Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Julia Alice (Egele) Windmüller

(2.10.1877 in Hamburg - Suizid am 25.10.1941 in Hamburg)
Pianistin, Klavierlehrerin, Autorin
Hegestraße 39 (Wohnadresse) Stolperstein


Julia Windmüller war gut sieben Jahre älter als ihre Schwester Gertrud Adele, verheiratete Ruppin (s. dort). Sie wurde protestantisch erzogen. Ihr Vater Siegmund Phillip Windmüller und auch ihre Mutter Helene, geb. Elias, waren ursprünglich jüdischer Herkunft und gaben ihr den jüdischen Vornamen Egele, den sie aber nicht benutzte. Den Windmüllers ging es wirtschaftlich sehr gut, sie lebten mit vielen Verwandten in Hamburg. Julias Eltern hatten einen großen Freundeskreis in der Hamburger Kultur- und Musikszene, was sich in Julias Freundschaftsalbum „Bekenntnisse" widerspiegelt. Dieses Album in rotem gepunzten Leder mit Goldschnitt hatte sie am 2. Oktober 1893 von ihrer Tante Agnes Reyersbach zum 16. Geburtstag geschenkt bekommen. Heute befindet es sich zusammen mit ihrem weiteren schriftlichen Nachlass in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Zu den Persönlichkeiten, die sich in das „Bekenntnis-Album" eintrugen, gehörten neben Prof. Richard Barth, dem Leiter des Philharmonischen Orchesters Hamburg (1895-1904), der Komponist und Dirigent Max Fiedler, ab 1904 Direktor des Hamburger Symphonieorchesters, der Opernsänger Max Alvary, der 1898 ein Ehrengrab auf dem Ohlsdorfer Friedhof erhielt, der Dirigent des Leipziger Gewandhausorchesters Prof. Arthur Nikisch, sowie weitere Komponisten und berühmte Geiger. Beeindruckend sind auch die vielen Einträge von Schauspielerinnen, Schauspielern und Dramaturgen, die im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Gründung des Hamburger Schauspielhauses die Vermutung zulassen, dass auch Julias Vater zu den Kunstfreunden zählte, die den Bau des Schauspielhauses durch Zeichnung von Aktien ermöglichten.
Julia war selbst eine gute Pianistin, gab später Klavierunterricht und war sehr darum bemüht, begabten Schülern und Schülerinnen den Weg zu hervorragenden Klavierpädagogen mithilfe ihrer persönlichen Kontakte zu ebnen. Mit 23 Jahren verlobte sie sich mit Dr. Weiglin, einem Musiker. Nicht nur für ihre Schüler und Schülerinnen, auch für ihren Verlobten setzte Julia ihre Verbindungen ein. Nach neunjähriger Verlobungszeit löste Julia die Verbindung. Am 31. März schrieb ihre Freundin Amelie Nikisch aus Leipzig: „ wenn aber Ihr Vertrauen erschüttert ist, so war es gewiss sehr richtig, bei Zeiten tabula rasa zu machen. Wenn es auch für den Moment schmerzt!“ In der veränderten Situation ordnete Julia ihr Leben neu. Nachdem Pläne, ihre Musik im europäischen Ausland zu verwirklichen, sich nicht realisieren ließen, begann sie, ihre zweite Begabung, die Schriftstellerei, zu forcieren. Bereits 1909 war eine Erzählung von ihr im „Tageblatt" veröffentlicht worden, nun schrieb sie in größerem Umfang Erzählungen und Geschichten.
Julia führte ein gutbürgerliches Leben, machte jedes Jahr eine Sommerreise, auf der sie mit interessanten Menschen zusammentraf, zog von zuhause aus und gab weiterhin Klavierunterricht. Während des Ersten Weltkrieges stellte sie voller vaterländischer Begeisterung aus Zeitungsausschnitten und Sondermeldungen Hefte zusammen, die sie an Soldaten im Felde verschickte, um ihnen einen Gesamtüberblick über das Geschehen an sämtlichen Frontabschnitten zu ermöglichen.
Als die Mutter Ende 1928 verstarb, nahm Julia sich eine neue kleine Wohnung am Krohnskamp und begann, sich den Neuen Medien zuzuwenden und Drehbücher für Filme zu schreiben. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden ihr aber alle Veröffentlichungs- und Arbeitsmöglichkeiten genommen. Schließlich musste sie ihre Wohnung am Krohnskamp aufgeben und 1937 zu Schwester und Schwager Ruppin in die Hegestraße 39 ziehen. Als ihr am 21. Oktober 1941, sie hatte gerade ihren 64. Geburtstag begangen, der Deportationsbefehl zugestellt wurde, nahm sie eine Überdosis an Schlafmitteln und starb in den frühen Morgenstunden des 25. Oktober 1941 im Israelitischen Krankenhaus, Johnsallee 68. Geblieben sind ihr musikalischer Nachlass in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg mit Korrespondenzen, Fotos und dem Album „Bekenntnisse", ihre Briefe an Ida Dehmel in deren Nachlass sowie Schriften im Nachlass von Ludwig Ficker, Universität Innsbruck, und im Archiv des Brenner Verlages.
Text: Lore Wieprecht, aus: www.stolpersteine-hamburg.de