Emilie Bieber
(26.10.1810 Hamburg – 5.5.1884 Hamburg)
Photographin
Große Bäckerstraße 26 (Wirkungsstätte)
Bestattet auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel, Grablage: A12-29
Nach alten Stadtplänen befand sich das Haus mit der Hausnummer 26 an der Ecke Große Bäckerstraße/ Börsenbrücke. Anfang Februar 1853 gaben Emilie Bieber und Adelgunde Köttgen die Eröffnung ihres Daguerreotyp-Ateliers (photographisches Atelier) in der Großen Bäckerstraße 26 in Anzeigen der "Hamburger Nachrichten" bekannt.[1] Das Atelier befand sich hoch oben unter dem Dach des Hauses.
In dieser Frühzeit des Mediums Photographie arbeiteten fast ausschließlich Männer in diesem Metier. Der Beruf der Photographin entwickelte sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Emilie Bieber war eine der ersten Berufsphotographinnen ihrer Zeit. Doch ihre Geschäfte gingen schlecht. Deshalb suchte sie Rat bei einer Wahrsagerin, die ihr eine rosige Zukunft vorhersagte. Emilie Bieber überwand die geschäftliche Durststrecke und avancierte in den folgenden Jahren zu einer erfolgreichen Photographin, deren Spezialität handkolorierte Portraits waren. Am 31. Oktober 1872 ernannte Friedrich Karl, Prinz von Preußen sie zu seiner Hofphotographin. Bereits ein Jahr zuvor hatte sie Ende 1871 ihr Atelier in der Großen Bäckerstraße aufgegeben und es in ein repräsentatives fünfstöckiges Haus am Neuen Jungfernstieg 20 verlegt, welches sie bereits 1868 gekauft und umbauen hatte lassen.[2]
Als ihren Nachfolger bestimmte sie ihren Neffen Professor Leonard Berlin (1841–1931) Er führte das Atelier ab 1885 zu Weltruhm und eröffnete 1890 eine Filiale in Berlin.
Emilie Bieber war auch in der bürgerlichen Frauenbewegung Hamburgs aktiv, die damals maßgeblich von Emilie Wüstenfeld und Bertha Traun getragen wurde. So war sie Mitglied des von Emilie Wüstenfeld und Bertha Traun ins Leben gerufenen Vereins von Frauen und Jungfrauen zur Unterstützung der Deutschkatholiken und des Frauenvereins zur Unterstützung der Armenpflege.
Die damalige Frauenbewegung setzte sich auch für qualifizierte Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen ein. Eine Möglichkeit der Erwerbsarbeit wurde in der Ausbildung von Frauen als Kindergärtnerinnen gesehen. Dabei favorisierte die bürgerliche Frauenbewegung die Fröbelsche Kindergartenpädagogik. Auch Emilie Bieber scheint sich hier engagiert zu haben, denn in einer Anzeige der Hamburger Nachrichten vom 24. Januar 1851, die Vorlesungen über die Bedeutung des Kindergartens bewarb, wurde Emilie Bieber als Ansprechpartnerin, um sich für die Vorlesung anzumelden, genannt.[3]
Ihr Engagement in der bürgerlichen Frauenbewegung brachte Emilie Bieber wohl auch den Auftrag ein, Kronprinzessin Victoria zu photographieren. Diese hatte während eines Erholungsurlaubs auf Föhr Emilie Wüstenfeld kennengelernt, die ihr über die Arbeit ihrer Frauenvereine in Hamburg berichtete. Daraufhin besuchte Kronprinzessin Victoria inkognito auf ihrer Rückreise Hamburg, um das Paulsenstift und die Gewerbeschule für Mädchen von Emilie Wüstenfeld zu besuchen. Dabei erfüllte sie die Bitte von Emilie Wüstenfeld, sich von Emilie Bieber in deren Hamburger Atelier ablichten zu lassen, „als Anerkennung für den großen Fleiß und die Energie, womit sie [Emilie Bieber] als alleinstehende Frau ihr Atelier aus bescheidensten Anfängen – so bescheiden, daß ihr Kompagnon, der Maler Köttgen, die Flinte ins Korn warf und sie im Stiche ließ – aus eigener Kraft zu dem ersten damals in Hamburg gemacht hatte und das Haus am Neuen Jungfernstieg hatte erwerben können“, schreibt Marie Kortmann in ihrer Abhandlung über ihre Tante Emilie Wüstenfeld.[4]
Allerdings irrt Marie Kortmann an einer Stelle: Nicht der Portraitmaler Gustav Adolf Koettgen, sondern seine Ehefrau Frau Adelgunde, geb. Lyra (1823 Osnabrück – 1909 Düsseldorf) hatte mit Emilie Bieber das Photoatelier gegründet. Sie war politisch aktiv und hatte, nachdem sie 1846/47 mit ihrem Mann, der als Kommunist galt, nach Bremen gezogen war, den Demokratischen Frauenverein von 1849 gegründet. Bald musste das Ehepaar aber auch Bremen verlassen, weil Koettgen bei einer Volksversammlung verhaftet worden war. Sie gingen nach Hamburg und wohnten in einer Wohnung am Pferdemarkt, in der Koettgen auch sein Atelier hatte. Da die Familie von den Einkünften aus dem Verkauf der Bilder nicht überleben konnte, eröffnete Emilie Bieber, die damals ebenfalls am Pferdemarkt wohnte, gemeinsam mit Adelgunde Koettgen ein Photoatelier. 1854 kehrte Adelgunde mit ihrem Mann und ihren Kindern ins Rheinland zurück.[5]
Text: Dr. Rita Bake