seinen Vater dorthin umbetten. Im Sargregister wird Bertha Traun als Bertha Ronge geführt, auf dem Grabstein als Bertha Traun - als ob es niemals eine Scheidung gegeben hätte.
Seit 1942 gibt es in Hamburg Neuland den Traunweg, benannt nach dem Fabrikanten Christian Justus Friedrich Traun, 2001/2002 ergänzt um die ebenso bedeutende Ehefrau Bertha Traun. 2001 beschloss der Senat auf Initiative von Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung und des damaligen Senatsamtes für Bezirksangelegenheiten, bei einer Gruppe von 14 Straßen- und Wegenamen die an den Straßenschildern angebrachten Erläuterungen zu den Namensgebern um Informationen zu deren Ehefrauen oder weiblichen Verwandten zu ergänzen, wenn diese ebenfalls Herausragendes geleistet hatten und denselben Nachnamen tragen.
Text: Rita Bake