Ida Stengele Ida Stengele, geb. Biedermann
(14.2.1861 Wyl/Kanton Zürich – ?)
Erzieherin, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (SPD, 1919–1927)
Kollaustraße 13 (Wohnadresse)
Hamburger Rathaus, Rathausmarkt (Wirkungsstätte)
Die nach ihrem Ehemann benannte Stengelestraße wurde im Dezember 2022 nach Ida Stengele mitbenannt.
Ida Biedermann hatte nach dem Besuch der Volks- und Sekundärschule in Wyl, die höhere Mädchenschule in Lausanne besucht. Einer ihrer Mitschüler in der Sekundarschule In Wyl war Gustav Stengele, Sohn eines Stellmachers. Die beiden heirateten aber erst 1894, als Ida und Gustav 33 Jahre alt waren. Damals arbeitete Gustav Stengele (1861-1917) schon in Hamburg als Redakteur für die sozialistische „Bürgerzeitung“ und das „Hamburger Echo“.
Ida Biedermann war vor ihrer Ehe als Erzieherin in Privatstellen in Österreich, Frankreich und Italien tätig. Nach ihrer Heirat mit Gustav Stengele, gab sie ihre Erwerbstätigkeit auf und wurde Hausfrau. 1919 wurde sie als SPD-Abgeordnete in die Hamburgischen Bürgerschaft gewählt. Damit gehörte sie zu den ersten Frauen, die in die Bürgerschaft gewählt wurden, nachdem 1919 die Frauen das aktive und passive Wahlrecht erkämpft hatten. Bei der Wahl 1919 zur ersten verfassungsgebenden Bürgerschaft wurden siebzehn Frauen und 168 Männer gewählt. Neun Frauen gehörten der SPD an, darunter Ida Stengele, vier der liberal-demokratischen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), zwei zählten zur links von der SPD stehenden Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) und jeweils eine zur nationalliberalen Deutschen Volkspartei (DVP) und zur nationalistisch-konservativen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP).
Schwerpunkte der Politik der weiblichen Abgeordneten waren die Bereiche Sozialpolitik und Wohlfahrtspflege, Bevölkerungspolitik und Gesundheitsfürsorge, Jugendpflege und Schulpolitik sowie Ehe- und Familienrecht.[1]
Auch ihr Ehemann Gustav Stengele war Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft gewesen und zwar von 1907 bis 1913. Nach ihm wurde 1945 in Hamburg-Horn auch eine Straße benannt – nach Ida Stengele nicht. Die „Stengelestraße“ könnte also auch nach Ida Stengele mitbenannt werden.
Ida Stengele war von 1919 bis 1927 Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft. 1924 wurde sie Mitglied des Bürgerausschusses, auch war sie Mitglied der Behörde für öffentliche Jugendfürsorge und des Ernährungsbeirates des Kriegsversorgungsamtes. Ihr Themenschwerpunkt war die Jugend. Sie setzte sich aber auch besonders für bessere Berufsmöglichkeiten von Frauen ein. So unterstützte sie 1920 das Anliegen des Senats dem Verein zur Förderung weiblicher Erwerbstätigkeit mehr Geld zukommen zu lassen. Auch redete sie im Parlament z. B. zur Hunde- und Reitpferdesteuer. Ihre Rede zur Reitpferdesteuer verdeutlicht ihren politischen Standpunk, sich in erster Linie für verbesserte Lebensbedingungen des Proletariats einzusetzen. So sagte sie: „Ich habe hier vor ganz kurzer Zeit eintreten müssen für ein Eintrittsgeld in den Flußbadeanstalten, da der Staat nicht die Mittel aufbringen kann, den Betrieb der Flußbadeanstalten weiterhin aufrecht zu erhalten, wenn keine Eintrittsgebühr genommen wird. Nun frage ich Sie: Wenn Leute sich heutzutage noch ein Reitpferd halten können, einen Stall dafür haben müssen, die Unterhaltungskosten des Pferdes tragen können, ist es dann eine Ungerechtigkeit, wenn diese Pferde mit 500 Mark Steuer belastet werden? Die übrige Bevölkerung kann den Staub schlucken; das haben diese Herren nicht nötig, denn ich bin überzeugt, daß sie im Sommer zur Erholung aus der Großstadt herausgehen. Die anderen müssen in der Stadt bleiben, müssen ihr Geschäft besorgen, für Handel und Wandel aufkommen, und wenn sie sich dann mal den Schweiß vom Körper herunterbaden wollen, dann müssen sie noch ein Eintrittsgeld in den Badeanstalten bezahlen! Wir sind dafür eingetreten, weil die Staatsfinanzen es erfordern, weil uns die Mittel fehlen; und jetzt kommen Sie von der rechten Seite und sind gegen diese Steuer! Wenn wir hier auf den Satz von 150 Mark zurückgegangen sind für die Pferde, die zur gewerbsmäßigen Vermietung gehalten werden, so in Anbetracht dessen, weil uns doch Bedenken gekommen sind, daß durch das Zurückgehen dieses Gewerbes auch wieder Leute erwerbslos würden (…). Ich möchte Sie aber bitten, bei dem Satz von 150 Mark zu verbleiben, denn dieser Satz für ein Pferd verteilt sich auf so und so viele Menschen, die es im Jahr nutzen, und da kann der Betrag für den einzelnen keine große Summe ausmachen.“[2]
Obwohl die Frauen seit 1919 das aktive und passive Wahlrecht besaßen, blieben sie im Parlament in der Minderheit. Frauen waren als Politikerinnen nicht gefragt. „Angesichts dieser Entwicklung wichen die anfänglichen Hoffnungen schnell kritischem Realismus. In den Reihen der Frauenbewegung machte sich allgemeine Enttäuschung breit. Die parteipolitisch organisierten Frauen (…) beklagten (…) ihren geringen Einfluss. (…) Frauen waren in keiner Partei der Weimarer Republik gleichberechtigt.“[3]
Text: Rita Bake