Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Emilie Kiep-Altenloh Dr. Emilie Kiep-Altenloh, geb. Kiep

(30.7.1888 Voerde/Ennepetal – 22.2.1985 Hamburg)
Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (FDP), Senatorin
Reichskanzlerstraße 22 (Wohnadresse)
Hamburger Rathaus, Rathausmarkt (Wirkungsstätte)
Sozialbehörde, heutiger Sitz: Hamburger Straße 47 (Wirkungsstätte)
Bestattet auf dem Voerder Friedhof, Gemeinde Emepetal


3386 Kiep Altenloh Emilie
Dr. Emilie Kiep-Altenloh bei einem Empfang, Foto: Staatsarchiv Hamburg

Die „große alte Dame des Liberalismus“, wie sie oft genannt wurde, Tante des Politikers und ehemaligen CDU-Schatzmeisters Walther Leisler Kiep, war gemeinsam mit ihrer Schwester in Voerde aufgewachsen, wo ihr Vater und sein Bruder seit 1825 eine Schraubenfabrik besaßen. Ihr Vater betrieb daneben eine Brauerei, und zu allem hatte die Großmutter eine Salzfabrik in die Familie eingebracht. Im Anschluss an den Besuch der Volksschule erhielt Emilie Kiep Privatunterricht und besuchte ein Internat in der Schweiz. Nach dem Abitur studierte sie Nationalökonomie und Jura mit dem Abschluss Promotion. Während des Ersten Weltkrieges leitete sie das von ihr aufgebaute Kreisernährungsamt im Kreis Schwelm in Westfalen. Nach einer kurzen Tätigkeit als Arbeiterin in einer Herdfabrik wurde sie 1919 Leiterin des Provinzialwohlfahrtsamtes Schleswig-Holstein. In dieser Zeit war sie auch an der Gründung der Sozialen Frauenschule in Kiel beteiligt. 1923 heiratete sie Nicolaus Johann Kiep, Industriedirektor und Ingenieur einer Hamburger Werft. Die Ehe blieb kinderlos. 1922 gründete und leitete Dr. Emilie Kiep-Altenloh einen Anstalten Verband, nachmals Paritätischer Wohlfahrtsverband. Sie war bis 1933 Mitglied des Reichsvorstandes dieses Verbandes und geschäftsführende Vorsitzende des Landesverbandes Schleswig-Holstein. Sie gründete zwei Heilstätten und eine Fürsorgeerziehungsanstalt. Von 1929 bis 1933 war sie Mitglied der DDP (Deutsche Demokratische Partei) bzw. DStP (Deutsche Staatspartei), Stadtverordnete in Altona und von 1930 bis 1933 Abgeordnete des Reichstages. Ab 1934 studierte sie Zoologie und Biologie.
In der NS-Zeit wurde sie durch die Nationalsozialisten aus ihrer Tätigkeit in den Wohlfahrtsverbänden als politisch untragbar entfernt. [1]
Von 1943 bis 1947 leitete sie das Institut für Umweltforschung der Universität Hamburg, gründete die Blindenführerhundeschule und war außerdem geschäftsführende Vorsitzende der orthopädischen Kinderheilstätte „Haus Eiderstedt“. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der FDP in Hamburg. Bis 1972 war sie Mitglied des FDP-Parteivorstandes. Auf dem 1. Parteikongress der FDP in Bad Pyrmont, der vom 18. bis 20. Mai 1946 tagte, hielt sie eine Rede zum Thema „Die Frau im demokratischen Staat“. Darin äußerte sie sich auch zu den Entnazifizierungsausschüssen, in denen viele Frauen tätig waren: „Es ist klar und begreiflich, daß gefordert wird, und auch wir müssen es fordern, das öffentliche Leben von denen zu bereinigen, die durch schwere Irreführung das deutsche Volk ins Unglück gebracht haben. (...) Aber (...) wir leben in einem sehr schnellen Tempo, daß wir selbst schon nicht mehr genau wissen, was wir vor einem halben Jahr gedacht haben, so schnell kamen die Ereignisse herein. Wir sind bestimmt keine Nazis gewesen, und doch sind wir geformt durch diese 12 Jahre, sei es in der Opposition, sei es in der Aktivierung derjenigen Dinge, die in diesen 12 Jahren gut gewesen sind, und es sind manche Dinge gut gewesen, die wir uns noch als solche ruhig vor Augen halten können. Es bedarf eines gründlichen Nachdenkens, wenn man sich dieser Selbstkritik aussetzt. Es ist die Aufgabe der Entnazifizierungsausschüsse außerordentlich schwierig. Nochmals möchte ich betonen, es handelt sich nicht um die Leute, die von alters her bekannt waren, die große Schieber waren, Denunzianten waren, es handelt sich um einen großen Teil des deutschen Volkes, der von den besten Voraussetzungen ausging und geglaubt hat, es bräche nun nicht nur für Deutschland ein Machtstaat herein, sondern der wirklich geglaubt hat, die Welt würde besser, wenn der Nationalsozialismus – d.h. wie sie ihn sehen – zum Siege käme. Diesen Leuten kann man eins vorhalten: Ihr habt mal wieder nicht politisch gesehen, sondern habt aus irgendwelchen Büchern und Zeitungsartikeln euch die Unwahrheit verzapfen lassen, habt nicht um euch gesehen, was links und rechts um euch geschah und nicht die Schlußfolgerung gezogen. Dies kann man ihnen zum Vorwurf machen und muß es machen, denn das ist nun einmal die Voraussetzung des deutschen Unglücks gewesen, daß wir die Wirklichkeit nicht erkannt und die Schlußfolgerungen nicht gezogen haben. (...) Aber wir müssen uns auch noch eins klar machen: Wenn wir in diesen Ausschüssen sitzen – und es sitzt eine Reihe Frauen darin – dann kommt es nicht darauf an, die Leute, kleine Naziwürstchen, auszutilgen. Da wollen wir den Gesichtspunkt des Menschlichen über den des alttestamentarischen Auge um Auge, Zahn um Zahn stellen. Es ist besser, daß ein Kleiner mal durchschlüpft, als daß zwei Unschuldige in eine Situation des Lebens kommen, daß sie zeitlebens verbittert und unglücklich werden. Das muß ich besonders den Frauen zurufen.“ Ab 1949 saß Dr. Emilie Kiep-Altenloh für die FDP in der Hamburgischen Bürgerschaft, deren Vizepräsidentin sie von 1951 bis 1953 war. Von 1953 bis 1957 gehörte sie dem Hamburg Block an, von November 1957 bis Dezember 1957 der FDP. Von 1954 bis 1957 war sie Senatorin der Sozialbehörde, von Juli 1957 bis November 1957 Senatorin der Jugendbehörde und von 1957 bis 1961 Senatorin der Behörde für Ernährung und Landwirtschaft sowie der Gefängnisbehörde. Von 1961 bis 1965 war sie Abgeordnete der FDP im Deutschen Bundestag.
Es gibt noch die Geschwister-Altenloh Stiftung, die das Andenken an die beiden Schwestern Emilie und Liese wachhält. Von dieser Stiftung wird die evangelische Stiftung Loher Nocken in Ennepetal unterstützt. Außerdem ist Emilie Kiep-Altenloh die Namensgeberin für die „Dr. Emilie-Kiep-Altenloh-Stiftung e.V.“, die sich um die liberale Bildungsarbeit in Hamburg kümmert und Bildungsangebote anbietet.
Text: Rita Bake