Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Charlotte Niese

(7.6.1851 Burg/Fehmarn – 8.11.1935 Hamburg Altona)
Schriftstellerin, Heimatdichterin, Lehrerin
Philosophenweg 14 (Wohnadresse)
Namensgeberin für: Charlotte-Niese-Straße (seit 1929)
Bestattet auf dem Friedhof Bernadottestraße, Grablage: I A 687 abc


3440 Charlotte Niese
Charlotte Niese um 1920, Bildquelle: Bieber, Hamburg. Repro von Wahrerwattwurm - Das Foto ist angesichts des Datums aber keine Daguerrotypie von Emilie Bieber (1810-1884) / gemeinfrei

Charlotte Niese entstammte einer Pastorenfamilie. Ihr Vater Emil August Niese war Pastor in Burg auf Fehmarn, ihre Mutter Benedicte Marie Niese, geb. Matthiessen, war Hausfrau und Mutter.
Charlotte Niese hatte sieben Geschwister. Bis zu ihrem neunten Lebensjahr durfte sie mit ihren sechs Brüdern spielen, lernte so die Welt der Jungen kennen und brauchte noch nicht nach den Regeln, die für Mädchen als schicklich galten, zu agieren. Dazu Charlotte Niese: „Ich bin wohl anders aufgewachsen wie viele andere Mädchen. Zunächst wurde ich im Hause von einer sehr alten, sehr klugen Dame unterrichtet, und spielte bis zu meinem neunten Jahr ausschließlich mit meinen Brüdern und deren Freunden. Mädchen galten bei ihnen wie bei mir für ‚falsch‘.“[1]
Doch dann trennten sich die Wege der Geschwister. Die sechs Brüder gingen mit dem Vater, der nach Eckernförde versetzt worden war, um dort als Seminardirektor zu arbeiten. Charlotte musste bei ihrem Großvater, dem Justizrat Matthiessen bleiben. Die Brüder erhielten Latein- und Griechischunterricht und schlugen eine wissenschaftliche Laufbahn ein. Solch ein wissenschaftlicher Weg war für Charlotte Niese nicht vorgesehen, war sie doch „nur“ eine Frau. Für sie als bürgerliches Mädchen musste der Lehrerinnenberuf ausreichen. Und so begann Charlotte Niese nach der Konfirmation das Lehrerinnenseminar zu besuchen. Warum sie schon so jung diese Ausbildung beginnen musste, erklärt Charlotte Niese folgendermaßen: „Hernach [nach der Konfirmation] trat dann bald an mich die Frage heran, wie es mit der Selbstständigkeit werden sollte. Die Verhältnisse zwangen zu Erwägungen solcher Art. Mein Vater wurde nämlich plötzlich kränklich und starb im Alter von zweiundfünfzig Jahren. Ich kam danach sehr früh zum Lehrerinnenberuf – vor dreißig Jahren der einzige Frauenerwerb, von dem die Rede sein konnte. Schon in sehr jungen Jahren machte ich das Examen für den Unterricht an höheren Töchterschulen, und ich kann wohl sagen, dass ich danach gern und freudig unterrichtet habe.“[2]
Charlotte unterrichtete in mehreren Familien in Nordschleswig, in der Rheinprovinz und als Internatserzieherin in Montreux.
Als dann die Mutter, die damals in Plön wohnte, die Tochter „wieder nötig hatte“, zog Charlotte Niese zu ihr und gab ihren Beruf auf. Fortan lebte Charlotte Niese mit ihrer Mutter bis zu deren Tod im Jahre 1907 zusammen.
Nicht mehr als Lehrerin tätig, schaffte sich Charlotte Niese den Freiraum, um ihrem lang gehegten Wunsch zu schreiben, nachzugehen. Ihre ersten Prosatexte veröffentlichte sie unter dem männlichen Pseudonym „Lucian Bürger“ in der Kieler Zeitung.
Zwischen 1873 und 1876 wohnte Charlotte Niese mit ihrer Mutter in Plön. Dann verbrachten die beiden ein Jahr bei einem Bruder von Charlotte Niese in New York. Als sie nach Deutschland zurückkehrten, zogen die beiden Frauen auf Rat eines Bruders nach Altona, denn dort wohnte ein Teil der Verwandtschaft. Hier in Altona lebte Charlotte Niese bis 1900 zusammen mit ihrer Mutter und der jüngeren Schwester im Philosophenweg. Hier begann auch der schriftstellerische Erfolg. Charlotte Niese wurde eine der bekanntesten Holsteinischen Heimatdichterinnen, sogar in Schulbüchern wurden ihre Erzählungen abgedruckt. „In meinen Geschichten muss immer etwas Schleswig-Holsteinisches sein, sonst fühle ich mich selbst darin fremd“, äußerte sie.

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Grab Charlotte Niese, Quelle: kulturkarte.de/schirmer

Charlotte Niese befasste sich auch mit der Frauenfrage. So war sie eine Zeit lang erste Vorsitzende der Altonaer Ortsgruppe des Verbandes Norddeutscher Frauenvereine. Ziel dieses konservativen Vereins waren bessere Bildungs- und Berufschancen für Frauen.
Auch in ihren Romanen setzte sich Charlotte Niese mit der Rolle der Frau auseinander. Sie zeigte immer wieder die gesellschaftspolitischen Grenzen auf, an die Frauen stießen. Jedoch trat sie, die selbst unter diesen Gegebenheiten litt, nicht für eine Überwindung dieser Verhältnisse ein. Charlotte Niese akzeptierte den Status quo. Die traditionellen Geschlechtsrollenmuster zu durchbrechen, entsprach nicht ihrem Temperament und Weltbild.
Text: Rita Bake